Hilgertshausen-Tandern:Ganz wild auf Politik

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"Es liegt viel Arbeit vor mir", sagt Markus Hertlein, der sich in den kommenden Wochen in der Gemeinde noch bekannter machen will. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Vorstellung des Hilgertshausener Bürgermeisterkandidaten Markus Hertlein zieht mehr als 230 Neugierige an

Von Benjamin Emonts, Hilgertshausen-Tandern

Im Gasthaus Häuserer sollen in den Achtzigerjahren legendäre Partys stattgefunden haben. Schlagerbands wie Die Flippers traten hier auf, die Stimmung kochte, der Saal quoll regelrecht über, so wird noch heute erzählt. Am Donnerstagabend kommen die Erinnerungen an die wilden Nächte bei vielen wieder hoch. Vor dem Häuserer findet sich kein einziger Parkplatz, vor dem Saal bildet sich ein meterlanger Menschenstau, und die Garderobe ist so hoffnungslos überfüllt, dass ein Nebenraum zweckentfremdet werden muss. Doch die 230 Leute sind nicht etwa gekommen, weil die Flippers ihr großes Revival feiern - sie nehmen an einer kommunalpolitischen Veranstaltung teil.

Der Mann, wegen dem sie bei minus neun Grad ihr Haus verlassen haben, tippelt unruhig hin und her, er wischt sich den Schweiß von der Stirn. Bis vor einer Woche sah noch alles danach aus, als wäre er der einzige Kandidat für die Nachfolge von Bürgermeister Hans Kornprobst (CSU), der am 30. April aus gesundheitlichen Gründen zurücktritt. Eine interne Vorwahl der Wählergruppierung Hilgertshausen-Tandern hatte er mit einer Zweidrittel-Mehrheit klar gewonnen. Doch der zweitplatzierte Schreinermeister Norbert Schneider wollte die Niederlage nicht hinnehmen und gründete kurzerhand eine eigene Wählergruppierung: die Bürgerunion. Am vergangenen Dienstag nominierten ihn 43 Bürger offiziell zum Bürgermeisterkandidaten. Schneider benötigt jetzt noch 80 Unterschriften; die Listen liegen im Rathaus aus.

Markus Hertlein, 45, Typ Karrieremensch, hat unverhofft Konkurrenz bekommen, was seiner Nominierungsveranstaltung eine besondere Würze verleiht. "Wer ist dieser Hertlein?", fragen sich viele. Dass Hertlein sich nun 230 Leuten vorstellen soll und einen möglichst bleibenden Eindruck hinterlassen will, geht nicht spurlos an ihm vorbei, er schwitzt, wie gesagt. Die neugierige Menge, zu der er gleich sprechen wird, ist bester Stimmung. Fast jeder hat ein Weißbier vor sich stehen, es riecht nach Currywurst, und der Lärmpegel erinnert eher an ein Bierzelt als an einen kargen Wirtssaal irgendwo im Dachauer Hinterland. Altbürgermeister und Ehrenbürger Hermann Zanker, der immerhin 24 Jahre im Amt war, kann sich nicht erinnern, wann es im Häuserer zuletzt derart zuging. Anerkennend, ja fast schon ungläubig verzieht er den Mund: "Das ist schon beachtlich."

Hertlein findet gut hinein in seine Rede. "I bin da Markus Hertlein und do bin i dahoam", schwäbelt er in Anlehnung an den bekannten Spot des Bayerischen Fernsehens. Und erntet lauten Applaus. Hertlein will den Tandernern und Hilgertshausenern schmeicheln. Gebürtig im bayerischen Schwaben habe er in der Gemeinde seine neue Heimat gefunden, sagt er, obwohl er doch ein "Zuagroaster" sei. "Ich habe die Gemeinde in mein Herz geschlossen und fühle mich hier pudelwohl." Er denkt zurück, wie er vor 20 Jahren das erste Mal nach Hilgertshausen kam mit seiner heutigen Ehefrau, der Tochter der alteingesessenen Familie Keimel, Hausname Feinemo. "Die Straßen wurden immer kleiner und kurviger", erinnert er sich. Irgendwann, hinter einem Waldstück, habe er dann das Örtchen Hilgertshausen erblickt. Es war so etwas wie Liebe auf den ersten Blick, will er damit wohl sagen.

Seinen Lebenslauf, der durchaus zeitfüllend wäre, hält er bewusst kurz, um der lockeren Stimmung keinen Abbruch zu tun. Nur so viel: Er war bei der Bundeswehr, hat später Bauingenieur- und Wirtschaftsingenieurwesen studiert und ist in der Welt schon ziemlich viel herumgekommen. Er bezeichnet sich als "kompetent, fair und engagiert." Seine beruflichen Fähigkeiten wolle er nicht aus Eigeninteresse, sondern zum Wohl aller Bürger einbringen und die Gemeinde lebenswerter gestalten. Finanzielle Anreize könne ihm das Bürgermeisteramt nicht bieten. Durch sein Engagement würde sich sein Einkommen eher verringern, deutet er an. Am Ende nominieren ihn 139 von 230 Zuhörern zum offiziellen Kandidaten der WGHT. "Ein großer Erfolg", sagt Hertlein, ein wenig verausgabt.

Ein Sieger des Wahlkampfes steht bereits fest: die Gemeinde Hilgertshausen-Tandern. Wirklich niemand hatte damit gerechnet, dass sich aus der Gemeinde so viele Menschen bei Eiseskälte zu einer Nominierungsversammlung bewegen würden, bei der es eigentlich nur um die Vorstellung eines Kandidaten geht. Ein 21-jähriger Zuschauer sagt staatstragend: "Man muss sich schon beide Kandidaten ansehen, bevor man sich entscheidet. Meine Stimme kann ja entscheidend sein." Der gut aufgelegte Bürgermeister Hans Kornprobst findet: "Es ist toll und überraschend, dass sich so viele Bürger der Wahl stellen." Er hält beide Kandidaten für geeignet. "Das sind keine Spinner, keine Abgehobenen."

Aus Tandern tritt kein Kandidat an. Als Vertreter des zahlenmäßig deutlich kleineren Ortsteils wäre das Unterfangen aussichtslos. Die Hilgertshausener, die 1978 mit Tandern eine Zwangsehe eingehen mussten, wählen immer noch ihre eigenen Leute - die jahrelange Feindschaft beider Ortsteile wirkt immer noch nach. Der Tanderner Gemeinderat Hans Glas (Bürgerliste) glaubt immerhin: "Es kann gut sein, dass die Wahl in Tandern entschieden wird." Er grinst dabei über das ganze Gesicht.

© SZ vom 21.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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