Kulturschranne Dachau:Metalmäßig

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Der Busch-Doktor drückte dem Australier Tim McMillan eine Gitarre in die Hand und sagte: Du wirst Musiker. Und was für einer, das war in der Kulturschranne zu bestaunen.

Sophie Burfeind

Wie alle jungen Männer seiner Heimat Australien musste sich Tim McMillan eines Tages aufmachen, um den Busch-Doktor zu sehen. Um ihn zu fragen, was er denn mal werden würde. Folgende Möglichkeiten hatte er zur Auswahl: Krokodiljäger, Surfer oder Musiker. Der Busch-Doktor sah ihn kurz prüfend an und drückte ihm dann schweigend eine Gitarre in die Hand. Von diesem Moment an war Tims Schicksal entschieden: Er sollte Musiker werden. Hätte es beim Busch-Doktor noch eine vierte Option gegeben - so hätte Tim McMillan auch Komiker werden können.

Tim McMillan, Dachauer Stipendiat, in der Kulturschranne. (Foto: joergensen.com)

Dieses Talent stellte er am Freitagabend in der Kulturschranne mit seinen unterhaltsamen Erzählungen, in einem lustigen Wortgemisch aus Deutsch und Englisch, mal wieder unter Beweis. Doch natürlich standen bei dem Auftritt von Tim McMillan und seinen Freunden Florian Glück, Alex Böckel und - wegen dessen Praktikum bei einem Steinmetz nur "Gravedigger" genannt - und Manuel von Grosigk nicht lustige Anekdoten, sondern die Musik im Vordergrund. Wer Tim McMillan kennt, weiß um sein virtuoses und fingerfertiges Spiel auf der Gitarre. Wer ihn an dem Abend zum ersten Mal sah und hörte, wurde von seinem Können in Erstaunen und Bewunderung versetzt. In eine musikalisch bunte Mischung aus Folk, Latin Jazz, Flamenco und Blues ließ er kunstvoll Melodien bekannter Lieder einfließen oder ahmte Gameboy-Geräusche nach. Das alles in einer atemberaubenden Geschwindigkeit, mit einer umso mehr verblüffenden Leichtigkeit. Gesang brauchte es bei ihm nicht, seine Gitarre sang für ihn.

Zwischen den Stücken waren dann auch die ersehnten Neuigkeiten von seinem verrückten Onkel aus Australien zu erfahren: Der hält den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude wegen des "Puschelbarts" nämlich für König Ludwig II. (und glaubt, dass Richard Wagner noch Konzerte in Leipzig gibt). Außerdem musste sein 14-jähriger Gitarre-Schüler Florian Glück üben, selbstbewusst vor Publikum zu sprechen, indem er sich dreimal vorstellte. Mit jedem Mal wurde es ein bisschen besser.

Tim McMillan lebt seit mittlerweile neun Monaten als Stipendiat in der Ruckteschell-Villa in Dachau. Erst hätte er nur bis Dezember des vergangenen Jahres bleiben sollen, doch da er Konzerte und Unterricht für junge Dachauer Musiker gab und dem Stadtrat seine Arbeit gefiel, wurde das Stipendium verlängert. Das Trio spielt seit einem halben Jahr zusammen und die Release-Party des gemeinsamen Albums "Angel findet Donnerstag, 3. Mai, ebenfalls in der Kulturschranne statt.

Vor drei Jahren hatte Tim auf einem Konzert in Berlin die Singer-Songwriterin Francesca Lago kennen gelernt. Als Tims Neuentdeckung trat die Schweizerin mit Zeno Gabaglio am Cello und Fabio Giangrande am Schlagzeug im Anschluss auf. War die Musik von Tim noch sommerlich-entspannt, so wurde sie mit dem Gesang und dem Sound der E-Gitarre von Francesca Lago deutlicher dunkler, härter und lauter. Zwar begannen einige Lieder ruhiger und melancholisch-verträumt, doch dann setzte die blonde Francesca ihren teuflischen Blick ein, und das Konzert entwickelte sich zu einem Metal-Stück. Genau dieser Kontrast machte den Abend gerade zu einem besonderen.

© SZ vom 19.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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