Klare Strukturen und wohlproportionierte Räume:Baukunst statt Klotzbau

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Mit dem Architekturpreis Dachau würdigt das Architekturforum sechs herausragende Bauprojekte, darunter auch das Kinderkrippenhaus am Otto-Kohlhofer-Weg

Von Gregor Schiegl, Dachau

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(Foto: Stepper Architekten)

Eine clevere Gestaltung und...

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(Foto: Stepper Architekten)

...natürliche Materialen machen das Dachauer Kinderkrippenhaus zu einem architektonischen Schmuckstück.

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) trudelt mit einiger Verspätung bei der Verleihung des Dachauer Architekturpreises in der Kulturschranne ein, aber gerade noch rechtzeitig, um als städtischer Bauherr den Preis für den gelungen Neubau des Kinderkrippenhauses am Otto-Kohlhofer-Weg in Dachau entgegenzunehmen. Während er sich den Weg durch die Menge bahnt, fragt er schalkhaft: "Habe ich was gewonnen?" Er hat. Die größte Ehre gebührt aber den Planern, dem Büro Stepper Architekten aus Dachau. Die Juroren waren sehr angetan von der architektonischen Qualität des Neubaus. Das neue Krippenhaus "Am Wäldchen" überzeugte die sechs Experten Michael Deppisch aus Freising, Landschaftsarchitektin Rita Lex-Kerfers aus Bockhorn, Innenarchitektin Dorothee Maier und Architekt Florian Nagler aus München, die Freisinger Stadtbaumeisterin Barbara Schelle und den Regensburger Stadtplaner Kurt Werner. Sie lobten die klare, übersichtliche Gebäudestruktur und die wohlproportionierten Räume. Die großzügige Aula mit dem durch einen Vorhang abtrennbaren Mehrzweckraum weist schöne Blickbeziehungen auf - sowohl im Innern als auch nach außen. Durch die schönen Ausblicke und die Materialwahl Holz im Inneren und Äußeren wird eine angenehme Atmosphäre geschaffen, in der sich die Kinder wohlfühlen können. Funktionell wird das Gebäude allen Nutzern gerecht. Positiv bewertet wurde die differenzierte Fassadengestaltung, die der Gliederung und Qualität der Innenräume entspricht, ebenso die vorgehängten Balkone und die gut nutzbaren Loggien. Die konsequente Verwendung natürlicher ökologischer Baustoffe etwa bei der Holzfassade, dem Trockenestrich und bei der Ausstattung der Räume kamen ebenfalls gut an. Die Innenraumgestaltung ist stimmig bis hin zu den Garderoben, Teeküchen und den einzelnen Möbeln. Das Haus ist so konzipiert, dass eine Erweiterung der Gruppen einschließlich Außenanlagen problemlos möglich ist.

Mit dem Preis an den OB verband die Jury allerdings auch eine "Verpflichtung": nämlich dass man bei der Erweiterung an das gleiche hohe Niveau anknüpfen möge. Als Ansporn für andere Bauherren. Aber sicher auch zum Wohle der Kinder.

Raffinierter Schick

Einfache Idee, starke Umsetzung: die Hi Five Burger Bar. (Foto: Andreas Köhler)

Für die Innenraumgestaltung der "Hi Five Burger Bar" in Dachau gab es eine Anerkennung. "Ein starkes Konzept gelingt eben auch mit niedrigem Budget, wenn die Planung stimmt", sagt die Jury. Freuen können sich darüber die Planer Franz Göttler mit Tini Amman aus Dachau. "Die Klarheit der Gestaltung" und "die Finesse im Detail", das raffinierte Spiel mit Flächen und Fugen schaffe eine tolle Atmosphäre. Die individuell gefertigten Möbel geben der Bar "die richtige Portion Lässigkeit".

Leben im Ortskern

Das "Alte Schulhaus" in Sulzemoos. (Foto: Heim Kuntscher Architekten/Stadtplaner BDA)

Der Erhalt und die private Sanierung des "Altes Schulhauses" in Sulzemoos war der Jury ebenfalls eine Anerkennung wert. Bauherr Johannes Kneidl habe damit zum "Schutz des Ortsbildes sowie zur Belebung des Ortskerns" beigetragen; auch die bestehende Schusterwerkstatt haben die Planer (Heim Kuntscher Architekten und Stadtplaner BDA aus München und das Brunetti Planungsbüro aus Odelzhausen) integriert. Es kam aber auch Kritik, etwa an den zu groß geratenen Dachgauben.

