Haimhausen:Wenn Hobby-Archäologen goldrichtig liegen

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Jahrelang kämpfte Manfred Moosauer gegen Verleumdungen, der von ihm geborgene Schatz aus dem bronzezeitlichen Bernstorf sei eine Fälschung. Die Echtheit des Sensationsfunds steht inzwischen außer Frage. Doch die späte Rehabilitation heilt nicht alle Wunden

Von Helmut Zeller, Haimhausen

Eigentlich müsste Manfred Moosauer doch jubelnd aufspringen, vielleicht, weil es seine Seele seit jeher nach Griechenland zieht, sogar ein paar Tanzschritte purer Lebensfreude wie Alexis Sorbas hinlegen. Aber das ist eben kein Film, sondern die Realität. Eine bittere seit vielen Jahren. Vielleicht ist der Hobbyarchäologe und Arzt aus Haimhausen erschöpft von dem langen Kampf gegen die Verleumdungen. Seine Gold- und Bernsteinfunde aus dem bronzezeitlichen Bernstorf sollen gefälscht sein - diesen Vorwurf las er in Presseartikeln, hörte er in Fernsehsendungen und spürte er in den Blicken von Menschen. Jetzt, nach intensiven Forschungen, ist die ganze Fake-Blase geplatzt: Die Funde sind zweifelsfrei echt. Manfred Moosauer bleibt im Moment seines Triumphes ganz ruhig, wirkt in sich gekehrt, fast traurig. "Es reicht schon, dass die Traudl nicht mehr da ist, ich will meine Ruhe." Die verbleibenden Jahre, sagt er, wolle er seinen Projekten in Griechenland widmen. Er hat Verbindungen mit Thessalien, der Peloponnes und Kreta. "Das ist seit 41 Jahren meine zweite Heimat."

Ehrenrettung kommt zu spät

Die Geschichte um die angeblichen Fälschungen zeichnet ein abschreckendes Bild vom Wissenschaftsbetrieb. In dieser Woche wurden die neuen Forschungsergebnisse in einem Band der Archäologischen Staatssammlung München vorgestellt. Deren Leiter Rupert Gebhard und der Frankfurter Archäologie-Professor Rüdiger Krause haben ihn herausgegeben. Die beiden Experten sehen "kein einziges stichhaltiges Argument" für den Vorwurf neuzeitlicher Fälschungen. Der 73-jährige Moosauer blättert in dem 319 Seiten starken Buch, auf das er schon seit Monaten ungeduldig gewartet hat. Aber jetzt lenkt er den Blick nicht auf die wissenschaftlichen Aussagen, sondern auf die Widmung: "Im Andenken an Traudl Bachmaier, gestorben 24. November 2016." Für seine Mitstreiterin, die 72 Jahre alt wurde, kam die Ehrenrettung zu spät.

Manchmal, wenn Manfred Moosauer durch sein Haus geht, spricht er mit ihr, schimpft sie auch. Warum gerade jetzt? Ihr Tod hat ein Gefühl der Leere hinterlassen. Rupert Gebhard wird er diese Geste nie vergessen. Kurz vor dem Druck des Buches hat Gebhard schnell noch die Widmung reingeschoben. Die Staatssammlung bewahrt auch Bachmaiers Grabungstagebücher auf. "Traudl war meine beste fachliche Beraterin und eine hervorragende Grabungstechnikerin", sagt Moosauer. Vor allem aber war die großartige Frau eine Freundin Moosauers und seiner Familie.

Die Geste Gebhards ist auch eine Verbeugung der Archäologie vor den Amateuren der Zunft, die nicht selten und wie in diesem Fall zu Unrecht angefeindet werden. Es war aber auch eine Sternstunde der Archäologie, als Manfred Moosauer und Traudl Bachmaier im Jahr 1998 Goldschmuck und Bernsteinstücke im Boden der bronzezeitlichen Befestigung Bernstorf bei Kranzberg im Landkreis Freising fanden. Darunter war ein goldenes Diadem, die älteste Krone Mitteleuropas, sowie zwei Bernsteinobjekte mit Gravuren: ein bärtiges Gesicht und eine vergangenes Jahr entzifferte Inschrift in der frühgriechischen Linear-B-Schrift. Davor hatten die beiden Hobbyarchäologen schon die Überreste des "bayerischen Troja" entdeckt - und vor der endgültigen Zerstörung durch ein Kiesabbauunternehmen gerettet.

