Markt Indersdorf:Das Vermächtnis der Mönche

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Das Augustiner Chorherren Museum in Indersdorf beleuchtet auch die jüngere Zeitgeschichte und ist ein Musterbeispiel für das Engagement von Bürgern

Von Robert Stocker, Markt Indersdorf

Es war ein hartes Stück Arbeit, Bayerns größten Backstein wieder an den Ort seiner Herkunft zurückzuführen. Der riesige Tonquader wurde bei Grabungen auf dem Klostergelände entdeckt und wanderte zunächst in die Obhut des Landesamts für Denkmalpflege. Als der Indersdorfer Heimatverein das bedeutende Stück zurück haben wollte, stellten sich die Denkmalhüter quer. Doch die Indersdorfer ließen nicht locker. Dank ihrer Hartnäckigkeit und der Hilfe von Politikern rückte das Landesamt den einmaligen Stein wieder heraus. "Das war eine Odyssee", erinnert sich Hans Kornprobst, Schatzmeister des Heimatvereins, an den Kampf um den begehrten Quader. Heute ist das gute Stück im ersten Raum des neuen Museums ausgestellt.

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(Foto: Niels P. Jørgensen)

Zu den Exponaten des Museums gehören auch die filigranen Figuren der vier lateinischen Kirchenväter.

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(Foto: Niels P. Jørgensen)

Ein Glanzstück in der Sternwarte: das fein gearbeitete Astrolabium.

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(Foto: Niels P. Jørgensen)

Generalprobst Helmut Grünke erteilte den kirchlichen Segen.

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(Foto: Niels P. Jørgensen)

Am Freitag wurde das Augustiner Chorherren Museum eingeweiht, laut Kunsthistorikerin Diana Oesterle ein Projekt mit "Leuchtturmfunktion".

Mühsam war es aber auch, wieder in den Besitz eines Holzmodells des Indersdorfer Klosters zu kommen. Das Modell zeigt die Anlage, wie sie heute aussieht, und sollte um den vollständigen Grundriss aus dem 18. Jahrhundert erweitert werden. Doch der Handwerker, der dazu den Auftrag bekam, wollte das Modell nicht mehr herausgeben. "Wir hatten schon Sorge, dass er es auseinander gebaut hat", berichtet Heimatvereinsvorsitzender Anton Wagatha. Der Verein drohte mit einer Klage. Anwalt Josef Kaspar schaffte es schließlich, den Mann zur Herausgabe zu bewegen. Jetzt ist das Modell im Museum zu sehen, in einer Vitrine über dem Backstein.

Ein Glanzstück in der Sternwarte: das fein gearbeitete Astrolabium. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Ein hartes und vor allem langes Stück Arbeit war auch die Realisierung des gesamten Projekts: die Sanierung des historischen Mesnerhauses und Schneiderturms, der jetzt ein museales Juwel beherbergt. Am Freitag wurde das Augustiner Chorherren Museum eingeweiht, laut Kunsthistorikerin und Beraterin Diana Oesterle ein Projekt mit "Leuchtturmfunktion in der Region". Von Experten, sagt Vereinsvorsitzender Wagatha, hat das Museum großes Lob bekommen. Ursprünglich als reines Heimatmuseum geplant, greift das Konzept inzwischen viel weiter: Es erzählt die wechselvolle Geschichte des Augustiner Chorherrenstifts vom 12. bis ins 20. Jahrhundert und gibt einen Einblick in die Ordensgeschichte, das klösterliche Leben und das seelsorgerische Wirken der Augustiner. Die Ausstellung widmet sich aber auch der Schule, welche die Salesianerinnen und die Barmherzigen Schwestern in den beiden vergangenen Jahrhunderten betrieben.

Zu den Exponaten des Museums gehören auch die filigranen Figuren der vier lateinischen Kirchenväter. (Foto: Niels P. Jørgensen)

In einem weiteren Raum dokumentieren die Ausstellungsmacher, wie die Nationalsozialisten jüdische und nichtjüdische Kinder ermordeter oder verschleppter Eltern in einer Baracke auf der Klosteranlage unterbrachten und das "International D.P. Children's Center" diese Kinder nach dem Zweiten Weltkrieg betreute. Es war das erste Kinderzentrum in der von den Amerikanern besetzten Zone. Eine Fotocollage zeigt die Porträts aller Kinder, die sich 1945 im Kloster befanden. "Die Bilder haben geholfen, Überlebende in der ganzen Welt ausfindig zu machen", sagt Anna Andlauer, die seit Langem Forschungen zum Kinderzentrum betreibt und das Konzept für diesen Ausstellungsteil erarbeitete. Das neue Museum hat also mit den Augustiner Chorherren nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal, sondern spannt auch den Bogen von der Gründung des Klosters bis zur jüngeren Zeitgeschichte.

