Kleine Altstadtgalerie:Erster Akt

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Thomas von Kummant modelliert die Körperformen seiner Aktmodelle mit sich überschneidenden Farbflächen. (Foto: Niels P. Joergensen)

Der Comiczeichner und Illustrator Thomas von Kummant ist international äußerst erfolgreich, in seiner Heimatstadt kennen ihn bislang nur wenige. Jetzt zeigt er seine erste Ausstellung in Dachau

Von Gregor Schiegl, Dachau

Manche Künstler entdeckt man erst spät - so spät, dass man sich wundert, wie lange man sie all die Jahre übersehen konnte. Das gilt auch für den Illustrator Thomas von Kummant, Jahrgang 1972. Am Freitag sind zum ersten Mal Werke von ihm in seiner Heimatstadt zu sehen, eine kleine, aber feine Akt-Ausstellung in der Kleinen Altstadtgalerie Dachau. Erst vor zwei Jahren hatte der Chef der Kleinen Altstadtgalerie, Frank Donath, dem damals schon fast 50-jährigen Dachauer Grafiker Martin Off zum Ausstellungsdebüt vor heimischem Publikum verholfen. "Der Prophet zählt eben nichts im eigenen Land", sagt er Donath. Aber in diesem Fall lag es wohl auch am Propheten. "Dachau war mir immer zu klein", sagt Thomas von Kummant. "Ich wollte raus in die weite Welt." Raus aus Dachau.

Das hat der Zeichner und Illustrator längst geschafft. Seine Comic-Adaption des Romanbestellers "Die Chronik der Unsterblichen" von Wolfgang Hohlbein sorgte 2004 für so viel Furore, dass er inzwischen den Sprung auf den anspruchsvollen französischen Comic-Markt geschafft hat. Jüngst kam ein Anruf von Pixar. Das Trickfilmstudio hat den Dachauer in seine Dienste genommen. Was er da genau macht für Pixar, darf Kummant natürlich nicht verraten, das verbieten die Verträge. Aber Thomas von Kummant gehört sowieso nicht zu den Leuten, die damit angeben, wie toll sie sind und was sie alles geschafft haben. Stattdessen erzählt er, wie er Wassermalfarben in der Schule gehasst habe, weil sich das Blatt immer wellte und sich Farbpfützen auf dem Papier bildete. Im Kunstunterricht habe er auch bloß Dreier und Vierer gehabt, sagt er grinsend.

Umso erstaunlicher erscheint zunächst, dass dieser Wasserfarben-Phobiker eine Ausstellung mit Aquarellmalereien bestreitet, noch dazu eine, in der er dem menschlichen Körper durch farbige Flächen eine Form gibt und nicht, wie im Comic, durch Linien. Aber Kummant, der beim FC Augsburg schon fast mal in eine Profi-Fußballkarierre gestartet hätte, probiert gerne mal was Neues. Aktmalen ist für ihn gewissermaßen eine künstlerische Fingerübung für die korrekte anatomische Darstellung von Menschen, eine Etüde, und Etüden haben ja auch ihren künstlerischen Reiz.

Nur warum ausgerechnet mit Aquarell? "Ich mag, dass man es auf den Punkt bringen muss", sagt Kummant. Die Farben verlaufen leicht; wenn man sich nicht konzentriert, ruiniert man alles. Die Eigenheiten des wässrigen Mediums haben auch ihren Reiz: An den Überschneidungen der Flächen entstehen Linien wie Muskelstränge, die farbigen Flächen modellieren die Körper sehr plastisch. Dunklere Flächen lassen die Partien zurücktreten; dort, wo das Licht direkt auf die Haut fällt, bleibt das Papier oft weiß. Ein dunkler Punkt den Kummant einem Frauenakt auf die Scham getupft hat, ist zu einem faserigen Fleck verlaufen. "Es sieht aus wie eine Blume", stellt er fest, erstaunt und beglückt.

Manche Abweichung von der Norm und manche Unschärfe machen aus einem guten Bild erst ein hervorragendes, und diese Glücksfälle provoziert Kummant mit mancherlei Kniffen. Zum Beispiel, indem er einen rotbraunen Farbton aus Grün und Orange mixt. Manchmal tauchen die ursprünglichen Pigmente entmischt auf dem Papier wieder auf. "Es gibt unheimlich viel zu entdecken", schwärmt der Illustrator. Und das gilt auch für seine Ausstellung, die den Akt nicht als schwartig-pastöse Exposition in Öl präsentiert, sondern als Impressionen von Licht und Farbe, die gerade wegen ihres oft unfertig-skizzenhaften Charakters äußerst filigran wirken.

Zu sehen sind Figuren, die zum Teil in nur ein bis zwei Minuten aufs Papier gepinselt wurden, wobei sich schon bei dieser Reduktion auf ein paar wenige Linien die Meisterschaft des Künstlers zeigt. Einige, schon etwas detailliertere ausgearbeiteten Akte einer rothaarigen Frau, sind mit leichtem Strich auf einem einzigen Blatt versammelt und wecken Assoziationen zu kunstvoll arrangierten Buchstaben, zu einer Kalligrafie aus Menschenleibern. Die detaillierteren Akte, jedes in ziemlich flotten 20 Minuten entstanden, sind oftmals als perspektivische Studien konzipiert. Besonders eindrucksvoll sind die Darstellungen einer Tänzerin, die auch still auf dem Stuhl sitzend und einen Arm auf das angewinkelte Bein gestützt, noch eine vibrierende körperliche Präsenz ausstrahlt.

Trotz des etwas plakativ klingenden Titels "Nackt" läuft diese Ausstellung an keiner Stelle Gefahr, ins Voyeuristische oder gar Obszöne abzugleiten. Thomas von Kummants Akte haben etwas Heiteres, Zärtliches, sie stellen die Menschen und ihre Haltungen in den Vordergrund, die mal verspielt, mal nachdenklich und manchmal auch verletzlich wirken. Bei vielen Akten meint man, den Beginn einer Bildergeschichte zu sehen, von der man nur zu gerne wüsste, wie sie denn nun weitergeht.

"Nackt - Form durch Flächen". Ausstellung von Thomas von Kummant in der Kleinen Altstadtgalerie. Vernissage Freitag, 27. Oktober, um 20.30 Uhr. Öffnungszeiten Donnerstag und Freitag 18 bis 20 Uhr, Sonntag 14 bis 16 Uhr. Zu sehen bis 19. November.

© SZ vom 26.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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