Markt Indersdorf:Eine Frage der Gerechtigkeit

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Die Marktgemeinde investiert acht Millionen Euro in das Kanalsystem. Den Betrag müssen die Einwohner zahlen. Fragt sich nur wie.

Von Benjamin Emonts, Markt Indersdorf

Das Gasthaus Doll in Ried bei Markt Indersdorf ist mit 150 Personen voll besetzt. Denn es gilt eine Frage zu klären, welche die Geldbörse aller Indersdorfer Bürger betrifft: Soll die Sanierung der in die Jahre gekommenen Indersdorfer Kläranlage über die Abwassergebühr oder über eine Einmalzahlung der Bürger finanziert werden? Nach dem Gesetz darf eine Kommune die Kosten für die Kanalisation nur auslegen, nicht aber übernehmen. Zahlen muss der Bürger.

Bürgermeister Franz Obesser (CSU) hat zu dem Informationsabend eingeladen, um sich ein Bild von der Stimmung innerhalb der Indersdorfer Bürgerschaft zu machen. Er selbst plädiert während seines Vortrags in aller Deutlichkeit für die Umlegung der Kosten über die Abwassergebühren. Sie sei unkomplizierter und sozial gerechter.

Seinem Plan zufolge soll die Gemeinde das voraussichtlich acht Millionen Euro teure Bauprojekt, in dem auch die Sanierung des Kanalnetzes enthalten ist, durch einen Kredit vorauszahlen und mit den eingehenden Abwassergebühren refinanzieren. Schließlich rechnet Obesser vor, dass die Abwassergebühren aufgrund der Sanierungsarbeiten von 1,81 Euro pro Kubikmeter auf 2, 51 Euro steigen würden, ein Beitrag, der immer noch dem landkreisweiten Schnitt entspreche. "Wir", sagt Obesser folglich, "würden die Benutzergebühr als Umlage nehmen."

Der Andrang auf dem Infoabend im Festsaal des Gasthofs Doll in Ried war groß. Bürgermeister Franz Obesser bedankte sich und lobte die Debatte. (Foto: Toni Heigl)

Um(welt)denker befürchten Überschuldung der Gemeinde

Die Wählergruppe der Um(welt)denker hält still, als der Großteil der Bürger seinem Ansinnen Applaus spendet. Bereits im Vorfeld hatte sich die Gruppierung im Gemeinderat deutlich von dieser Finanzierungsvariante distanziert. Ein langfristiger Millionenkredit, so hieß es, könnte zu einer Überschuldung der Gemeinde und folglich zu ihrer Handlungsunfähigkeit führen - "eine Gefährdung geplanter und laufender Projekte".

Um(welt)denker und Gemeinderat Hans Wessner bekräftigt diese Haltung am Donnerstagabend. Man dürfe nicht vernachlässigen, dass in die Kalkulation der neuen Abwassergebühren Überschüsse aus den vergangenen Jahren miteinberechnet worden seien. So sei eine deutliche Erhöhung zu erwarten, wenn die Gebühren in drei Jahren neu berechnet werden. In erster Linie aber machte sich Wessner Sorgen um den Gemeindehaushalt. Er erinnert an die Jahre 2002 und 2003, als die Schulden der Gemeinde etwa fünf Millionen Euro betrugen und verschiedene Investitionen deshalb nicht mehr möglich gewesen seien, auch Zuschüsse an Vereine. "Ich habe massive Befürchtungen, dass die Gemeinde durch die hohe Verschuldung in zwei Jahren nichts mehr machen kann und handlungsunfähig wird."

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(Foto: Toni Heigl)

Hans Wessner von den Um(welt)denkern machte sich in erster Linie Sorgen um den Gemeindehaushalt.

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(Foto: Toni Heigl)

Günther Walter aus Niederroth freute sich, dass der Gemeinderat sich traue, Geld in die Hand zu nehmen.

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(Foto: Toni Heigl)

Alexander Pertl aus Karpfhofen sagte, dass die Leute, die viel Geld hätten, sich leicht redeten.

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(Foto: Toni Heigl)

Indersdorfs Bürgermeister Franz Obesser lobte die sachlich und kontrovers geführte Debatte.

Rückendeckung bekommt Wessner von der SPD-Gemeinderätin Martina Tschirgl. "Mir macht die Arbeit als Gemeinderätin mehr Spaß, wenn ich Vereinen noch Zuschüsse geben kann." Außerdem müssten ältere Menschen und Familien mit Kindern das Gros der Abwassergebühren übernehmen, weil sie viel zu Hause seien und dementsprechend Wasser verbrauchten. "Ist das gerecht?"

Wer mehr verbraucht, soll auch mehr zahlen

Bürger Günther Walther lässt diese Argumentation nicht gelten. Er habe in letzter Zeit oftmals beobachtet, wie Rentner den ganzen Tag und mit reichlich Wasser ihre Blumen im Garten gegossen hätten. Und überhaupt: "Die Leute sollen das zahlen, was sie in die Kiste machen", sagt Günther betont derb. Er sei froh, dass der sonst so zaghafte Gemeinderat sich endlich traue, Geld in die Hand zu nehmen. Schließlich weist er auf das Verursacherprinzip hin und warnt davor, dass eine Einmalzahlung, welche über die Besitzfläche berechnet wird, lediglich die Haus- und Wohnungseigentümer in die Pflicht nehmen würde: "Quadratmeter verursachen nicht. Derjenige, der verbraucht, muss zahlen." Josef Öttl aus Eglersried sagt über die Sorgen, die Gemeinde könnte sich zu hoch verschulden: "Niemand kann in die Zukunft schauen. Aber das Wasser fließt - und das sind Zahlen, mit denen man rechnen kann." Er bekommt dafür ebenso lauten Applus wie der Karphofener Alexander Pertl. Als junger Familienvater habe er für die Sanierung des Elternhauses einen hohen Kredit aufgenommen und sei schlichtweg nicht in der Lage, eine Einmalzahlung von mehreren 1000 Euro zu bezahlen. "Die Leute, die viel Geld haben, reden sich leicht."

Bürgermeister Obesser kommt zu dem Schluss: "Die Bürger sehen es als Entlastung, die Finanzierung über die Gebühren abzuwickeln." Die endgültige Entscheidung fällt im Oktober.

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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