Karlsfeld:Am S-Bahnhof gehen die Park-und-Ride-Plätze aus

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Selbst wer ein Jahresabo für den Park-und-Ride-Platz am Karlsfelder S-Bahnhof hat, bekommt nicht immer einen Stellplatz. Der Bedarf ist zu groß. (Foto: Toni Heigl)

Die Gemeinden wachsen zu schnell, man könne mit dem Bauboom nicht mithalten, sagt der Chef der zuständigen Gesellschaft.

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Claudia Yayehyriad kommt immer zu spät. Um zehn Uhr vormittags, wenn sie mit dem Auto am S-Bahnhof Karlsfeld ankommt, um von dort mit der S-Bahn zur Arbeit zu fahren, sind alle Parkplätze schon weg, auch auf den kostenpflichtigen Park-und-Ride-Plätzen. Für Frau Yayehyriad ist das doppelt ärgerlich, sie hat ein Jahresabonnement für den Park-und-Ride-Platz abgeschlossen, fast 100 Euro im Jahr kostet sie das. "Erst bewerben sie Park-and-Ride und dann verkaufen sie einem Luft in Tüten", schimpft sie. Aber was soll sie tun? Nach Fröttmaning ausweichen oder nach Riem, wie es ihr Mitarbeiter der Park-und-Ride-Gesellschaft empfohlen haben? "Das ist doch Wahnsinn!"

Claudia Yayehyriad ist kein Einzelfall. Der Leiter der Karlsfelder Verkehrsbehörde, Günter Rustler, bekommt in jüngster Zeit häufiger solche Klagen zu hören. An der Bayernwerkstraße reihen sich die Autos Stoßstange an Stoßstange, manche stellen ihr Auto auch einfach in der nächsten Wohnstraße ab, in der Hoffnung nicht erwischt zu werden. Dieses Parkplatzchaos rund um den Bahnhof ist nicht neu. "Aber bisher war auf den Park-und-Ride-Plätze immer etwas frei", sagt Rustler. Wer dort parken will, muss einen Euro am Tag zahlen. Das haben sich die meisten in der Vergangenheit gespart. Doch jetzt nach dem Kälteeinbruch scheinen viele, die davor mit dem Fahrrad zum Bahnhof gekommen sind, aufs Auto umzusteigen. "Beide Parkplätze am S-Bahnhof Karlsfeld sind rappelvoll", bestätigt der Geschäftsführer der Münchner Park-und-Ride-Gesellschaft, Wolfgang Großmann.

In Allach sind 62 Parkplätze weggefallen

Dafür gibt es mehrere Gründe. Viele Pendler, die bisher nach Allach gefahren sind, stellen ihr Auto nun in Karlsfeld ab. Im März wurde der Allacher Park-und-Ride-Platz nämlich aufgelöst. Mit 62 Stellplätzen gehört er zwar zu den kleinsten Liegenschaften der P&R-Gesellschaft, "aber er fehlt uns trotzdem sehr", sagt Großmann. "Wir haben viele Beschwerden von Kunden." Derzeit wird das gesamte Gelände rund um den Bahnhof Allach neu bebaut. Geplant ist unter anderem ein großes Einkaufszentrum und Tiefgaragen. Es sollen 200 neue Park-und-Ride-Plätze entstehen. Läuft alles nach Plan, kann der Bau in der zweiten Jahreshälfte 2016 beginnen. Wie lange es dann bis zur Fertigstellung dauert, steht in den Sternen. Auch die Zahl der Pendler, die aus Karlsfeld stammen, dürfte zugenommen haben. Bedingt durch den Bau des großen Wohngebiets westlich der Bahn hat die Gemeinde, die Anfang des Jahres noch etwa 19 000 Einwohner zählte, inzwischen die 20 000er-Marke gesprengt.

Müsste das Park-und-Ride-Angebot nicht entsprechend zur Bevölkerung mitwachsen? Wolfgang Großmann ist eigentlich der falsche Ansprechpartner für solche Fragen. "Entscheidungen über Erweiterungen trifft das Planungsreferat", sagt er. Letztlich ist es also eine politische Entscheidung der Landeshauptstadt München. Aber ob die Karlsfelds Pendlerprobleme wirklich juckt? Claudia Yayehyriad bezweifelt das. Dabei sollten Münchens Stadträte durchaus Interesse haben, dass die Karlsfelderin pünktlich zur Arbeit kommt. Sie arbeitet als Bedienung am Marienplatz - ausgerechnet im Rathauskeller.

Grenzen des Wachstums

Allerdings hält es auch der Chef der Park-und-Ride-Gesellschaft für eine Illusion, immer mehr Parkplätze zu bauen. "Mit der Entwicklung der Baugebiete können wir gar nicht Schritt halten, das ist unmöglich", sagt Großmann. Man stoße schnell an die "Grenzen der Grundstücksverfügbarkeit". Wenn man den Parkplatz nicht in der Fläche erweitern kann, gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: mit einer Tiefgarage in den Boden gehen oder mit einem Parkhaus in die Höhe. Beides ist in Bau und Bewirtschaftung sehr teuer. Abgesehen davon entspreche es auch nicht Sinn und Zweck des Park-und-Ride-Systems, wenn auch noch die, die in fußläufiger Entfernung zum Bahnhof ein Haus beziehen, mit dem Auto dorthin fahren, sagt Großmann.

Die entscheidende Frage ist damit aber immer noch nicht beantwortet: Wo finden Pendler wie Claudia Yayehyriad jetzt ihren Parkplatz? Der Geschäftsführer der Park-und-Ride GmbH antwortet ausweichend: "Viele Kunden in Karlsfeld hätten auch die Möglichkeit, in Dachau einzusteigen", sagt er. Dort muss man zwar zwei Streifen mehr abstempeln, dafür ist der Parkplatz kostenlos. Claudia Yayehyriad kann darüber nur sarkastisch lachen. "Das ist ja wohl ein Witz! Haben Sie mal gesehen, wie es dort zugeht?" Vormittags um zehn Uhr ist auch am Dachauer Bahnhof schon alles voll. Also wird sie weiter am Rande Karlsfelds parken, mit zwei Reifen im Acker. "Vielleicht kommt ja ein Bauer auf die Idee, sein Feld mal für ein Jahr lang brach zu legen und etwas Kies für einen kostenpflichtigen Parkplatz aufzuschütten." Kunden gäbe es genug. Claudia Yayehyriad wäre sofort dabei.

© SZ vom 14.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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