Landkreis:Nesthocker werden flügge

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Vogelschützer warnen davor, scheinbar hilflose Jungtiere mit nach Hause zu nehmen

Von Anna-Sophia Lang, Landkreis

Sie sind klein, flaumig und wecken sofort den Beschützerinstinkt: Jungvögel, die aus dem Nest gefallen sind. Immer wieder werden die kleinen Tiere während der Brutsaison im Frühjahr und Sommer in Gärten oder auf Wegen gefunden. Der erste Impuls bei Findern ist oft, die Nestlinge in einen Karton zu setzen und mit nach Hause zu nehmen. Dabei hilft gerade das den Vögeln am wenigsten, sagt Ludwig Wilhelm, Vorsitzender des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) im Landkreis Dachau. Auch dann, wenn man sie nicht im eigenen Garten, sondern auf der Straße findet. Er rät, sie kurz hochzunehmen, zurück ins Nest oder und in eine Hecke in der Nähe zu setzen, wo sie sicher vor Katzen, Hunden und Mardern sind.

Vor allem Katzen bereiten den Vogelschützern Sorgen. Dass ihre Besitzer sie nicht permanent in die Wohnung sperren können, versteht Wilhelm. Es mache auch nicht jede Katze Jagd auf Vögel, sagt er. Manche seien eher auf Mäuse fixiert, andere jagten gar nicht. Gibt es nur wenige in der Nachbarschaft, schätzt Wilhelm die Gefahr noch mittelmäßig ein. "Aber wenn es viele sind, haben die Vögel es schwer." So hilflos, wie sie scheinen, seien Jungvögel aber in den meisten Fällen nicht. Häufig säßen sie gar nicht am Boden, weil sie aus dem Nest gefallen sind, sondern weil sie erste Flugversuche unternommen haben. "Das ist ihr erster Schritt in die Selbstständigkeit."

Andere klettern absichtlich heraus, weil der Platz im Nest nicht mehr für alle reicht. Das sei zum Beispiel bei Amseln oft der Fall, die schnell sehr groß werden. Selbst dann, wenn die Jungen am Boden sitzen, bleiben die Eltern in der Nähe. Mit Lockrufen stehen die Vögel miteinander in Kontakt. Die Rufe der Kleinen sind also keine Hilferufe, sondern einfache Verständigung. Außerdem, erklärt Wilhelm, wissen sie sich gut selbst zu helfen. "So leicht sind sie gar nicht zu erwischen. Sie können sehr schnell wegspringen und verstecken sich selbst im Gebüsch." Die Jungvögel anzufassen, schadet ihnen im Gegensatz zu anderen Wildtieren nicht. Der Geruchssinn der Tiere ist nicht so ausgeprägt, deshalb stoßen Eltern ihre Jungen nicht ab, nachdem ein Mensch sie berührt hat. Bloß die Nester sollte man in jedem Fall in Ruhe lassen, sagt Wilhelm. "Da reagieren sie sehr sensibel."

Nur in einem Fall hält der LBV-Kreisvorsitzende es für angebracht, einen Jungvogel mitzunehmen: Wenn er sichtbar verletzt ist. Allerdings soll er auch dann nicht mit nach Hause genommen werden, sondern zum Tierarzt gebracht werden. Am besten gleich in die Tierklinik in Oberschleißheim. Dort gibt es eine Abteilung speziell für Vögel, die unter der Notfallnummer 0162/256 86 42 auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten erreichbar ist. Für den Transport packt man den Vogel in einen Karton, in dem er sich aufrecht hinsetzen und hinlegen kann. Den Karton legt man am besten mit Zeitungspapier, Küchenkrepp oder einem Handtuch aus. Wichtig: Er muss einen Deckel mit ausreichend Luftlöchern haben, damit der Vogel nicht mit letzter Kraft heraus springt

© SZ vom 28.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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