Hilgertshausen-Tandern:Sieg des Gemeinsinns

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Markus Hertlein (2. v. l.) setzte sich gegen Norbert Schneider (r.) mit 64,4 Prozent der Stimmen durch. Der noch amtierende Bürgermeister Hans Kornprobst (l.) und Landrat Stefan Löwl gratulierten. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der politischen Stimmung in Hilgertshausen-Tandern hat das faire Duell zwischen Markus Hertlein und Norbert Schneider gut getan.

Von Benjamin Emonts, Hilgertshausen-Tandern

Als alle noch gespannt auf das Ergebnis der Bürgermeisterwahl warten, kommt das leidige alte Thema im Rathaus doch noch zur Sprache. Gefragt nach der Tanderner Wahlbeteiligung hatte der Dachauer Landrat Stefan Löwl (CSU) süffisant darauf hingewiesen, dass die Tanderner von Beginn der Achtziger bis ins Jahr 1996 überhaupt nicht wählten, weil sie sich in der Zwangsehe mit Hilgertshausen benachteiligt fühlten. Die Rede ist dann sogar von einem Kanonenofen, in dem die Tanderner ihre Wahlzettel verbrannt hätten. Der zweite Bürgermeister Adi Doldi (CSU) aber beendet den Diskurs. "Das war völlig blödsinnig", sagt er über die jahrzehntelange Feindschaft. Thema beendet.

Gewissermaßen haben die Tanderner mit ihrer Wahlbeteiligung nun selbst ein Zeichen für ein friedvolleres politisches Miteinander gesetzt. Die Wahlbeteiligung im Stimmbezirk Tandern lag bei 64 Prozent, obwohl beide Kandidaten aus dem Nachbarort Hilgertshausen stammen. "Das ist eine sehr gute Wahlbeteiligung", sagt Hans Glas von der Bürgerliste Tandern. Bürgermeister Doldi aus Tandern zollt seinem Dorf ebenfalls Respekt. Und der aus gesundheitlichen Gründen am 30. April scheidende Bürgermeister Hans Kornprobst (CSU), der sich stets als Moderator zwischen beiden Ortsteilen verstanden hat, frohlockt: "Eine tolle Sache."

Der parteilose Markus Hertlein, 45, hat die Wahl mit 64,4 Prozent der Wählerstimmen gewonnen. Insgesamt liegt die Wahlbeteiligung bei 69,5 Prozent, das sind sechs Prozent mehr als bei den vergangenen Kommunalwahlen. Dass dies ein großer Erfolg ist, darüber sind sich am Sonntagabend alle einig. Als Grund für das enorme politische Interesse der Bürger machen die Kommunalpolitiker den spannenden Wahlkampf aus. "Das war ein toller, anständiger Wahlkampf. Wir konnten zwei richtig gute Kandidaten präsentieren", sagt Bürgermeister Kornprobst. Sein derzeitiger Stellvertreter Doldi (CSU) befindet mit Verweis auf den extrem feindseligen Wahlkampf, der in den USA geführt wurde: "Es geht auch anders." Und Landrat Löwl bestätigt: "Ein schöner, fairer Wahlkampf. So soll das sein."

Schneiders Kandidatur war ein Glücksfall

Dabei sieht es zunächst so aus, als würde der Wahlkampf wie schon bei der letzten Bürgermeisterwahl, als nur Kornprobst antrat, zur One-Man-Show. Der parteilose Markus Herltlein hatte sich in einer internen Vorwahl der Wählergemeinschaft Hilgertshausen-Tandern (WGHT) deutlich gegen Norbert Schneider (CSU) und die parteilosen Johann Pröbstl und Max Demmelmair durchgesetzt. Der 40-jährige Schneider aber kandidierte trotzdem und gründete eine eigene Wählergruppierung, die Bürgerunion.

Schneiders Kandidatur stellt sich für die gesamte Gemeinde als Glücksfall heraus. Plötzlich haben die Bürger eine echte Wahl, was ihr politisches Interesse zusehends weckt. Zu Markus Hertleins Nominierungsveranstaltung kommen mehr als 260 Bürger aus der ganzen Gemeinde ins völlig überfüllte Gasthaus Häuserer, um den Kandidaten kennenzulernen. Auch bei Schneiders Veranstaltung waren es immerhin 140. Niemand im Dorf hatte mit einem so großen Interesse gerechnet.

