Im Renaissance-Saal des Schlosses:Dachauer Ansichten im Quadrat

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Anders als früher bleibt die Kommunalpolitik bis auf wenige Ausnahmen der Vernissage der KVD-Ausstellung "2x2 Meter" fern.

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Vielleicht hat es an der fehlenden Internationalität der Schlossausstellung 2017 der Künstlervereinigung Dachau (KVD) gelegen. Auf der Vernissage beispielsweise im Jahr 2014, als es um die Begegnung mit indigener Kunst ging, beherrschten noch die Repräsentanten der Kommunalpolitik aus Stadt und Landkreis die Eröffnung. Am Sonntag waren ein paar wenige Stadträte und Kreisräte da, einige Unternehmer, aber sehr viele Kunstinteressierte. Die wurden von der Idee der Ausstellung angezogen, die aber gerade der Kommunalpolitik wertvolle Anregungen mitgeben hätte können. Daran dachten jedoch nur wenige, denn die KVD rückte ein streng formalistisches Thema in den Vordergrund: "2x2 Meter". Die Vereinigung beschränkte sich zudem - bis auf Pretta Fiore aus der Dachauer Partnerstadt Fondi in Italien - auf Mitglieder und Gäste aus dem oberbayerischen Raum.

Lotte weiß nicht genau, was sie vom Video halten soll, das der KVD-Vorsitzende Johannes Karl zeigt. Vielleicht kann es Papa Sebastian Pöllmann erklären, der ebenfalls im Schloss ausstellt. (Foto: Niels P. Joergensen)

Das Quadrat zählt zu den Formen, die kunstgeschichtlich aufgeladen sind und mitten hinein in die Entwicklung der konkreten und der abstrakten Kunst führen. Darauf verwies KVD-Vorsitzender Johannes Karl in seiner Rede. Der Vorstand habe Abstand zu inhaltlichen Vorgaben wie "1984" oder "Trautes Heim" der beiden vergangenen Jahre gesucht, weil sie die Herangehensweise geprägt hätten. Tatsächlich gelang es den Werken formal nicht, die notwendige innere Spannung zu erzeugen, die eine heterogene Ausstellung unterschiedlicher Stilrichtungen erfordert hätte.

Kunst und Gespräche auf der Vernissage der KVD im Dachauer Schloss. Im Hintergrund Silvia Kirchhofs Fotomontage "Climate Kids". (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) ironisierte das KVD-Thema, indem er seine Recherchen über zwei mal zwei Meter darlegte. Groß wirken vier Quadratmeter bei einem Kingsizebett, eher klein bei einem Studentenzimmer. Solche Räume werden ernsthaft im Internet annonciert. Für einen Bildhauer sind solche Dimensionen selbstverständlich, für einen Zeichner eher nicht. Mit der Bemerkung ist es ihm gelungen, das Bild von Sebastian Pöllmann vorwegzunehmen, der seine Figuren auf eine quadratische Folie projizierte. Dadurch bewahrt er den Eindruck einer Zeichnung. Er verleiht ihr einen irrealen Grundton, indem er die Figuren über Kopien künstlich vergrößerte. Auf einem ersten Rundgang durch die Ausstellung war Hartmann beeindruckt, dass Pöllmann einerseits kindlich zu zeichnen scheint. "Tatsächlich aber ein Kind das nicht kann."

Interessante Bezüge und Querverweise

Nicht nur er waren von der Ausstellung gerade wegen des einheitlichen und großzügigen Formats sichtlich angetan. Denn die Werke mussten nicht gegen den unüberwindlichen Renaissancesaal im Dachauer Schloss ankämpfen. Überraschenderweise eröffneten sie interessante Bezüge, Querverweise und Zitate auch zu Kunstrichtungen, die sich mit politischen und gesellschaftlich existenziellen Fragen befassen. Die Ausstellung wirkt inhaltlich stark, weil sie formal konsequent ist.

Simona Fabrittiis beugt sich über ihre eigene Installtion. (Foto: Niels P. Joergensen)

Die junge Videokünstlerin Simona de Fabritiis zeigt eine Installation in einem vier Quadratmeter großen Bett, aus dem Pflanzen hervorwachsen. Der ironische Kommentar zur Naturerfahrung begeisterte viele Besucher. Johannes Karl befasst sich mit dem barocken Gedanken der Vanitatis, also der Leere oder der Vergeblichkeit. Er zitiert damit Ambiente und kulturgeschichtlichen Hintergrund des Schlossgebäudes. Vor einem Herrschaftsgemälde zerfließt der Inhalt eines Eiscremebechers. Für einen kurzen Augenblick erkennt Hartmann eine Haartolle, die es gerade zu großer Berühmtheit bringt.

Strenges Publikum

Die kunstgeschichtlichen Hintergründe des Formats loten Annekathrin Norrmann, Paul Havermann, Katrin Schuff oder auch Uwe Jonas aus. Zu ihnen passt die Videoarbeit von Sascha Günay, der in einem filmischen Lichtexperiment Städte schweben lässt und den Dachauer Traditionsaspekt der Landschaftsmalerei interpretiert. Silvia Kirchhof überblendet ein angstvolles Gesicht in eine Stadtsilhouette. Dagegen erinnert Mette Therbild an die Streetart in ihren Anfängen der Achtziger Jahre, als ein Jean Basquiat eine Mischung aus Protest und neuer Formensprache präsentierte. Die Zeichen und Chiffren bestehen auch gegen die Nobilitierung einer golden schimmernden Wand. Zwischen diesen Polen changieren Klaus Herbrich, Gabriel Middelmann und Ines Seidel mit reliefartigen Objekten. Dass das Quadrat auch klassische Malerei zusammenhält belegen Florian Baumgartner, Peter Schaller, Pretta Fiore oder Stefan Wehmeier.

Das Bild von Peter Schaller "Battersea Powerstaion" erinnert verdächtig an MD. (Foto: Niels P. Joergensen)

Am Sonntag auf der Vernissage bestand die Ausstellung vor den wirklich sehr strengen Augen des Publikums. Dem gefiel es, dass das Motiv der Einladungskarte (zwei Meterstäbe) konsequent in einen quadratischen Kasten präsentiert wurde. Die Konsequenz des Quadrats hätten sie sich auch für die Namensliste auf einem bloßem Din-A 4-Blatt gewünscht. Ganz hervorragend kam die Neuheit an, die Namen der Künstler in Bild und Selbstverständnis als Tafelbild zu präsentieren. Selbstverständlich quadratisch.

© SZ vom 07.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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