Klinikkooperation Dachau-Rechovot:Aussöhnung vorbei

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Nach dem glanzvollen Auftakt der Partnerschaft zwischen dem Kaplan-Medical-Center in Israel und dem Amperklinikum vor zwei Jahren ist Enttäuschung eingekehrt. Die Dachauer Seite bewegt sich nicht

Von Helmut Zeller, Dachau

Von einem historischen Moment war die Rede, vom Beginn einer wunderbaren Freundschaft - doch die Partnerschaft zwischen dem Amperklinikum in Dachau und dem israelischen Kaplan Medical Center ist nach zwei Jahren eingeschlafen. Ernüchterung und Enttäuschung sind eingekehrt. Der Holocaust-Überlebende Moshe Tal, einer der Initiatoren, erklärt der SZ: "Ich bin enttäuscht und frage mich, was genau die Gründe für diese Verzögerung sind." Er und der Kaufering-Überlebende Abba Naor wollten über das Projekt "eine Brücke zwischen Dachau und Israel" bauen. Doch bisher wurde kein Punkt der geplanten Kooperation, etwa der Austausch von Ärzten und Pflegekräften, umgesetzt. Der Dachauer Förderkreis kann, wie sein Sprecher Michael Weber sagt, seine Arbeit nicht aufnehmen. Das Finanzamt Freising verweigere die Anerkennung des Förderkreises als gemeinnütziger Verein.

Allerdings scheint das nicht der einzige Grund zu sein: Nach dem glanzvollen Auftakt der Partnerschaft mit einem Konzert im Dachauer Schloss im Mai 2013 haben sich die politische Situation in Dachau und die Eigentumsverhältnisse bei der Amperkliniken AG grundlegend geändert. Der Kardiologe Michael Weber, früherer ärztlicher Direktor des Amperklinikums, leitet den damals gegründeten Förderkreis. Ihm gehören mit Ausnahme der CSU-Landesgruppenchefin im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, Politiker an, die schon seit einem Jahr nicht mehr im Amt sind. Altlandrat Hansjörg Christmann (CSU) kandidierte im März 2014 nicht mehr, der Dachauer Oberbürgermeister Peter Bürgel (CSU) unterlag dem SPD-Kandidaten Florian Hartmann. Der langjährige Vorstandsvorsitzende Bernward Schröter verließ die Klinik Ende 2014, nachdem das Rhönklinikum das Krankenhaus an den Klinikkonzern Helios mit Sitz in Berlin verkauft hatte. Neu ist vor einem Jahr Landrat Stefan Löwl (CSU) dazu gekommen; der Landkreis hält 5,1 Prozent Anteile am Amperklinikum mit Häusern in Dachau und Markt Indersdorf.

Moshe Tal, Mitglied des Aufsichtsrates des Kaplan Medical Centers in Rechovot, erklärt dazu: Das Versöhnungsprojekt, so habe es zumindest den Anschein gehabt, würde von politischen Veränderungen und einem Eigentümerwechsel unberührt bleiben. Der Helios-Konzern hat sich in dieser Frage bis heute öffentlich allerdings nicht geäußert. Die israelische Seite hofft nun auf Landrat Löwl, der Mitglied im Aufsichtsrat der Klinik ist. Förderkreis-Sprecher Michael Weber will nicht aufgeben. Wie er sagt, will man nun beim Finanzamt einen neuen, den dritten Anlauf unternehmen. Weber will nicht, wie er betont, die Finanzbeamten kritisieren. "Deutschland ist ein Sozialstaat mit strengen Auflagen für die Gemeinnützigkeit", sagt Weber. Vielleicht ist auch der Vereinszweck unglücklich formuliert worden: Da war von einem Infoaustausch die Rede, von Reisen und Reisekosten, wie Weber sagt. Es gehe aber doch um Aussöhnung und Völkerverständigung.

Ohne die Anerkennung der Gemeinnützigkeit kann der Verein jedoch nicht tätig werden. Weber zufolge wollten er und Altlandrat Christmann schon potenzielle Spender in München aufsuchen. "Aber gegenwärtig können wir ja nicht einmal eine Spendenquittung ausstellen." In Israel sind Krankenhäuser auf Spenden angewiesen, der Staat gewährt vielleicht in ganz seltenen Fällen Unterstützung. Aber die Partnerschaft wäre nicht einseitig: Das Kaplan Medical Center zählt zu den sechs führenden Krankenhäusern in Israel. Es verfügt über 535 Betten und betreut ein Gebiet mit 700 000 Menschen, versorgt täglich Hunderte Notfallpatienten. Besonders stolz ist Krankenhauschef Jacob Yahav auf die moderne Kinderklinik, in der sich multidisziplinäre Teams aus Ärzten, Krankenschwestern, Kinderpsychologen und Pädagogen um Eltern und Kinder kümmern - auch Patienten aus dem Gazastreifen werden versorgt. Bernward Schröter war begeistert, da er sich von der medizinischen Zusammenarbeit, dem großen Knowhow der israelischen Kollegen, viele Vorteile für die Patienten des Amperklinikums erhoffte. Er beabsichtigte gemeinsame wissenschaftliche Projekte und einen Austausch von Medizinern und Pflegepersonal.

Allen Beteiligten war klar, dass die Kooperation ein politisches Signal setzen würde. Die Wahlkreisabgeordnete Gerda Hasselfeldt freute sich über diesen "wichtigen Schritt zur Intensivierung der deutsch-israelischen Beziehungen". Vor allem aber hätte die Stadt Dachau gewonnen: Moshe Tal und Abba Naor wollten, ohne die Vergangenheit zu vergessen, einen gemeinsamen Weg in die Zukunft finden. Das größte Hindernis dafür, so Tal, ist das ehemalige Konzentrationslager in Dachau und seine Verbindung mit dem Holocaust. "Was könnte besser zusammenbringen als zwei Institutionen, die nur existieren, um Menschen zu helfen", fragt Moshe Tal.

Darüber, so hoffte Abba Naor, könnte die Stadt einmal auch eine Partnerkommune in Israel finden. Der Sprecher der israelischen Holocaust-Überlebenden im Internationalen Dachau-Komitee und in der bayerischen Gedenkstättenstiftung unterstützt Dachau in dieser Frage seit Jahren.

© SZ vom 08.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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