Wunderbarer Erfolg

Rüdiger Krause hat selbst von 2010 bis 2014 in Bernstorf gegraben: Der Hügel über der Amper mit seinem 1,6 Kilometer langen Holz-Erde-Wall aus dem 14. Jahrhundert vor Christus trug die größte Befestigungsanlage dieser Epoche nördlich der Alpen, ein wichtiger Ort auf der Transferroute zwischen Mittelmeer und Nordeuropa. Die Funde belegen einen intensiven Austausch zwischen den Kulturen des Mittelmeerraums und dem Norden in der Bronzezeit. Kupfer und Gold gingen nach Norden, Bernstein von der Ostseeküste in den Süden. Moosauer zitiert den Archäologen Bernhard Hänsel: "Wir spüren den Geist Mykenes in ganz Mitteleuropa, aber wir können ihn nicht dingfest machen. Und das ist jetzt mit Bernstorf möglich." Ein wunderbarer Erfolg für Moosauer, der sich seit seiner Jugend für die Archäologie begeisterte. Fachleute bewerteten die Funde als sensationell und von großem Wert für die Forschung.

"Kein vernünftiger Archäologe hätte jemals einen Fälschungsvorwurf erhoben", sagt Hourig Sourouzian. Ihr Mann Rainer Stadelmann, ehemaliger wissenschaftlicher Direktor am Deutschen Archäologischen Institut in Kairo, pflichtet ihr bei. Hourig Sourouzian ist nicht irgendwer, sondern Grabungsleiterin in der Tempelanlage des Amenophis III. Im Jahr 2009 grub ihr Team eine Kolossalstatue des Pharaos aus. Dann entdeckte es den dazugehörigen über zwei Meter großen Kopf. Über Bernstorf sagt die renommierte Archäologin noch: "Das ist eine großartige Entdeckung, über die man sich freuen sollte.

Was trieb sie zum Fälschungsvorwurf?

Aber nicht alle freuten sich. Vernünftige Archäologen sind auch Harald Meller, Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, und Ernst Pernicka, österreichischer Chemiker, der sich auf Archäometrie spezialisiert hat. Was aber trieb sie dann zu ihrem Fälschungsvorwurf? Pernicka behauptete nach eigenen Untersuchungen, das Bernstorfer Gold sei von einer Reinheit, die mit bronzezeitlichen Methoden nicht zu erreichen gewesen wäre. Auch die zwei gravierten Bernsteine seien Fälschungen, weil entsprechende Darstellungen und Schriftzeichen bisher unbekannt sind - das klingt für Wissenschaftler etwas seltsam, die doch auf der Suche nach neuen Erkenntnissen sind.

Hourig Sourouzian und ihr Mann waren entsetzt, als Pernicka und Meller öffentlich von Fälschung sprachen. "Das war unverschämt gegenüber Manfred Moosauer, aber auch gegenüber großartigen Wissenschaftlern wie Rupert Gebhard und Rüdiger Krause." Tatsächlich traf es nicht nur die Finder. Es ging auch um das Renommee der Archäologischen Staatssammlung in München. Die Vorwürfe implizierten, dass der Freistaat Bayern viel Geld für nichts ausgegeben hätte. Der Leiter Rupert Gebhard wäre wissenschaftlich angeschlagen gewesen - sein Posten ist in der Branche hoch angesehen. Nicht nur das Archäologen-Ehepaar reagierte entsetzt. Amerikanische und ägyptische Kollegen, wie es sagt, schüttelten den Kopf über diese Fake-Geschichte. In Griechenland, sagt Moosauer, hätten die Funde von Bernstorf von Anfang an große Aufmerksamkeit bei Archäologen gefunden.

