Karlsfeld:Streit um Seniorenwohnungen

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Ein kompaktes Wohnbauprojekt soll auf die Gewerbeflächen an der S-Bahn platziert werden. Die Bündnis-Fraktion befürchtet "Käfighaltung". (Foto: Toni Heigl)

"Für mich ist das Käfighaltung": Die massive Bebauung für das betreute Wohnen im Prinzenpark-West missfällt den Bündnis-Gemeinderäten.

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Auf dem freien Areal hinter dem Karlsfelder S-Bahnhof soll Gewerbe angesiedelt werden, darunter endlich auch ein Supermarkt, der den rasant wachsenden Ortsteil mit Lebensmitteln versorgen soll. Außerdem geplant ist eine große Einrichtung für betreutes Wohnen. Obwohl alle Fraktionen diese Planungen grundsätzlich befürworten, ist um das große Bauvorhaben "Prinzenpark West" ein Streit im Bauausschuss des Gemeinderats entbrannt, der schon ähnlich heftig geführt wird wie der Streit um das Ortszentrum Neue Mitte oder die Pläne für ein Gewerbegebiet im Grünzug. Die Bündnis-Fraktion, die fünf der 24 Gemeinderäte stellt, lieferte sich am Donnerstag eine scharfe verbale Auseinandersetzung mit CSU und SPD. Die billigten den Bauvorbescheid einstimmig - gegen das Votum des Bündnisses.

Entzündet hat sich die Auseinandersetzung am betreuten Wohnen: Im ersten Bauabschnitt möchte die Firma Erl-Bau eine große Seniorenwohneinrichtung auf dem Areal hochziehen. 252 Wohnungen sind geplant, die Dimensionen sind recht eindrucksvoll. Der Gebäuderiegel soll mehr als 170 Meter lang werden, die Wandhöhe beträgt 23,5 Meter. "Das ist doppelt so lang wie der Media-Markt und eineinhalbmal so hoch", sagte Andreas Turner vom Bündnis. Möglich werden diese Dimensionen einerseits durch Befreiungen vom Bebauungsplan, andererseits durch die Tatsache, dass die Wohneinrichtung in einem Sondergebiet geplant ist. Das Bündnis bezweifelt, dass das zulässig ist und will das Areal für betreutes Wohnen abtrennen und in ein Wohngebiet umwidmen.

Was nach einer reinen Formalie aussieht, hätte aber durchaus weitreichende Folgen: Für das betreute Wohnen würden dann auch die Regeln eines Wohngebiets gelten, und das heißt: strengere Lärmschutzauflagen und vor allem größere Mindestabstände. Das Wohngebäude müsste dann deutlich kleiner gebaut werden.

Auf die Intervention des Bündnisses reagierte Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) ziemlich sauer: "So langsam habe ich den Eindruck, Sie wollen alles blockieren, was vom Himmel fällt." Auf den Gewerbeflächen an der S-Bahn müsse jetzt endlich mal was vorwärts gehen. Daraufhin erwiderte Fraktionssprecherin Mechthild Hofner trocken, der Investor könnte ja sofort damit loslegen. "Bis auf das Sondergebiet."

Es war ihr Fraktionskollege Turner, der dann viel Schärfe in die Diskussion brachte, indem er das kompakte Wohnbauprojekt mit einer Käfighaltung verglich. "Wir werden noch alle dafür abgewatscht werden, wenn wir so ein Verbrechen begehen." In der CSU löste die Behauptung, man halte sich nicht an Recht und Gesetz, Empörung aus. "Sie streuen in aller Öffentlichkeit, dass wir widerrechtliche Dinge beschließen", schimpfte Ursula Weber (CSU). Tatsächlich halten sowohl die Gemeindeverwaltung als auch das Landratsamt den vorliegenden Bebauungsplan für zulässig. Dem hielt Architekt Bernd Rath vom Bündnis ein Verwaltungsgerichtsurteil von 2012 entgegen, das dem widerspreche.

Hinter dem Widerstand der Bündnis-Fraktion steht die Sorge, dass Erl-Bau das betreute Wohnen errichtet, die restlichen Flächen dann aber wieder abstößt. Das könnte zu einer weiteren Belastung des Gemeindehaushalts führen, fürchtet Andreas Turner: "Das Einzige, wo wir nichts verdienen werden, sind Senioren; die zahlen auch keine Einkommensteuer." Diese Sorge nahm auch CSU-Gemeinderat Holger Linde auf und fragte, welche Garantie die Gemeinde habe, dass der Investor nach dem Bau des betreuten Wohnens tatsächlich auch Einzelhandel ansiedele und sich nicht einfach verabschiede. Die Antwort von Bauamtsleiter Günter Endres war diesmal sehr einfach: keine.

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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