Dachau-Ost:Stadt strapaziert die Geduld der Unternehmer

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Gern würden Firmen wie Maytec oder NAT ihre Betriebe erweitern und sogar in ein Kinderhaus investieren - doch die Verhandlungen ziehen sich.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Ein Lieblingsthema der Dachauer Stadträte ist die Ansiedlung und die Förderung von Unternehmen. Die Stadt braucht dringend Gewerbesteuereinnahmen. Sie muss die Infrastruktur an die stetig wachsende Einwohnerzahl anpassen und das kostet viel Geld. Im nächsten Jahr kommt Dachau wohl nicht mehr darum herum, einen Kredit aufzunehmen.

Doch auch wenn der Bauausschuss das Planverfahren für die Bebauung zwischen Siemensstraße und Schleißheimer Straße extra vorgezogen hat, für die Unternehmen geht es noch zu langsam. Grundsätzlich sind Firmen wie Maytec oder NAT zufrieden in Dachau: die gute Verkehrsanbindung, die Nähe zum Flughafen. Doch sie sagen auch klar: "Wenn wir uns hier irgendwann nicht mehr ausdehnen können, dann müssen wir über einen anderen Standort nachdenken". Das meint Claudia Tauber, Vorstandschefin der Anlagentechnik Firma NAT in Dachau-Ost. Ganz ähnlich sagt es auch der Geschäftsführer Dieter Ley von Maytec. Die Firma Thorlabs hat die Konsequenzen schon gezogen und siedelt 2018 nach Bergkirchen um.

Wenig Verständnis für lange Verhandlungen

Im Moment sieht es für Maytec ganz gut aus. Im vergangenen Bauausschuss wurde der Vorentwurf für den Bebauungsplan "Südlich Siemensstraße" gebilligt. Dort will sich das Unternehmen für Aluminium-Systemtechnik vergrößern. Etwa 50 neue Arbeitsplätze könnten dann entstehen, viel für einen Betrieb, der jetzt 80 Beschäftigte hat. Den Antrag auf Erweiterung habe er noch bei Oberbürgermeister Peter Bürgel (CSU) gestellt. Erst im Frühjahr 2015 fiel dann der Beschluss, die städtischen Grundstücke als Gewerbegebiet auszuweisen, nun gibt es den Vorentwurf. Gemessen an anderen Projekten in Dachau ging das tatsächlich schnell.

Aber aus Unternehmersicht drängt die Zeit. "Wir müssen das in spätestens zwei Jahren stehen haben", sagt Ley. Seit 2000 ist er mit seiner Firma in Dachau, zwischendurch zog er schon einmal nach Vierkirchen um, konnte aber von den Lokalpolitikern überzeugt werden, zurück zu kommen. Auch Claudia Tauber hat wenig Verständnis für die langen Verhandlungen mit der Stadt. "Ich bin enttäuscht", sagt sie. Seit zwei Jahren versucht sie, das Nachbargrundstück an der Kopernikusstraße zu kaufen, es gehört der Stadt. "Wir brauchen die Fläche für eine mögliche Erweiterung", sagt Tauber. "Ich möchte Parkplätze schaffen und habe sogar vorgeschlagen, ein Kinderhaus einzurichten." Die Mitarbeiterstellplätze reichen nicht aus und die Straße ist oft von Lkws zugeparkt. Das beklagen auch Maytec und Thorlabs.

Wohin sollen sich die Hightech-Unternehmen im Gewerbegebiet Dachau-Ost noch erweitern können? Diese Frage muss die Stadt sehr bald beantworten. (Foto: Toni Heigl)

Der Elektronikhersteller wird Dachau 2018 verlassen und nach Bergkirchen in das Gewerbegebiet Gada ziehen. Dann werden die Steuereinnahmen der 7900-Einwohner-Gemeinde weiter in die Höhe steigen und die 46 000-Einwohner-Stadt Dachau hat das Nachsehen. Bergkirchen ist ein attraktiver Standort, das sieht auch Claudia Tauber so, obwohl ein Umzug für sie zur Zeit kein Thema ist. Beide Firmen aber fühlen sich zu wenig unterstützt, wenn es etwa um Kinderbetreuung oder den öffentlichen Nahverkehr geht.