Es wurde angereichert durch die zwei völlig verschiedenen Charaktere, die gegeneinander antraten. Auf der einen Seite der dynamische Schreinermeister Norbert Schneider, ein ehemaliger Fußballer und Feuerwehrler, der in seinem Heimatdorf Hilgertshausen bestens vernetzt ist. Und auf der anderen Seite der Wirtschafts- und Bauingenieur Markus Hertlein, der als Auswärtiger vor zwölf Jahren in die im Ort verwurzelte Familie Keimel eingeheiratet hat und keine Gelegenheit ausließ, auf seine fachliche Kompetenz hinzuweisen.

"Der Norbert hat Vollgas gegeben"

Auch die jeweils drei Wahlkampfveranstaltungen der Kandidaten in Tandern, Hilgertshausen und Niederdorf waren mit 50 und mehr Bürgern ordentlich besucht. Schneider startete zudem Aktionen beispielsweise in der ortsansässigen Bäckerei, wo er an die Damen Prosecco mit seinem Konterfei verteilte. Beide Kandidaten verlangten sich in dem Wahlkampf alles ab - oder wie Hertlein es formulierte: "Der Norbert hat Vollgas gegeben. Das war richtig anstrengend." Die Nutznießer sind jedenfalls die Gemeindebürger, die bemerkt haben, dass Kommunalpolitik richtig spannend sein kann.

Zu hinterfragen ist, weshalb der aus Hilgertshausen stammende Schneider ausgerechnet Tandern als einzigen Stimmbezirk mit 57 Prozent relativ deutlich gewonnen hat. Sein gutes Ergebnis könnte nach Ansicht vieler in engem Zusammenhang mit einer Veranstaltung stehen, welche die Bürgerliste Tandern kurz vor der Wahl in Tandern auf die Beine gestellt hat. Zunächst sollen dort beide Kandidaten objektiv vorgestellt worden sein: ihre Lebensläufe, ihr politischer Background und die Ziele, wofür sie stehen. Als Bürger schließlich nachfragten, wen sie denn nun wählen sollten, gab die Bürgerliste angeblich eine klare Wahlempfehlung für Norbert Schneider. Mit Markus Hertlein als Bürgermeister, so lautete der Tenor, sei zu befürchten, dass die "Machtfülle" der hilgertshausenlastigen WGHT, der mit Abstand größten Fraktion im Gemeinderat, noch größer würde. Schneider hingegen müsste sich ohne Fraktion im Rücken Mehrheiten suchen, während Hertlein womöglich Politik im Sinne der WGHT machen würde - zum Nachteil der Tanderner.

Jetzt muss Hertlein liefern

Der Zusammenhang zwischen der Wahlempfehlung und Schneiders gutem Abschneiden in Tandern ist natürlich schwer zu beweisen. Der ebenfalls auf der Veranstaltung anwesende Hertlein ist am Sonntag nach seinem Wahlsieg enttäuscht über das Vorgehen: "Ich fand das nicht so gut, zumal eine Woche vor der Wahl." Der WGHT-Sprecher Werner Kerzel springt ihm zur Seite: "Es ist schade, dass von der Bürgerliste so eine Empfehlung ausgesprochen wurde und wir teilweise als die Bösen dargestellt werden", sagt er. Hans Glas von der Bürgerliste Tandern sagt am Montag: "Wir denken, dass es beide können." Gleichzeitig aber gibt er zu verstehen, dass Hertleins Arbeit nun auf den Prüfstand gestellt werde: "Es stehen ja große Aufgaben in der Gemeinde an. Wir werden sehen, wie er seinen Job macht. Er muss sich an seinen Aussagen messen lassen, dass er als Auswärtiger neutral zwischen beiden Ortsteilen ist."

Der Landtagsabgeordnete und SPD-Gemeinderat Martin Güll wirkt am Sonntag sehr zufrieden mit dem Votum der Bürger: "Hertlein ist eine gute Entscheidung und für die anstehenden Aufgaben eine gute Perspektive." WGHT-Sprecher Werner Kerzel hat sich den Montag in weiser Voraussicht frei genommen, um den Wahlsieg feiern zu können. "Hertlein bringt alle Voraussetzungen mit. Ich habe schon vor eineinhalb Monaten getippt, dass das Ergebnis so deutlich wird." Peter Schadl von der CSU Tandern sagt: "Der Wählerwille hat immer Recht. Wir haben jetzt einen guten Bürgermeister."

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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