Ausstellung:Wie ein Flash

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In der gemeinsamen Ausstellung von Dachauer und Klagenfurter Künstlern zum Thema "Erinnern" geht es auch um die Frage, was überhaupt noch darstellbar ist. Über Kriegserfahrungen und Selbstbefragung.

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Erinnerung kann wie ein Flash sein, der sich nach einem emotionalen Erlebnis ins Gedächtnis eingebrannt hat. Sie kann aber auch eine sanfte Woge sein, die hin und wieder Gerüche, Klänge, Stimmen und Bilder an die Oberfläche des Bewusstseins spült. Mit den unterschiedlichen Formen des Erinnerns beschäftigt sich das gleichnamige Ausstellungsprojekt von Künstlern aus Dachau und Klagenfurt anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft.

Einen Flash erlebte der Klagenfurter Künstler Wolfgang Walkensteiner. Als im Juli 2014 die Spirale der Gewalt eskalierte, befand sich Walkensteiner mit seiner Frau in Tel Aviv. Sie wollten Urlaub machen. Kurz nach ihrer Ankunft hatte die Hamas begonnen, Israels Städte mit Raketen zu beschießen. Unter der Raketenabwehr der Israelis, dem "Iron Dome", waren die Touristen relativ sicher. Den geplanten Urlaub verbrachten sie in Schutzräumen, die vor den vom Himmel fallenden zerborstenen Raketenteilen Schutz boten.

Der Künstler Wolfgang Walkensteiner überwand seine Angst und beobachtete das Himmelsspektakel im Freien. Er sah Explosionsblitze und die anschließende Detonation im strahlenden Blau über Tel Aviv oder im Dunkel der Nacht. Für jeden der zehn Tage des Aufenthaltes malte Walkensteiner ein Bild. Die Bilder zeigen die "popcornartigen Blähungen", die nach erfolgreicher Abwehr durch die Raketen als Rauchwolken am Himmel zurückblieben. So entstand der Zyklus "Sprengköpfe". Neun Bilder hängen in der Ausstellung "Erinnern" in der Galerie der KVD, für das zehnte war kein Platz mehr.

Die Bilder des Klagenfurter Malers hängen hoch oben an der Wand, knapp unter der Decke, so wie sein erschrockener Blick zum Himmel über Tel Aviv gerissen wurde. Es handelt sich um frische Erinnerungen an ein grauenhaftes Ereignis, "aus der Unmittelbarkeit des Lebens", so Walkensteiner. Wie soll man den Krieg denn auch malen? "Die meisten Maler scheitern daran, das Grauen darzustellen, außer vielleicht Picasso mit Guernica", so Walkensteiner. Und Goya mit den 82 Radierungen "Die Schrecken des Krieges". Sie zeigen das irrational wütende Grauen des spanischen Bürgerkrieges auf beiden Seiten, ohne ein Urteil zu fällen.

Walkensteiner: "Man muss sich möglichst weit vom Realismus entfernen. Da kann man als Maler eh nicht mithalten." Der Rauch der Detonationen formiert sich zu graublauen Gebilden, den "popcornartigen Blähungen", organisch wie aufplatzendes Zellmaterial. Alle im selben Format heben sie sich plastisch vor einem kupferfarbenen Hintergrund ab. Der erleuchtete Himmel unterscheidet nicht zwischen Tag und Nacht. Jutta Mannes, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Zweckverbandes Dachauer Galerien und Museen, erklärte in ihrer Laudatio: "Dieses Fassen in eine Serie von zehn gleichartigen Bildern betont die Gleichartigkeit der sich stets wiederholenden Angriffe, verleiht dem Geschehen aber gleichzeitig etwas Banales. Sie bannt damit den überstandenen Schrecken und die Angst, die ihm sicher noch lange in Erinnerung bleiben wird."

Zwei Klagenfurter Künstler: Bilder von Wolfgang Walkensteiner und Skulpturen von Alexander Kandut in der KVD-Galerie. (Foto: Toni Heigl)

Im Beitrag der Dachauer Malerin und Zeichnerin Margot Krottenthaler geht es nicht um schreckliche Erlebnisse, sondern um abgeschlossene Erinnerungen. "Wieninger 19" ist eine Serie kleinformatiger Bleistiftskizzen von Details aus der Wohnung in der Dachauer Altstadt, in der sie drei Jahre lang lebte. Nicht als Gesamtbild, sondern in knappen Ausschnitte aus verschiedenen Blickwinkeln. Auf ein Treppengeländer, ein Hirschgeweih im Hausgang, einen Türgriff, Kästchen und Schränke. Es handelt sich um Spuren und "Momentaufnahmen von Lebensrealität", sagte Krottenthaler. Ihre Blätter sind Gedankenfetzen, die mit sparsamen zeichnerischen Mitteln auf einen Raum hinweisen, der in der Realität nicht mehr zugänglich ist.

Detailaufnahmen aus einer Wohnung zeigt auch das Fotografenpaar Barbara Trommeter und Georg Szabo in seiner ästhetisch bestechenden Arbeit "Bochum". Allerdings viel konkreter und "wirklicher", als Margot Krottenthaler das tut. Trommeter und Szabo lebten drei Monate in der fremden Wohnung und fotografierten unabhängig voneinander das Mobiliar. Sie versuchten, die Perspektive eines Kindes anzunehmen und fotografierten in drei Ebenen: unten, in der Mitte und ganz oben. Die Teppichecke mit der blauen Bodenvase, der Saum des Vorhangs, hinter dem man sich gern versteckte, eine weißglasierte, aus der Zeit gefallene Porzellanfigur und eine rote, sternförmige Deckenleuchte. Es entstanden 80 Fotos, von denen sechs für die Ausstellung ausgewählt wurden. Die Fotos wurden mit einer Plattenkamera aufgenommen und sind vergrößert, wodurch sich der Eindruck der Unmittelbarkeit verstärkt. Trommeter/Szabo stellen in ihrer Arbeit die Frage: Gibt es eine Art kollektives Bildgedächtnis? Kann man sich den Blick des Kindes bewahren? Sind Erinnerungen nicht nur mit Emotionen verknüpft, sondern hängen auch an banalen Einrichtungsgegenständen?

Die Holzskulpturen des Klagenfurter Bildhauers Alexander Kandut fallen aus dem bisherigen Zusammenhang des Erinnerns, als Blick auf die Vergangenheit. Er bezieht sich auf das, was den Menschen in seinem Inneren und Äußeren ausmacht. Vier schlanke, gelängte Skulpturen schwingen sich in den Raum, erschließen und verändern ihn. Sie beziehen sich auf die verschiedenen Zustände des Menschen: das Sich-Aufrichten, das Sich-Anlehnen, das Frei-Sein und das Gemeinsam-Sein. Ein Erinnern an das Menschsein.

Die Ausstellung "Erinnern" als Teil der Klagenfurter Reihe "TwinTownArt" ist bis Sonntag 8. Februar in der KVD-Galerie der Kulturschranne zu sehen.

© SZ vom 22.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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