Krimilesung:Mit Elfenbeauftragter auf Nazi-Jagd

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Gerhard Fischer liest in Dachau aus seinem Romanerstling. (Foto: Niels P. Joergensen)

Journalist Gerhard Fischer alias Morten Lund liest in der Stadtbibliothek Dachau aus seinem ersten Schweden-Krimi.

Von Anna-Sophia Lang, Dachau

Ganz in schwarz sitzt Morten Lund im Lichtkegel eines Scheinwerfers in der Stadtbibliothek. "Blom drückte gegen den dicken Bauch des Toten. Er war steinhart", liest er vor. Die grüne Farbe der Wand hinter ihm ist so grell, dass sie schon fast in den Augen schmerzt. Sie passt nicht zu der dunklen Welt, die Morten Lund mit seinen Sätzen heraufbeschwört. " ,Man hat ihn mit Rosshaar und Sägespänen ausgestopft - eine Technik, die nur noch selten angewendet wird', sagte Jerker Johansson. ,Aber der Kopf auf dem ausgestopften Körper ist echt - er wurde am Hals angenäht.' " Morten Lund heißt eigentlich Gerhard Fischer und ist Journalist. Für die Süddeutsche Zeitung arbeitete er in Dachau und fünf Jahre lang als Korrespondent in Stockholm - in Schweden spielt auch sein Krimi-Erstling "Unsterblich ist der Tod", der vor einem Jahr im Langen-Müller-Verlag erschien. Am Freitagabend las er daraus vor.

Der Roman handelt von einem Kapitel schwedischer Geschichte, über das wenig gesprochen wird in dem Land, das in so vieler Hinsicht als Prototyp eines guten Staates gilt. Kommissar Kodi Blom ermittelt gegen einen Neonazi-Mörder. Bei jedem Opfer finden er und seine Kollegin Eva Pelle Referenzen auf Männer der deutschen nationalsozialistischen Elite: Göring, Goebbels, Himmler. Die Suche nach dem Mörder führt die beiden Ermittler in die Jahre des Zweiten Weltkrieges, in die Welt alter Mythen und Sagen - und bringt sie selbst an den Abgrund. "Am Ende steht alles und jeder infrage - auch das Ermittlerduo selbst", heißt es im Klappentext.

"Es gibt eine große Neonazi-Szene in Schweden", sagt Gerhard Fischer, "gesprochen wird über das Thema allerdings wenig". Die Rolle Schwedens im Zweiten Weltkrieg wird kaum thematisiert, auch nicht im Schulunterricht. Dabei, erklärt Fischer, war das Land nicht so neutral, wie gerne erzählt wird: Bis März 1945 belieferte es die deutsche Industrie mit Erz. Und hörte erst damit auf, als die Zahlungen aus dem Deutschen Reich nicht mehr kamen. Die Schweden waren auch eine der ersten Nationen, die verlangten, dass die Pässe jüdischer Bürger mit einem J gekennzeichnet werden. Für Fischer, der in seiner Zeit als Korrespondent über das Thema schrieb, war diese Konstellation der Anstoß für seinen Roman.

Über sein Buch sagt er: "Es ist skurril, hat aber auch ernsthafte Passagen." Skurril wird es in der Tat immer wieder. Etwa, wenn die isländische Elfenbeauftragte sieben Sitze im Flugzeug bucht und sieben Stühle bei der Vernehmung fordert, weil sechs Elfen mit ihr nach Stockholm gereist seien. Oder wenn ein deutscher Aussteiger in seiner selbst gegründeten Insel-Kolonie die Schönheitsideale und Regeln der westlichen Welt umkehren will - und Preise für den höchsten Cholesterinwert verleiht. Der gleiche Mann veranstaltet ein "Adolf-Hitler-Gedächtnis-Skispringen". Verhindern kann das keiner: Wenn niemand konkret beleidigt oder angegriffen wird, gilt in Schweden die Meinungsfreiheit.

Fischer hat in seine Geschichte viele eigene Erfahrungen aus seiner Zeit als Korrespondent eingebaut - Orte, Viertel, Landschaften und Menschen. Lange erzählt er vom Mittsommer und dessen Bräuchen: Wer in der Zeit zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang neun verschiedene Blumen pflückt und sie unter sein Kopfkissen legt, wird von demjenigen träumen, den er heiraten wird. Fischer muss lachen, als er davon erzählt. Denn ganz so einfach ist das nicht: Dunkel wird es im schwedischen Sommer nur etwa zwei Stunden, zwischen zwei und vier Uhr nachts. Beim Blumen pflücken muss Schweigen herrschen, es darf nur rückwärts gegangen werden - und das alles splitterfasernackt.

Die Elfenbeauftragte gibt es wirklich, Fischer hat sie persönlich getroffen bei einem Besuch in Island. "Ich habe sie während unseres Gesprächs gefragt, ob denn jetzt gerade auch Elfen im Raum seien. - Ja, sagte sie, hinten am Fenster würde gerade eine hereinschauen." Trotz des düsteren Krimi-Sujets geht es sehr fröhlich zu an diesem Abend. Es bleibt kein unwohles Gefühl, kein Schaudern nach dem Gehörten, keine Angst, gleich hinaus in die verregnete Dunkelheit zu gehen. Was bleibt, ist das Gefühl, der Welt näher gekommen zu sein, in der die berühmten Kommissare der Mankells, Larssons und Nessers leben. Und - trotz aller Kritik, die Fischer auch hat - die Lust auf ein Land, wo man sich in einer lauen Sommernacht im nassen Tau wälzt.

© SZ vom 03.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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