Kunst in Karlsfeld:Die Kunst-Putze

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Der eigene Haushalt, humorvoll betrachtet. Das ist das Thema der Installationen von Tayama da Silva-Nielsen beim Kunstkreis Karlsfeld.

Von Petra Neumaier, Karlsfeld

Wie zufällig liegen die orangefarbenen Putzlappen auf der Treppe. Wie eben schnell aufgelegt, um zu verdecken, was vielleicht an Nässe oder Verschüttetem darunter ist. Dunkle Fußabdrücke zeichnen sich darauf ab, beherzt setzt man seine daneben. Bis man um die Ecke biegt und der freie Blick auf den Ausstellungsraum jäh klar macht, dass man gerade auf dem Schleier eines wunderschönen, viktorianischen Kleides herumtrampelt! Tayama da Silva-Nielsen lacht. Gar nicht satt sehen kann sich die Brasilianerin, an den erschrockenen Gesichtern der Besucher, an ihren plötzlich verhaltenen Schritten und unsicheren Blicken. "Ich liebe es, mit den Gedanken der Menschen zu spielen.", Denn: "Kunst darf auch ruhig lustig sein."

Seit 16 Jahren lebt Tayama da Silva-Nielsen in Deutschland, wo sie an der Kunsthochschule in Mainz studierte - seit einem Jahr wohnt sie in Karlsfeld. Hier tritt die verheiratete Mutter von zwei Kindern nach einer zweijährigen Kunstpause wieder in an die Öffentlichkeit - und schließt damit an große und größere, vergangene Projekte an.

"Umdefiniert" ist nicht nur der Titel der Ausstellung, er beschreibt auch das, was Tayama da Silva-Nielsen ausdrücken will. Denn sie liebt die Dualität der Dinge, diese zwei Seiten, die sich bereits in ihren ersten Fotografien widerspiegelt: "Stay at home" lautet die Bilderserie, in der die 39-Jährige auf der einen Seite mit Hausarbeit und Baby regelrecht Spagate vollführt und auf der anderen Seite kunstvoll das Spielzeug ihres Erstgeborenen ablichtet.

Ein Schleier aus orangefarbenen Putzlappen nimmt die Illusion, dass sich für Frauen in den letzten Jahrzehnten wirklich viel geändert hat. (Foto: Toni Heigl)

Haushaltsutensilien ein neues Gesicht geben

Alles hat bei der Künstlerin eine Bedeutung, nichts ist zufällig und wenn doch, so gibt sie auch dem einen Sinn. Wie den aus Backpapier gefalteten Kuben, die ursprünglich auf einer Metallplatte lagen, die sie aber in Karlsfeld aus Platzgründen an die Wand klebte. So werden aus den einst sicheren, Halt gebenden aber auch einengenden "vier Wänden", fragile Objekte. Der Schwerkraft nachgebend werden Öffnungen frei, kommt Bewegung in die Starre.

Nicht zufällig ist auch das in ihren Werken verwendete Material: Als Mutter arbeitet Tayama da Silva-Nielsen zu Hause, wo sie auf kreative Weise gewöhnlichen Haushaltsutensilien ein neues Gesicht gibt. "Mit diesen Materialien zu arbeiten und zu experimentieren macht mir viel Spaß." Sie verwandelt Wischmopps zu Blumen. In einem Bild setzt sie sich selbst in Szene: In erhabener Portrait-Pose ist sie über und über verhüllt von der (Unter-)Wäsche ihrer Familie zu sehen. "Ich hasse es, die Wäsche zu machen", sagt sie. "Aber wenn es denn schon sein muss, dann mit Stolz."

Ein Würfel aus lauter Salzteig-Buchstaben ist ein ironisch-humorvolles Selbstbekenntnis: "I should be baking. - I should be making art." (Foto: Toni Heigl)

Die augenzwinkernden, aber auch zuweilen ernsten Botschaften hinter den Exponaten sind es, die ihnen die Würze geben. Wie das orangefarbene Putzlappenkleid. Auf den Wandel der Frauenrolle in der Gesellschaft seit dem viktorianischen Zeitalter macht Tayama da Silva-Nielsen damit aufmerksam. "Auf seinen Spuren wandeln wir noch heute", erklärt sie den langen Schleier, der sich zehn Meter lang durch den Saal und das Treppenhaus windet. Ansprechend auch die Fotografie, die während der Teilnahme an einer Philosophieklasse entstand, die sich mit dem Thema "Sisyphos" beschäftigte: Auf einem Stück vermoostem Holz, das im Dunkeln schwebt, hat Tayama da Silva-Nielsen dem runden Stein einen Platz zum Ausruhen gegeben. Endlich!

Provozierend hingegen der Waschbeckeneinsatz, in den sie ihre Haare eingeflochten hat: "Man weiß nicht: Ist das eklig oder schon wieder toll?", sagt die Künstlerin lachend, die einfach frech den Preis des Objekts auf 300 Euro angesetzt hat.

"Kaum zu glauben, wie sehr die Leute an ihrem Staub hängen"

In eine ähnliche Kategorie fallen die Staubwürfel, die sie aus den Inhalten von Staubsaugerbeuteln geformt und verklebt hat. Erst bei näherem Betrachten erkennt man, wie viel man aus dem grau-braunen Pamp über die Herkunft herauslesen kann: Die kleinen Perlen sind Zeugnis einer Familie mit kleinen Kindern, die Steine und Erdkrümel die eines Gartenfreundes. Kräftige Haare verraten das Haustier und eine Stecknadel die Näherin. Tayama da Silva-Nielsen, die "liebend gerne" einmal den Inhalt eines Staubsaugerbeutels eines Luxushotels oder Bürgermeisters anschauen würde, grinst: "Kaum zu glauben, wie sehr die Leute an ihrem Staub hängen, wenn ihn jemand anderes haben will."

Ob in dem Spiel mit Knöpfen, die in einem Video wie Wasser zwischen ihren Händen rinnen und dabei ebenso plätschern wie Wasser oder die Geschirrtücher in Diamantenform oder die hübschen Fotografien, die sich als vergrößerte Abbildungen von Toilettenpapier entpuppen: Tayama da Silva-Nielsen schafft es, dass man ein zweites Mal und dann genauer hinschaut. Das tut man gerne bei einem großen Bild, auf dem ein brauner Würfel zu sehen ist, der aus unterschiedlich braunen Buchstaben gebildet ist. Neun Monate lang hat Tayama da Silva-Nielsen jeden Einzelnen aus Salzteig gebacken. "I should be baking. - I should be making art", steht in Endlosschleifen geschrieben.

Der Quader stellt die Grundfrage ihres Alltags: Will sie Künstlerin sein oder Bäckerin? - Zur Antwort gibt es ein Lächeln.

Die Ausstellung "Umdefiniert" - Video, Fotografie, Objekt, Installation von Tayama da Silva-Nielsen ist in der Galerie Kunstwerkstatt, Am Drosselanger, Karlsfeld zu sehen. Samstag und Sonntag, 11. und 12. Februar und 18. und 19. Februar, von 14 bis 18 Uhr.

© SZ vom 11.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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