Generalprobst Helmut Grünke erteilte den kirchlichen Segen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Plan, das Mesnerhaus und den Schneiderturm zu sanieren und dort ein Museum einzurichten, geht auf das Jahr 2007 zurück. Josef Berghammer, der damalige Vorsitzende des Heimatvereins, verfolgte die Idee mit großer Leidenschaft. Sein Nachfolger Anton Wagatha und dessen Mitstreiter vom Heimatverein haben das Werk jetzt zu Ende gebracht. Die Baukosten für das gesamte Projekt waren ursprünglich auf 900 000 Euro veranschlagt, steigerten sich aber bis zur Fertigstellung auf stolze 3,1 Millionen Euro. Staatliche Fördertöpfe wurden angezapft, der Regionalentwicklungsverein Dachau Agil machte EU-Mittel locker, die Gemeinde sprang schließlich mit einem hohen Zuschuss ein. "Die Finanzierung hat uns viele schlaflose Nächte bereitet, wir konnten die Zinsen nicht mehr zahlen und sollten persönlich dafür haften", blickt Wagatha bei der Begrüßung der Gäste im voll besetzten Barocksaal zurück. "Jetzt sind wir stolz auf ein Museum, dessen Gebäude sich von einem Schandfleck in ein Schmuckstück verwandelt hat." Wie alle anderen Redner hebt auch Kunststaatssekretär Bernd Sibler die ehrenamtliche Arbeit der Beteiligten hervor. "Man sieht, mit wie viel Liebe und Leidenschaft hier gearbeitet wurde und kann den Einsatz mit Händen greifen", lobt er das Engagement des Vereins. Viele Menschen seien mit Herzblut am Werk gewesen, aber auch Ministerien, Bezirk, Landkreis, Gemeinde, Bayerische Landesstiftung und das Landesamt für Denkmalpflege waren an dem Projekt beteiligt. "Das Wohl des Museums wird mit der Realschule Vinzenz von Paul, dem Heimatverein und der Bevölkerung verbunden sein", ist der Staatssekretär überzeugt, der nach einem Vortrag von Professor Alois Schmid über die Geschichte der Augustiner Chorherren das Museum eröffnet.

Am Freitag wurde das Augustiner Chorherren Museum eingeweiht, laut Kunsthistorikerin Diana Oesterle ein Projekt mit "Leuchtturmfunktion". (Foto: Niels P. Jørgensen)

Großen Anteil an der ehrenamtlichen Leistung haben Hans Kornprobst und Wolfgang Riedmair, die maßgeblich an der Konzeption der Ausstellung mitwirkten. Die Schau macht die Bedeutung des Chorherrenstifts für das Dachauer Land im Laufe der Jahrhunderte deutlich. Das Kloster beherbergte nicht nur alle Ämter der geistlichen und weltlichen Obrigkeit, sondern war auch kulturelles und wissenschaftliches Zentrum. Davon zeugen die Bibliothek des Stifts und die alte Sternwarte. Das Museum widmet diesen Themen eigene Räume. Als das Kloster im Zuge der Säkularisation 1783 aufgehoben wurde, hatte die Bibliothek einen Bestand von mehr als 6000 Büchern und verfügte über 515 Handschriften. An der Wand eines Ausstellungsraums ist eine raumhohe Kopie des Stichs aus der Propst-Morhart-Chronik angebracht, der die damalige Klosterbibliothek zeigt. Besucher können mit der Maus eines Computers die Bücher auf dem Stich anklicken; ihr Inhalt wird dann digital sichtbar. Riedmair zufolge "weltweit einmalig" ist ein ebenfalls wandhoher Stich, der das physikalische Kabinett (Armarium) mit verschiedenen Geräten wie Sextanten oder Vakuumpumpe zeigt. Einige Chorherren waren leidenschaftliche Wissenschaftler, die auch astronomische Beobachtungen machten. Die Sternwarte mit Planetarium wurde unter dem Dach des Schneiderturms am originalen Standort eingerichtet. "Das ist unser I-Tüpfelchen", sagt Wagatha.

Öffnungszeiten des Museums: Freitag, Samstag 13 bis 16 Uhr, Sonntag 13 bis 17 Uhr. Der Eintritt kosten 5 Euro, ermäßigt 2,50 Euro. Führungen auf Anfrage

© SZ vom 27.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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