Karlsfeld:Ein Radweg für den Räuber Kneißl

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Mathias Kneißl (1875-1902), auch Räuber Kneißl genannt, gilt als "bayerischer Robin Hood". (Foto: dpa/dpaweb)

Die Westallianz plant einen neuen Erlebnisweg durch alle Mitgliedsgemeinden. In Karlsfeld stößt die Idee nicht nur auf Begeisterung.

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Dass es mit Mathias Kneißl kein gutes Ende nehmen würde, war abzusehen. Mit seinen Brüdern ging der aus armen Verhältnissen stammende Schachermüller Hias regelmäßig auf Raubzüge, das Diebesgut wurde in der Schachermühle bei Sulzemoos verhökert. Das Leben der ländlichen Welt des 19. Jahrhunderts war hart, Resozialisierung noch ein Fremdwort, Staat und Obrigkeit bei den einfachen Leuten verhasst. Kneißl wusste das für sich zu nutzen, immer wieder entwischte er seinen Häschern, bestach Bauern und tauchte bei ihnen unter. Nachdem er einen Polizisten mit seiner Drillingsbüchse tödlich getroffen hatte, wurde Kneißl wie ein Staatsfeind verfolgt und in einer wüsten Schießerei gestellt und schwer verwundet. Mit nur 26 Jahren starb er 1902 auf dem Schafott.

Nun plant die Westallianz, ein Zusammenschluss aus sechs Kommunen, einen Räuber-Kneißl-Radweg mit EU-Geldern aus dem Leader-Programm für ländliche Kommunen. 225 000 Euro sind für die Ausschilderung der 60 Kilometer langen Route von Maisach nach Karlsfeld veranschlagt. "Die Person des Räuber Kneißl wird thematisch kaum genutzt", heißt es bei der Westallianz, da stecke viel Potenzial drin, das noch besser genutzt werden könne. Kneißl zählt heute zu Bayerns Volkshelden. Der Mythos hat sich längst von der historischen Figur gelöst, vielen gilt Kneißl als "bayerischer Robin Hood".

Im Karlsfelder Gemeinderat löste die Idee für den neuen interkommunalen Radweg eine lebhafte Kontroverse aus. Beate Full (SPD) nannte Kneißl "definitiv einen Verbrecher" und sorgte sich um die Familientauglichkeit des Projekts: Wie solle man einem Kind erklären, dass ein Mörder und Erpresser einen Radweg gewidmet bekomme? Bündnis-Fraktionssprecherin Mechthild Hofner fand dagegen großen Gefallen an der Figur Kneißls, weil der doch ein Rebell gewesen sei und die Obrigkeit piesackte. Und wenn die Leute über den neu ausgeschilderten Weg "in die offene freie Kulturlandschaft" radeln könnten, sei das doch auch schön.

Fluchtfahrzeug Fahrrad

Der Räuber Kneißl hatte selbst ein Fahrrad, mit dem unternahm er allerdings keine Vergnügungsausflüge, sondern entkam immer wieder den bayerischen Gendarmen. Nach Karlsfeld verschlug es den Schachermüller Hias nie, jedenfalls ist davon nichts bekannt, weshalb vielen ein Kneißl-Radweg durch Karlsfeld doch arg konstruiert vorkam. CSU-Gemeinderat Stefan Handl lobte den Plan zwar grundsätzlich als "schöne Vermarktungs- und Tourismusidee", kritisierte aber auch den Umfang des Projekts. "Man versucht anscheinend auf Biegen und Brechen, alle Mitgliedsgemeinden der Westallianz unterzubringen." Sein Fraktionskollege Wolfgang Offenbeck schlug vor, mit dem Heimatmuseum die sozialen Verhältnisse Karlsfelds um die Jahrhundertwende für den Radlweg aufzubereiten, gewissermaßen als Schlaglicht darauf, was Kneißl seinerzeit in die Kriminalität getrieben habe.

Allein die Vertreter der Karlsfelder SPD blieben skeptisch. "Ich kann mich nicht dazu durchringen, so viel Geld aus einem Haushalt zu nehmen, der so knapp auf Kante genäht ist", sagte Venera Sansone. Alle Mitgliedsgemeinden sollen sich mit je knapp 17 000 Euro beteiligen. Für CSU-Fraktionschef Bernd Wanka stand die Gesamtidee im Vordergrund. Das Projekt sei eine gute Gelegenheit, "die Gemeinsamkeiten der Westallianz zu schärfen".

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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