Neid und Rivalität

Der wissenschaftliche Fortschritt lebt ohne Zweifel von Kontroversen - in diesem Fall drängt sich jedoch der Eindruck auf, dass auch die Archäologie nicht gerade frei von Neid und Rivalität ist. Alle Hintergründe werden sich nicht mehr genau feststellen lassen, aber die Publikation der Staatssammlung liest sich zwischen den Zeilen wie ein Wissenschaftskrimi. Auch sind im Anhang aufschlussreiche Briefwechsel und Aktenvermerke von beteiligten Behörden veröffentlicht.

Mit 72 Jahren ist Traudl Bachmeier unerwartet nach kurzer schwerer Krankheit gestorben. Die Haimhausener trauern um die einzigartige Hobbyarchäologin. (Foto: Privat/OH)

Ein Mitarbeiter des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege etwa faselt in einem Aktenvermerk davon, dass Manfred Moosauer Anfang 2000 mit einer Hellseherin im Amt aufgetaucht sein soll. Nun ist der Haimhausener zwar dem Leben in all seinen Facetten aufgeschlossen, aber seine Leidenschaft, die Archäologie und die Medizin, übt er dann doch lieber mit klarer Diagnostik aus als mit einer Glaskugel in der Hand. Interessant ist auch, dass die wissenschaftliche Kritik bereits ein Vorspiel hatte. Erwin Neumair, Vorsitzender des Archäologischen Vereins Freising, soll gar nicht so glücklich über den Erfolg seiner Mitglieder Moosauer und Bachmaier gewesen sein und hat Zweifel an der Echtheit ihrer Funde gestreut. Nicht jedem war die Leidenschaft und Beharrlichkeit willkommen, mit der Moosauer seine Projekte, etwa das "Bronzezeit Bayern Museums" in Kranzberg verfolgte.

Glückliches Ende

In detaillierten Untersuchungen werden nun all die Vorwürfe, die Moosauer und Bachmaier das Leben schwer machten, von einer Reihe Wissenschaftler als unbegründet entlarvt. Tatsache ist: Es gibt nicht nur vergleichbare Fundstücke mit ähnlich reinem Gold. Außerdem wurden, wie nachgewiesen wird, derartige Methoden der Goldbearbeitung in der Bronzezeit durchaus angewandt. Die Goldfunde wurden unter einem Rasterelektronenmikroskop untersucht - dem Forscherauge tat sich eine "Mondlandschaft" auf. Solche Veränderungen seien typisch für antike Goldfunde, sagt Gebhard. Modernes, gewalztes Gold sehe völlig anders aus. Den Kritikern wird auch ein zweifelhaftes methodologisches Vorgehen bei ihrer Bewertung der Funde nachgewiesen.

Wer glaubt, Moosauer würde nun im Triumph auf seine Widersacher einschlagen, kennt ihn nicht. Das ist nicht sein Stil, aber so viel sagt er doch: "Über allem Wissen steht das Können und darüber der Charakter. Das war unser Praxis-Leitspruch. Bei diesen Leuten vermisse ich alle drei Punkte, und ich werde mich daher nicht mehr auf sie einlassen. Ich mag mich dazu nicht mehr äußern - auch nicht zur Scheibe von Nebra." Die Himmelsscheibe von Nebra, die von Grabräubern gefunden wurde, gilt als der wichtigste archäologische Fund aus der Bronzezeit Mitteleuropas. Ihr Alter wird auf 3700 bis 4100 Jahre geschätzt, seit 2013 gehört sie zum Unesco-Weltdokumentenerbe. Landesarchäologe Harald Meller hatte sie 2002 aus der Hand von Hehlern gerettet.

Die böse Geschichte um Bernstorf jedenfalls hat ein glückliches Ende gefunden. Manfred Moosauer wirkt gar nicht mehr so traurig. Ihn lockt schon wieder, das sagt sein Blick, die Welt, die noch viele Entdeckungen bereithält. Und Traudl Bachmaier? "Sie lebt ewig auch in der Forschung über unser Bernstorf weiter", hat Moosauer einem Freund geschrieben.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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