Konzert in Dachau:1111 Sekunden pure Lust

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Auch das zehnte "plug & play" im Thoma-Haus begeistert das Publikum - jeder 18-Minuten-Auftritt der Bands ist ein Erlebnis

Von Petra Neumaier, Dachau

"Um 18 Uhr gehst du hin, um 20 Uhr kannst du wieder gehen!" Ha, ha. Der Vorschlag eines Kollegen kann nicht ernst gemeint gewesen sein. Selbst, wenn er vielleicht und man selbst ganz sicher noch nie beim "plug & play" im Ludwig-Thoma-Haus in Dachau dabei war. Kein Gedanke jedenfalls ans Gehen, von der ersten Minute an, bis zur letzten. Na ja, vielleicht zur vorletzten Minute. Nicht, weil die "Heavy Duty Rock'n'Roll-Walze" namens "Godwave" schlecht spielte, sondern für den eigenen Geschmack und die Uhrzeit dann doch ein bisschen zu laut. Viel zu spannend, viel zu abwechslungsreich, viel zu unterhaltsam und begeisternd war ansonsten das geniale Konzert, bei dem elf Bands jeweils 1111 Sekunden (also fast 18 Minuten) auf der Bühne zeigen, was sie können. Und das waren durchweg tolle Musik, tolle Stimmen, tolle Rhythmen, tolle Performance und unglaublich viel Spaß.

Zum dritten Mal hat Rainer Rackl, selbst Sänger und Gitarrist in der Band "T4U", das Konzert "plug & play" organisiert, und wieder ist es mit 600 Zuhörern ausverkauft, wieder ist die Stimmung am Anschlag und die Auswahl der Bands so erstaunlich wie perfekt. Insgesamt ist es bereits das zehnte "plug & play", ins Leben gerufen haben es Robert Freudenberg und seine Band; Freudenberg hat es die ersten sieben Jahre auch organisiert. Die ganze Bandbreite an Genres, an Musikstilen und Bands zu präsentieren, das wollte Rackl. Und das sollte ihm erneut gelingen. Früh versammelt sich das bunt gemischte Publikum im Foyer des Hauses. Bier- und andere Flaschen in der Hand, Sekt- und Weingläser an den Lippen, die sich ansonsten unentwegt bewegen. Der Lärm aufgeregt plappernder Menschen nervt etwas. Zumal er sogar - trotz großen Lautsprechern und dem Bemühen der Sänger, lauter als sonst zu singen - die Musik der Vorband "8 Ball" übersteigt. Nur in den ersten drei oder vier Reihen bekommt man von den hervorragend interpretierten Songs etwas mit. Wirklich ein Jammer. Tapfer hält die Band durch.

Dicke Nebelwolken tanzen im Licht der pinken und blauen Scheinwerfer, die auf der zweigeteilten Bühne leuchten. Rechts und links jeweils ein Schlagzeug, überall eine Menge Kabel und Mikrofone. In der Mitte eine Art Stativ, mit winzigen Kameras und einem dicken, roten Buzzer oben auf. Darauf wird gleich Rainer Rackl vor jedem Auftritt schlagen. Um die Stoppuhr zu aktivieren, die hinter den Musikern auf einem Bildschirm die Sekunden zählt. Von 1111 abwärts. Schnell ist die Tanzfläche gefüllt, schneller noch die Sitzplätze auf dem oberen Rang. Deshalb kann Rackl auch früh mit der Auslosung beginnen, mit der die Reihenfolge der Auftritte festgelegt wird. Dieses Mal macht das die kleine Lena, die noch nicht lesen und schreiben kann. "Damit keiner "Schiebung" unterstellen kann", schmunzelt Rackl. Die zufällig gezogene Reihenfolge hätte aber nicht besser geplant sein können. Denn den Auftakt macht seine "T4U" - diesmal ohne Ralf Reissmann - die mit irischen Folk-Rhythmen sofort alle zum Tanzen bringt. Noch während die Uhr gnadenlos rückwärts zählt und Rainer Rackl, Martin Demmelmeir, Andreas Fürbringer und Bojana Jerkovic ihr Tempo steigern, baut die nächste Band auf. Sie schleppt eine spärlich bekleidete Puppe auf die Bühne. Warum? "The Bengels", die "Southern German Whisky Rock"-Band aus Hallbergmoos, werden es schon wissen. Rauchig ist ihr Gesang, fetzig die Musik, Schlagzeug und Bass lassen den Boden unter den Füßen zittern - kaum größer hätte musikalisch der Gegensatz zu ihren Vorgängern sein können.

Eine Überraschung - selbst für Rainer Rackl, der die einzelnen Musiker aus Dachau von anderen Bands kennt und deshalb auf das Anhören des Demo-Bandes verzichtet hatte - ist "Tulip". "Denn erst, als die Jungs ihre Instrumente auspackten, sah ich, dass sie zum Teil andere spielten", erzählt Rackl, der dann doch ein bisschen Bedenken hatte. Brauchte er aber nicht zu haben. Denn mit "experimentellen und tanzbaren IndieRock" begeistern die Musiker sogar das ältere Publikum. Ein Mann schreit: "Echt Klasse!"

Bereits 2016 Jahr begeisterte "Groove Point", die damals spontan für eine abgesagte Gruppe eingesprungen waren. Eine Cover-Band aus Schwabhausen, die professionell die Zuhörer im Griff hat. Gesteigert wird das noch von der "Jacarta Blues Band" - die mit ihrem groovigen und swingenden Sounds die Stimmung zum Kochen bringt. Pfiffe, Begeisterungsrufe und frenetischer Applaus: Erfahrung - die Musiker sind schon leicht ergraut - macht den Meister. Doch die jüngste Nachwuchsband, "Manikin", hält mit. Zu verdanken ist das nicht nur den talentierten Instrumentalisten aus Deggendorf, sondern vor allem der Sängerin Magdalena Bräu, ein zierliches Persönchen mit großer Stimme.

Und dann waren da noch "Just Chanpero", die Rockband mit Sombreros und Trump-Maske; "Lost Lines", das Akustik-Duo Kathrin Birkeneder und Florian Klimpke aus München; "Owing to the rain", die jungen Dachauer, die so abrocken, dass die Fans ganz nah an die Bühne rücken; schließlich die "Bressbäänd", die auf ganz eigene Art auf Trompeten, Posaune, E-Gitarre und Schlagzeug bekannte Lieder interpretiert, und "Godwave". Zurück bleibt die Neugier aufs nächste Konzert. Denn im Februar 2018 ist das Jubiläum geplant: die 11. Veranstaltung mit 11 Bands und 1111 Sekunden Live-Musik.

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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