Jugendgericht:Geständnis verhindert Freiheitsstrafe

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20-Jähriger räumt den Verkauf von Marihuana auf dem Ernst-Reuter-Platz ein und muss nun Sozialstunden leisten

Von Renate Zauscher, Dachau

Wer in Dachau Drogen kaufen, verkaufen oder konsumieren will, der bekommt sie ganz offensichtlich auch. Das machten zwei Verfahren vor dem Amtsgericht Dachau deutlich. Das erste wurde eingestellt, weil der 20-jährige Angeklagte den Tatvorwurf, den Verkauf von Marihuana, bestritt und die Erinnerung der gehörten Zeugen eher lückenhaft war. Anders ging ein ebenfalls 20-Jähriger mit dem gleichen Tatvorwurf um: "Das stimmt so", erklärte er, nachdem Staatsanwalt Steffen Kill die Anklage verlesen hatte. Demnach hat der junge Mann im Oktober vorigen Jahres ebenfalls Marihuana verkauft, und zwar rund zwei Gramm auf dem Ernst-Reuter-Platz in Dachau. Angesichts dieses Geständnisses konnte auf die Anhörung eines Zeugen, der bereits im vorangegangenen Prozess ausgesagt hatte, in diesem Fall verzichtet werden.

Die Jugendgerichtshelferin Ursula Walder schilderte in der Verhandlung die Lebensumstände des jungen Angeklagten. "Er hat Familie - aber keinen Zugang zu ihr", sagte sie. Seine Situation sei "mehr als desolat". Die Eltern lebten getrennt, die Mutter sei Alkoholikerin, der Vater ein Mann, mit dem sich der Sohn schlecht verstehe und der ihn hin und wieder aus dem Haus werfe. Der Angeklagte, so Walder, sei "de facto allein", er habe nur seine Freunde. Und bei ihnen ist er offenbar nicht unbedingt in guter Gesellschaft, deutete Richter Daniel Dorner an: Erst vor kurzem stand der Angeklagte wegen "gemeinsamer Sachbeschädigung" und anderer damit zusammenhängender Tatvorwürfe vor Gericht.

Auch beruflich liegt laut Ursula Walder einiges im Argen. Eine Ausbildung sei nach wenigen Wochen abgebrochen worden, derzeit sei der junge Mann arbeitssuchend, habe aber eine Ausbildung im nächsten Jahr in Aussicht. Marihuana konsumiert der Angeklagte seit er 17 ist: "Gelegentlich, um herunterzukommen", erklärte er dem Richter. "Sie wissen, dass das die Probleme nicht löst sondern nur vergrößert", redete Richter Dorner dem Mann, der auch zu seiner Verhandlung allein, ohne Verteidiger, erschienen war, ins Gewissen.

Staatsanwalt Kill verwies in seinem Plädoyer darauf, dass "wir hier nicht von einer Lappalie reden". Zur beabsichtigten "Gewinnerzielung" komme dazu, dass der Angeklagte mit dem Verkauf der Drogen dazu beitrage, andere in Abhängigkeit davon zu bringen. Kill hielt auf Grund der "Schwere des Delikts" die Verhängung einer Jugend-Arreststrafe von zwei Wochen Gefängnis für "erzieherisch geboten", ebenso aber auch die von der Jugendgerichtshelferin vorgeschlagenen Beratungsgespräche, in die eine Drogenberatung mit einfließen solle. In seinem Urteil sprach Richter Dorner den jungen Mann im Sinne der Anklage für schuldig und verhängte eine Strafe von 48 Sozialstunden, die bei der "Brücke" abzuleisten sind. Außerdem muss er sich über einen Zeitraum von sechs Monaten der Aufsicht eines Betreuungshelfers unterstellen. Damitsoll erreicht werden, dass sich die "persönliche und berufliche Situation des Angeklagten stabilisiert", sagte der Richter. Das Jugendstrafrecht komme zur Anwendung, "weil Sie zum Tatzeitpunkt einem Jugendlichen näher gestanden haben als einem Erwachsenen".

Richter Dorner gab dem jungen Mann eindringliche Ratschläge für die Zukunft mit auf dem Weg. Allein sein Geständnis habe eine Freiheitsstrafe verhindert. Das nächste Mal allerdings würde es anders aussehen. "Ich hoffe, wir sehen uns hier nicht wieder, aber wenn Sie die Finger nicht von dem Zeug lassen, dann werden wir uns wiedersehen". Wichtigstes Thema sei jetzt, von den Drogen wegzukommen. Der Angeklagte nahm das Urteil ohne Zögern an. Die Übernahme der Gerichtskosten wurde ihm angesichts mangelnder Einkünfte erlassen.

© SZ vom 21.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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