Sensible Sanierung

Schöne Details: Deckenkonstruktion im Amtsgericht. (Foto: Architekturbüro Endter GmbH)

Auch für die Sanierung des Amtsgerichtsgebäudes sprach die Jury eine Anerkennung aus; sie ging an das Architekturbüro Endter GmbH in Dachau: Die Maßnahme zeige beispielhaft "einen sehr angemessenen Umgang im denkmalgeschützten Bestand" mit wenigen, aber sehr präzisen Eingriffen: Windfang, Treppe und Ertüchtigung der Tragstruktur. Die neuen Bauteile aus Holz und Stahl ergänzen das alte Tragwerk perfekt, wobei Geometrie und Konstruktion bewahrt werden.

Stimmiges Gesamtbild

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(Foto: Ulrike und Bernhard Rückert)

Kompakt und von schlichter Schönheit ist dieses neue Wohnhaus.

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(Foto: Ulrike und Bernhard Rückert)

Kompakt und hochwertig ist auch das Interieur.

Das im Frühjahr 2014 fertiggestellte Einfamilienhaus in Oberbachern ist nicht nur wohnlich, sondern auch sehr kompakt und gut proportioniert. Knapp 150 Quadratmeter misst die Wohnfläche bei einer Grundfläche von lediglich 88 Quadratmetern. Das gesamte Haus einschließlich Innenarchitektur wurde vom Dachauer Planer Bernhard Rückert entwickelt, der selbst darin wohnt. Städtebaulich fügt sich das moderne Wohnhaus in Brettsperrholzbauweise nach Ansicht der Jury "ganz selbstverständlich" am Ortsrand in das dörfliche Umfeld ein. Ausdrücklich gelobt werden die "gut gewählten, klaren Proportionen des Hauses, sein Bauvolumen sowie die Höhe, die Materialität" und die zurückhaltende Außenraumgestaltung mit einer "klar geordneten Fassade aus Holz". Das Satteldach - mit einer geringen Asymmetrie der Dachflächen, ohne Dachüberstand, mit knappem Ortgang und Traufe - lehnt sich an den in Oberbayern regionaltypischen Haustypus an, wenn auch mit flacher Dachneigung. Das Ensemble verbraucht sehr wenig Platz, durch "garagenfreie" und zaunlose Freiflächen, durch Reduktion auf das wirklich Erforderliche, durch bewussten Einsatz der Materialien und die sorgfältige Ausbildung der Details wie die raumhohen Fensterscheiben. Die großzügige Innenraumwirkung wird durch Öffnung und Bezüge zur Umgebung gesteigert, aus dem Haus hat man nämlich einen Blick in die freie Landschaft. Die Einfachheit des Grundrisses und das gelungene Zusammenspiel von Raumgestalt und Baugestalt überzeugten die Juroren, dass es sich um ein preiswürdiges Projekt handelt.

Lichte, heitere Atmosphäre

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(Foto: Jesse Hofmayr Werner Architekten BDA)

Ein barockes Juwel: das Kloster Markt Indersdorf.

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(Foto: Jesse Hofmayr Werner Architekten BDA)

Die Klassenzimmer sind modern und freundlich.

Es gibt wohl kaum einen prominenteren Ort für eine Sanierung und Umnutzung als Realschule als das ehemalige Kloster der Augustiner-Chorherren aus dem Jahre 1126 in Markt Indersdorf. Den Planern von Jesse Hofmayr Werner Architekten BDA aus München und der Dachauer Gesellschaft Topgrün GmbH bescheinigt die Jury eine "sensible Erneuerung" des wertvollen historischen Bestandes. Die Erzdiözese München und Freising habe damit eine hervorragende Bildungsinvestition getätigt, "die dauerhaft zur Belebung und Bereicherung des Marktes und seines Umlandes beiträgt". Besonders positiv aufgenommen haben die Jury-Mitglieder, dass die sechs Jahre dauernde Gesamtsanierung trotz hoher Sicherheits- und Nutzungsanforderungen an einen modernen Schulbetrieb innen- wie außenräumlich durchweg gelungen ist. Die Auseinandersetzung mit den historischen Räumen sei von der Raumschale über die Belichtung bis zur Materialität im Detail - etwa in den Kreuzgängen, im Musiksaal oder im Schülerspeiseraum - respektvoll und handwerklich gekonnt umgesetzt. Überzeugt hat die Juroren auch die Qualität der Innenraumnutzung. Das Lehrerzimmer ist großzügig gestaltet mit sichtbarem offenen Dachstuhl und einer elegant eingefügten "schwebenden" Galerie mit Computerarbeitsplätzen. Trotz vieler Bindungen und der strengen Raumtypologie der Klosteranlage sei es der Erzdiözese mit ihren Architekten und Ingenieuren gelungen, "ein nutzerfreundliches Raumangebot mit lichter, heiterer Atmosphäre zu schaffen, die die Freude an der Kommunikation, am Lernen, Lehren und Musizieren fördert".

© SZ vom 18.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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