Markt Indersdorf:Das Leben ist ein Comic

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Der Münchner Illustrator und Graphic-Novel-Künstler Frank Schmolke arbeitet seit vielen Jahren in Markt Indersdorf. In seinen Zeichnungen spiegeln sich auch eigene Erlebnisse wider

Von Robert Stocker, Markt Indersdorf

Gemälde und Skizzenbücher liegen auf dem Boden, an einer Wand des Ateliers hängen Kinderbilder. "Für Papa von Hannah" steht auf einer der Zeichnungen, die von den beiden Töchtern stammen. Der Illustrator und Comic-Künstler Frank Schmolke hat versucht, auch seine Kinder ans Zeichnen heranzuführen. Mit nicht so großem Erfolg, wie er selbst findet. Vielleicht ist der Vater da ein bisschen zu kritisch, doch nicht jedem ist ein zeichnerisches Talent in die Wiege gelegt. Frank Schmolke schon. Als Kind musste er häufig ins Krankenhaus. Wenn es dem kleinen Patienten langweilig wurde, kramte er Stifte und Block heraus und fing an zu zeichnen. Die Ergebnisse waren ziemlich gut, so gut, dass der Krankenhausarzt bei seiner Visite nicht glauben wollte, dass die Bilder sein kleiner Patient gezeichnet hatte. "Da bekam ich zum ersten Mal Anerkennung", erinnert sich der 48-jährige Schmolke heute.

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(Foto: Frank Schmolke)

Antike Bestie: So sieht Frank Schmolke das Meeresungeheuer Skylla, das einige Gefährten von Odysseus verschlingt.

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(Foto: Frank Schmolke)

Der Zyklop außer Rand und Band: Frank Schmolke hat sich bei den Figuren seiner Odyssee an antiken Vasenbildern orientiert.

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(Foto: Frank Schmolke)

Schmolke fertigte die Zeichnung für die Dokumentation "Auf den Spuren von Odysseus" an.

Doch sein Weg zum freiberuflichen Künstler ist alles andere als geradlinig. Nach einer schwierigen Schulzeit macht der in Schwabing aufgewachsene Münchner eine Malerlehre. Zeichnen wird für ihn ein Ausgleich zum Alltag, auch während der Arbeit frönt er seiner großen Leidenschaft. Bevor er einige Wohnungen im Arabellapark streicht, legt er Gemälde an den Wänden an. Weil er auf die Lösungsmittel in den Farben allergisch reagiert, macht er den Taxiführerschein und schult zum technischen Zeichner um. Doch das kreative Zeichnen lässt ihn nicht los. In den Neunziger Jahren gründet Schmolke die Münchner Comicmagazine Tentakel und Comicaze und verlegt im Eigenverlag kleine Bücher. Seit 2001 lebt der gebürtige Münchner mit seiner Frau und den beiden Töchtern in Markt Indersdorf. Sein Atelier befindet sich unter dem Dach des historischen Holdenriedhauses am Marktplatz. "Hier habe ich meine Ruhe und ideale Arbeitsbedingungen", schwärmt der Illustrator und Comic-Zeichner.

Der Graphic-Novel-Künstler Frank Schmolke. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Anerkennung hat der freiberufliche Künstler inzwischen nicht nur in der Comic-Szene, sondern auch bei anderen Auftraggebern aus der Wirtschaft gefunden. Schmolke liefert Zeichnungen für erklärende Animationsfilme. In der Münchner U-Bahn läuft derzeit ein Video über die Betrugsmasche des "Enkeltricks", für das der Illustrator gezeichnet hat. Zusammen mit seiner Agentur ist es Schmolke gelungen, den Auftrag einer Schweizer Produktionsfirma für die dreiteilige Dokumentation "Auf den Spuren von Odysseus" an Land zu ziehen. Die Reihe lief vom 16. bis 18. Dezember 2015 auf dem Sender 3Sat. In der Dokumentation, die sich mit den Schauplätzen der antiken Sage und heute dort lebenden Menschen befasst, werden Animationsfilme über die Irrfahrt des griechischen Helden gezeigt. Die Zeichnungen für die Filme stammen von Schmolke. Sie sind im Stil der antiken Vasen-Malerei gehalten, nicht kopiert, sondern nach diesem Vorbild variiert. Die Malerei hat eine eigene Ästhetik und zeichnet sich durch klare Konturen aus, die sich gut für Animationen eignen.

Schmolkes Herzblut aber hängt an den Comics, obwohl sein wichtigster Broterwerb das Illustrieren ist. Comics heißen jetzt Graphic Novels, und das Interesse an diesem Genre ist gestiegen. "Vor einigen Jahren war es noch eine Randkultur, mittlerweile hat jeder Bücherladen eine Graphic-Novel-Abteilung", sagt Schmolke. Sein bisher bekanntestes Werk heißt "Trabanten", das 2013 im Schweizer Verlag Edition Moderne erschien. Schmolke erzählt darin den verzweifelten Kampf eines jungen Mannes um sein Leben und seine Identität im München der frühen 1980er Jahre. Der Künstler verarbeitet in dem Comic eigene Erlebnisse und Erfahrungen aus seiner nicht ganz einfachen Zeit des Erwachsenwerdens. Auch sein nächstes größeres Comic-Werk hat zum Teil autobiografische Züge. Dabei geht es um die Abenteuer eines Münchner Taxifahrers zur Wiesn-Zeit. "Als Taxifahrer habe ich viel erlebt", sagt Schmolke. "Das ist teilweise wie Krieg." Die berufsmäßigen Chauffeure seien ein eigener Schlag, müssten aber auch viel aushalten. Ein Skizzenbuch des Comics gibt es schon. Wie in "Trabanten" zeichnet Schmolke auch hier düstere Szenarien mit kräftigen Federstrichen. Am liebsten arbeitet der Künstler immer noch mit Papier. Sein Markenzeichen ist ein harter Schwarz-Weiß-Kontrast. "Ich liebe Kontraste und mag das Grobe. Das kriegt man mit einer Feder sehr gut hin", sagt er. Als Erscheinungsdatum für den Comic, der ebenfalls bei der Edition Moderne verlegt werden soll, hat Schmolke das Frühjahr 2017 im Visier - Arbeitstitel: "Nachts im Paradies". Noch aber ist das Werk im Fluss, noch sind nicht alle Episoden gezeichnet. Das gilt auch für die neue Website des Künstlers, die in Kürze unter schmolke-illustration.com zu finden ist.

© SZ vom 09.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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