Konzertkritik:Zwischen Ruhe und Aufruhr

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Wanja Slavin, Petter Eldh und Christian Lillinger (von links) beim Jazz e.V. in der Dachauer Kulturschranne. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Trio von Wanja Slavin, Petter Eldh und Christian Lillinger setzt im zweiten Konzert der Frühjahrsreihe einen lyrischen Kontrapunkt zu Free-Jazzer Peter Brötzmann. Das Publikum ist von dem Spiel der überraschenden Wendungen begeistert.

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Wenn die Basstöne wie die Tropfen nach dem letzten Regen leise verhallen, das Saxofon kaum hörbar aushaucht und das Schlagzeug so natürlich klingt, als würde es atmen, ist das ein Zeichen von größter Sensibilität und Spirit. Im Spiel von Wanja Slavin, Petter Eldh und Christian Lillinger gibt es nichts Ruppiges, Aufbrausendes oder kompromisslos Provozierendes. Beim Jazz e.V. gab das Trio ein begeisterndes Konzert, das zum vorangegangenen wilden Auftritt von Steidle und Brötzmann einen lyrischen Kontrapunkt bildete.

Die Musiker, die einen so feinen Gleichklang kultivieren, sind jung und zählen zur Avantgarde. Sie spielen in verschiedenen Ensembles, Christian Lillinger allein in rund 15 Formationen. Programmchef Axel Blanz betonte in seiner Begrüßung, dass er lange darauf hingearbeitet habe, das Trio nach Dachau zu holen.

Der Saxofonist Wanja Slavin wurde 1982 in Freiburg im Breisgau geboren. Er gewann etliche Nachwuchs- und Förderpreise und wird als "Zukunft des deutschen Jazz" gehandelt. Der Schlagzeuger Christian Lillinger ist 29 Jahre alt und wurde von Spiegel-Journalist Hans Hielscher als "Drum-Revoluzzer" bezeichnet, weil er für einen neuen Typus des Jazz-Schlagzeugers steht und sich keinen Stilvorgaben unterwirft. Bekannte Jazzmusiker wie Rolf und Joachim Kühn, David Liebmann, Gebhard Ullmann und Alexander von Schlippenbach arbeiten mit ihm zusammen. Der dritte Mann im Bunde ist der schwedische Bassist Petter Eldh. Er wurde 1983 in Göteborg geboren und lebt zurzeit in Berlin. 2012 mit dem Neuen Deutschen Jazzpreis ausgezeichnet, hat er sich zu einem der aktuellsten und gefragtesten Kontrabassisten in Europa entwickelt.

Was unterscheidet nun die Musik dieses Starlight-Trios von dem anderer junger Jazz-Formationen? Sie besticht durch die perfekte Kombination von Virtuosität mit Emotion, ist in ihrem Charakter harmonisch und lässt auch der Stille Raum. In ihrem Inneren ist sie komplex verwoben und aufregend kleinteilig, in ihrem Äußeren verliert sie niemals die Form. Ihre Grenzen sind fest gesteckt. Das Ergebnis sind feinsinnige, melodiöse Kompositionen, die sich in kammermusikalischer Manier aneinanderreihen. Das ist schöngeistig durchdacht und in der Summe recht brav, weil ohne Risiko, deswegen aber keineswegs langweilig.

Denn der vorantreibende Wohlklang wird immer wieder von kleinen gezielten Ausbrüchen attackiert, die den Fluss stören, ihn aber niemals gänzlich abschneiden. Man glaubt Anleihen bei Thelonious Monk oder Ornette Coleman zu hören, beispielsweise im Stück "Mobiliar I" oder "Gullmaj" ebenso beim traditionellen Swing, der von Offbeats und rockigen Strukturen aufgebrochen wird. Am faszinierendsten aber sind die überraschenden Wendungen. Sie sind vor allem Christian Lillinger zu verdanken.

Er ist ein Zauberer auf dem Drumset. Er verzaubert das Publikum mit einer nahtlosen Technik, und immer wieder neu aufgefächerten Tönen, die er wie ein Tänzer in Choreografien packt. Er scheint in die tiefsten Labyrinthe vorzudringen, um auch den kleinsten Tönen nachzuspüren. Auf dem Becken setzt er messerscharfe Töne, die in den Raum schneiden wie das Skalpell in weiches Fleisch. Er schlägt mit den Handflächen auf die Becken und mit den Klöppeln auf den Rahmen seiner Trommel und erschafft metallische Töne, die sich wie Elektromusik anhören. Dann wieder legt er einen dichten, weichen Klangteppich aus und beruhigt auf diese Weise das nervös kreischende Saxofon, das sich vom rhythmisch pulsierenden Bass immer wieder anstacheln lässt.

Lillinger und Slavin halten die Spannung zwischen Ruhe und Aufruhr, indem sie einen gleichmäßig stampfenden Sound mit synkopischen Wendungen befeuern. Immer wieder wird der straffe Spannungsbogen von lyrischen Momenten unterbrochen, lebt aus dem Wechsel von durchkonzipierten Spielstrukturen und freier Kommunikation. Die Musik ist glasklar und doch von Splittern durchsetzt. Die Zugabe "Amok Amour" bringt die Philosophie des Trios deutlich zum Ausdruck: Jede noch so ungestüme Wildheit lässt sich zähmen.

Das nächste Konzert in der Frühjahrsreihe des Jazz e.V. findet am Samstag, 14. März, 20 Uhr in der Kulturschranne statt. Es kommt das Ensemble Sexmob um den New Yorker Musiker Steven Bernstein.

© SZ vom 16.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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