Umständliche Busschleifen

So nutzen einige NAT- und Thorlabs-Mitarbeiter die öffentlichen Verkehrsmittel. Was sie stört ist, dass sie dabei vom S-Bahnhof aus auf den Bus 726 angewiesen sind, der 20 Minuten braucht und umständliche Schleifen über die Gedenkstätte und durch das Gewerbegebiet fährt. "Uns würde eine direktere Verbindung helfen oder ein Bus, der nicht überall hält", sagt Personalleiterin Juliane Handschuh. "Je mehr Firmen und Mitarbeiter wir hier haben, desto eher kann etwas verbessert werden", sagt Dieter Ley. Auch einige seiner Angestellten nutzen den Nahverkehr. "Zukunftsträchtig" findet er den Ausbau der Radwege. "Das Fahrrad gewinnt wieder an Bedeutung."

Eine Sorge, die nahezu alle Firmen teilen, ist die Suche nach geeigneten Mitarbeitern. Die Konkurrenz um die besten Kräfte sei groß, sagt Tauber. Der Mittelstand hat es in einer Gegend, in der beinahe Vollbeschäftigung herrscht, besonders schwer, sich gegen die Riesen MAN, BMW oder Siemens zu behaupten. Deshalb wollen gerade die mittelständischen Betriebe ihren Angestellten etwas bieten. Thorlabs hat 200 Mitarbeiter, NAT an allen fünf Standorten in Deutschland zusammen etwa 350.

Claudia Tauber. (Foto: Annette Hempfling, oh)

"Der Verkehr hier ist beängstigend"

Kinderbetreuung ist etwas, dass die Firmen beispielsweise anbieten wollen. Tauber erzählt von ihrer Idee, gemeinsam mit anderen Unternehmen in ein Kinderhaus zu investieren. Doch das scheint an schwierigen rechtlichen Auflagen zu scheitern und auch an der Stadt Dachau. "Dort hätten nur Kinder hingehen sollen, die aus Dachau kommen", sagt Tauber. "Meine Mitarbeiter kommen aber auch nicht alle von hier." Wie bei Thorlabs und Maytec pendeln viele aus dem Landkreis oder aus München nach Dachau.

Genau deshalb wird bei allen Anliegen an den Nahverkehr bei den Firmen auch die Ost-Umfahrung als sinnvoll angesehen. Diese könnte die Alte Römerstraße entlasten, findet Dieter Ley. Er sieht das Verkehrsproblem etwas grundsätzlicher: Aus seiner Sicht ist das gesamte Gewerbegebiet Dachau-Ost falsch dimensioniert. Zu klein. Viele Autohändler, selbst der Supermarkt hätten keine Ladezone, ihre Lieferfahrzeuge versperren die Straße. "Der Verkehr hier ist beängstigend." Leys Firma schickt selbst täglich etwa 20 Lastwagen auf die Straße, aus- und eingeladen wird aber auf dem eigenen Hof.

Alle Ansprüche unter einen Hut zu bringen, ist schwierig

Im Stadtrat ist das Thema Ostumfahrung eigentlich schon fast gestorben, laut einer Studie liegt die Entlastung bei etwa vier Prozent. Ein neues Gewicht wird MAN in die Debatte bringen. Der Nutzfahrzeughersteller baut gerade in Dachau sein neues Rechenzentrum und wird damit noch mehr Arbeitsplätze in die Stadt bringen. Dafür aber will das Unternehmen, das sich Gedanken über umweltfreundlichen Transport, Betriebsbusse, Nahverkehr und Förderung des Radverkehrs macht,allerdings etwas sehen.

Dieter Ley zeigt aber auch Verständnis für die Stadt. Die Lokalpolitik habe die schwierige Aufgabe, alle Ansprüche unter einen Hut zu bringen, die der Firmen, der Anwohner, der Umweltschützer. Doch letztlich, sagt er, "braucht es immer eine Führungskraft, die etwas durchsetzt." Die Anpacker-Mentalität und das Verwaltungsarbeiten der Stadt passen offenbar nicht zusammen. Tauber fühlt sich mit ihrem Kaufanliegen immer nur vertröstet. Juliane Handschuh von Thorlabs sagt nur: "Die Stadt kennt unsere Probleme." An mangelnder Kommunikation liegt es nicht. "Aber es müssen Entscheidungen getroffen werden", sagt Tauber.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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