KVD-Galerie:Endlos eng

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Jette Hampe gelingt in der KVD-Galerie eine ambivalente Installation: Einerseits lässt sie den Raum neu und faszinierend erleben. Andererseits führt sie den Betrachter in eine Welt, in der die Grenzen von Innen und Außen verschwimmen.

Bärbel Schäfer

Das Gitter von Jette Hampe erweitert die KVD-Galerie und beengt sie zugleich. (Foto: © joergensen.com)

Hinter tausend Stäben gibt es keine Welt. Der Panther bewegt sich ausweglos um einen kleinen Kreis, sein Wille ist betäubt, im Herzen hat er aufgehört zu sein. Rainer Maria Rilke begegnete dem gefangenen Tier im Jardin des Plantes, ein botanischer Garten im Südosten von Paris, und widmete ihm 1902 ein Gedicht, das zur Inkunabel der Weltliteratur zu Freiheit geworden ist. Mit derselben Thematik beschäftigt sich die Künstlerin Jette Hampe aus Herrsching in ihrer Ausstellung in der Galerie der Künstlervereinigung Dachau.

Mit wenigen, aber konsequenten Eingriffen verändert die Bildhauerin den Galerieraum grundlegend und macht ihn durchaus zur Folie für existenzielle Fragen. Und so ist auch das Erste, woran man beim Betreten der Ausstellung denkt, die Frage nach Freiheit und Autonomie: Ein großer Käfig aus braunen Dachlatten, oben und unten offen, ohne Eingang und Ausgang, schwebt zwischen den Säulen in der Halle - ein offenkundiger Hinweis auf menschliche Grundrechte wie Selbstbestimmung und Gedankenfreiheit. Die sonst blendend weißen Ausstellungswände überstrich Jette Hampe in Betongrau, die scharfen Neonröhren tauschte sie durch dunklere Spots aus. Im Eingangsbereich zur Gastronomie zog sie eine zusätzliche Wand ein, wodurch ein einheitlicher Raumklang entsteht. Jetzt herrscht eine gedämpfte und wegen des Lattengitters in der Mitte ein wenig beunruhigende Stimmung in der Galerie.

Der Käfig - er könnte auch ein Zaun oder ein Keller- oder Dachbodenabteil sein - hat keinen Inhalt. Er ist kein autonomes Kunstobjekt, weil er seine Funktion erst im Zusammenspiel mit der Ausstellung erfährt. Erst durch das Begehen des Galerieraumes erhält der Käfig einen Sinn. Er verstört vehement, weil er die Bewegung des Besuchers einschränkt und ihn sofort vor die Entscheidung stellt, eine bestimmte Laufrichtung einzuschlagen. Ein Durchqueren des Raumes ist dabei nicht möglich, ebenso wenig ein freier Durchblick auf die gegenüberliegende Seite. Schaut man in der Bewegung jedoch durch die Stäbe hindurch, so beginnen sie überraschend zu wandern, werden wie in Rilkes Gedicht zu tausend Stäben mit einer Welt davor und dahinter. Zudem stellt sich beim Betrachter ein irritierender Flimmereffekt ein, wie bei der Fahrt im Auto oder Zug durch den Wald.

Gerade weil der Käfig nicht betretbar ist, wirft er die Frage nach dem Innen und Außen auf. Äußerliche Freiheit, innere Isolation? Der Käfig korrespondiert mit zwölf Collagen an den Wänden, die in regelmäßigen Abständen angeordnet sind. Jette Hampe zerschneidet in diesen Collagen Fotografien eines Waldes in schmale Streifen und näht sie anschließend mit der Nähmaschine wieder zusammen. Durch den Eingriff des Zerstörens und wieder Zusammenfügens entsteht ein neues Muster, das einerseits an einen Strichcode erinnert, andererseits den Rhythmus der Holzlatten des Käfigs aufgreift. Die Fugen und Lücken, die beim Zusammennähen entstehen, lassen die Bilder flimmern.

Laudatorin Greta Hoheisel, Assistentin auf der Documenta in Kassel, zog Assoziationen zum Wald und seinen vielfältigen kulturellen Zuschreibungen: "Der Wald wurde zur prototypischen Nationalkultur der Deutschen, die Beschwörung romantischer Sehnsuchtslandschaft steht seit Anfang des 19. Jahrhunderts im direkten Bezug zu ihm; nicht zuletzt wurde er zum Bild im Versuch der Legitimation nationalsozialistischer Herrschaftspraxis." Neben den genähten Foto-Collagen hängen als kleine Appendixe schwarzweiße Polaroids. Sie zeigen bekannte Orte in Paris, die jedoch dunkel und unklar sind und deshalb schwer zu erkennen.

In Rilkes Panther handelt es sich um Kreuzreime, die mit einem fünfhebigen Jambus abwechseln. Jette Hampes Gesamtinstallation spielt auch auf die Unabänderlichkeit von Lebensabläufen an. Der schwebende Käfig kennt keinen Anfang und kein Ende und auch die in regelmäßigen Abständen gehängten Fotocollagen mit den zugeordneten kleinen Polaroids setzen sich wiederkehrend fort - es ist ein ewiger Kreislauf, aus dem es kein Entkommen gibt. In der Musik nennt man das Endlos-Loop.

Jett e Hampe in der KVD-Galerie Dachau. Bis Sonntag, 17. März. Dienstag bis Freitag, 14 bis 20 Uhr; Samstag und Sonntag, 10 bis 18 Uhr.

© SZ vom 28.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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