Lindacher Forst:Hügelgräber zerstört

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Es war der größte prähistorische Friedhof im Landkreis. Jetzt wurde er zerstört. Das Landratsamt will die Verwüstung aufklären.

Wolfgang Eitler

Der größte prähistorische Friedhof im Landkreis Dachau ist verwüstet worden. In einem Waldstück des Lindacher Forstes zwischen Altstetten und Sulzemoos haben sich Radspuren sogenannter Holzerntefahrzeuge (Harvester) tief in die Grabhügel eingegraben. Einige haben anscheinend als Geländeparcours für Quads gedient. Kreisheimatpfleger Norbert Göttler fordert jetzt eine öffentliche Debatte darüber, wie solche wertvollen Bodendenkmäler geschützt werden können.

Im Lindacher Forst sind bei der Holzernte Grabhügel zerstört worden. Vermutlich stammten sie aus der Bronzezeit. (Foto: DAH)

Für sie ist im Landratsamt Giovanni Mastroianni zuständig. Er hat den Schaden, den ihm Naturschützer Anfang November meldeten, im Detail aufgelistet. Zu den Verwüstungen will er sich öffentlich nicht äußern, um die anstehenden Gespräche mit dem Eigentümer weder zu beeinträchtigen noch ihnen vorzugreifen. Mit ihm soll der Vorfall in allen Einzelheiten geklärt werden. Mastroianni bestätigt Informationen der Süddeutschen Zeitung, wonach Harvester über zwei Gräber hinwegfuhren und diese erheblich beschädigten. An zwei weiteren Hügeln wurden Bäume gefällt und die Wurzeln herausgerissen.

Das wahre Ausmaß der Zerstörung wird erst bei einem Besuch an Ort und Stelle mit Kreisheimatpfleger Norbert Göttler deutlich. Die Spuren der Holzfahrzeuge sind im gesamten Gelände zu erkennen. Heftige Furchen ziehen sich zwischen den Hügeln entlang. An zwei Gräbern haben sich anscheinend Räuber zu schaffen gemacht und versucht, tief ins Erdreich zu gelangen. Eines wurde ausgeraubt.

Trotz dieser Eingriffe ist zu spüren, dass dieses Waldstück ein besonderer Ort ist. Das liegt auch an den Laubbäumen, vorwiegend Buchen, die ähnlich den "Heiligen Hainen" des Dachauer Jugendstilmalers Ludwig Dill angeordnet sind. "Nur viel besser", sagt Göttler. Er erzählt von einem "knochentrockenen" Förster, der sich der Faszination nicht entziehen kann und von diesem Gelände als "einem Tor in eine andere Welt" gesprochen habe.

In Bandvier der Reihe "Kulturgeschichte des Dachauer Landes" aus dem Jahr 1992 hat der Museumsverein Dachau als Herausgeber eine Karte abgedruckt, die sämtliche damals bekannten Bodendenkmäler darstellt. Auch diesen prähistorischen Friedhof, von dem nicht bekannt ist, wie weit in die Frühgeschichte er hineinreicht. Wahrscheinlich über die Zeit der Kelten (800 bis 50 v.C.) hinaus, vermutlich sogar bis zur Bronzezeit (2000 bis 1200v.C.) zurück. Da der Denkmalschutz bei solchen Funden darauf verzichtet, sie zu erforschen, weiß kein Experte, wie alt die Hügelgräber tatsächlich sind. In diesen Fällen halten sich die Experten an den Grundsatz, dass Bewahren vor Wissen geht.

Um eben dieses Ziel fürchtet Kreisheimatpfleger Göttler nach den Verwüstungen im Lindacher Forst. Vor einiger Zeit hat der Denkmalschutz die Strategie gewechselt. Früher wurden Standorte von Bodendenkmälern nicht veröffentlicht, um sie vor Grabräubern geheim zu halten. Mittlerweile gilt als erwiesen, dass Aufklärung der beste Schutz ist. Deshalb stellt das Landesamt für Denkmalpflege sämtliche Befunde ins Internet.

Sollte der Eigentümer im Lindacher Forst Bescheid gewusst haben, wäre es nach Göttlers Ansicht unverständlich, dass er schwere Waldfahrzeuge einsetzen ließ. Oberhalb des Friedhofs ist ein Waldweg angelegt worden. Dabei wurde ein weiteres Hügelgrab ohne Rücksprache mit dem Landratsamt zu einem Drittel abgetragen. Göttler ist mittlerweile überzeugt, dass der prähistorische Friedhof nur zu erhalten ist, wenn die Öffentlichkeit diesen Ort aufsuchen kann. Im Idealfall müsste er deshalb so hergestellt werden, dass die Hügelgräber weithin sichtbar sind. Um sie zu renaturieren, hofft Mastroianni auf den archäologischen Verein und dessen ehrenamtliches Engagement.

© SZ vom 26.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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