Konzert in Mariä Himmelfahrt:Ungeheures Wogen der Klänge

Lesezeit: 3 min

Wie ein Fels in der Brandung: Christiane Höft mit dem Dachauer Kammerchor beim Festkonzert in der Kirche Mariä Himmelfahrt. (Foto: Toni Heigl)

Das Festkonzert zu seinem 20-jährigen Bestehen bestreitet der Dachauer Kammerchor mit Bachs äußerst anspruchsvoller h-Moll-Messe. Die Musiker meistern die Herausforderung bravourös

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Man kann es als glückliche Fügung ansehen, dass der Dachauer Kammerchor sein 20-jähriges Bestehen im Martin-Luther-Jahr 2017 feiern darf, dem Jahr, in dem der Reformationstag zum 500. Jahrestag von Luthers Thesen-Anschlägen in Wittenberg in ganz Deutschland, also auch in den eher katholischen Ländern ein Feiertag war. Der Dachauer Kammerchor ist, geleitet von Christiane Höft von der evangelischen Friedenskirche und Rainer Dietz von der katholischen Pfarrei Mariä Himmelfahrt, der ökumenische Chor Dachaus. Hier ist Ökumene, die bisher über feierliche Absichtserklärungen kaum hinausgekommen ist, lebendige Wirklichkeit. In diesem Sinne war es eine glänzende, man möchte sagen, die einzig richtige Idee, im Festkonzert zum 20-jährigen Jubiläum dieses Chors Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe aufzuführen; denn das ist die vom größten Meister der evangelischen Kirchenmusik in Leipzig für den katholischen Hof in Dresden geschriebene große katholische Messe. Sogar die Stelle "Et in unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam" (Glaube an die eine heilige, katholisch und apostolische Kirche), die Franz Schubert konsequent weggelassen hat, hat Bach in dieser Messe (wohl gegen seine Überzeugung) komponiert.

Zur Aufführung gelangten zwar "nur" das Kyrie und das Gloria dieser Messe, aber diese beiden riesigen Teile allein füllen ein Kirchenkonzert zeitlich und vor allem musikalisch-inhaltlich voll aus. Vom Abschluss des Gloria "Cum sancto spiritu in Gloria Dei Patris. Amen." (Mit dem Heiligen Geist in der Herrlichkeit Gottes des Vaters. Amen) sagt der große Münchner Musikologe Georgiades: "Wer könnte wagen, die schöpferische Vorstellungskraft, die hier am Werk ist, mit Worten zu umschreiben? Nicht die Sprache soll hier zur Geltung kommen. Bach lässt sich von dem Inhalt anregen, um ein selbständiges musikalisches Werk zu schaffen, das - man darf es wohl sagen - zum Größten gehört, was uns vermacht worden ist." In diesem Zusammenhang erscheint es auch nicht angemessen, einen Konzertabend, der sich musikalisch und geistig Größtes vorgenommen hat, zu beschreiben und kritisch zu würdigen, doch die Frage, wie die Aufführung verlief, ob und wie sie dem riesigen Werk gerecht werden konnte, ist berechtigt.

Der Dachauer Kammerchor bewältigte Bachs sehr anspruchsvollen, stets fünfstimmig geführten Chorsatz vor allem dank seiner strahlenden Soprane. Seine dünnste Stimme ist der Tenor, der die Stellen, die er allein oder zumindest führend zu singen hat, klar, aber sehr zart intonierte. Als Orchester stand das sehr erfahrene Münchner "Ensemble Lodron" um Konzertmeister Ulrich König zur Verfügung. Das Streichquintett des Orchesters war, was heute bei solchen Aufführungen üblich ist, ja sie erst ermöglicht, nur einfach besetzt, also statt je etwa fünf oder sechs Ersten und Zweiten Violinen nur je eine. Das lässt natürlich manche erwünschte klangliche Differenzierung - etwa den Gegensatz zwischen den ausgezeichnet gespielten Soli und Tutti-Stellen kaum zu. Der Bass klang undifferenziert und stellenweise zu dick. Es wäre gut gewesen, den Kontrabass nur bei den großen Chorstellen mitspielen zu lassen, bei den Soli und Duetten den Basso continuo nur mit Violoncello und Orgel zu besetzen.

Die Vokalsolisten - Monika Klamm (Sopran), Jutta Neumann (Alt), Bernhard Schneider (Tenor) und Matthias Ettmayr (Bass) - entsprachen mit ihrem klaren, gewissermaßen "geraden" Singen dem heutigen Ideal des Barockgesangs. Das Sprechende der neuen instrumentalen Setzweise erlaubte nun (im Barock) dass vokale Partien instrumental eingeleitet werden, weil sich diese zwei Äußerungsweisen einander angeglichen haben. Der Gesamteindruck der Aufführung aber war dank der Akustik der Dachauer Kirche Mariä Himmelfahrt vor allem ein ungeheures Wogen von Klängen, vergleichbar der Brandung des Meeres. Christiane Höft, die musikalische Leiterin der Aufführung, stand wie ein Fels in der Brandung und schlug den Takt, unbeeindruckt von den gewaltigen auf sie zuströmenden Klangmassen der Flut oder umspült von sanfteren Klängen, in absoluter Ruhe stets gleichförmig. Die gewählten Tempi überzeugten, der Chor war trefflich einstudiert, die Musiker durften ihre meist sehr anspruchsvollen Partien selbständig gestalten und sie taten es mit Bravour.

Als Vorspiel zu Kyrie und Gloria aus Bachs h-Moll-Messe erklang ein Concerto grosso D-Dur für drei Trompeten, Pauken und Orchester von Telemann, bei dem sich die drei Trompeter Konrad Müller, Wolfgang Prüller und Leo Braun sowie Michael Kolbinger an den Pauken und ein leider nicht genannter Oboist auszeichneten.

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: