Gestörte Ruhe:Raser jagen nachts durch Karlsfeld

Lesezeit: 2 min

Am Burgfrieden soll Beobachtungen von Anwohnern zufolge der Treffpunkt der Raser sein, die nachts Karlsfeld unsicher machen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Klagen der Bürger über illegale Autorennen vor allem auf der Münchner Straße reißen nicht ab. Verkehrsreferent Johann Willibald verlangt, dass die Polizei hart durchgreift, die sieht aber überhaupt kein Problem

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Die Nacht senkt sich über Karlsfeld, nach einem heißen Junitag kehrt endlich Ruhe ein. Doch nicht für lange. Es ist 23 Uhr, Birgit Piroué sitzt gerade im Garten von Freunden nahe der Steinernen Brücke, da geht es los, ein Höllenlärm. Die Raser sind wieder unterwegs, sie treiben ihre getunten Autos auf maximale Drehzahl, brettern über die breite, jetzt fast menschenleere Münchner Straße. Schon auf der Bürgerversammlung im Mai hatten Anwohner geklagt, dass nachts Rennen im Ort ausgetragen würden. Gerast wird aber nicht nur auf der Münchner Straße. "Rennen bekommt man auch in der Allacher Straße mit und im Gewerbegebiet", sagt Verkehrsreferent Johann Willibald (CSU). "Die Leute werden immer unverfrorener und unverschämter." Er fordert ein hartes und konsequentes Durchgreifen gegen die Missetäter und steht damit im Gemeinderat keineswegs alleine. Die Karlsfelder haben die Nase voll.

Für die Verkehrswacht der Polizei Dachau sind die Klagen über Rennen nicht neu. Die höre man immer wieder, sagt der zuständige Beamte Richard Wacht, auch aus anderen Orten im Landkreis. Nur gebe es für diese Behauptung keinerlei Belege. Natürlich gebe es Raser und immer wieder Geschwindigkeitsverstöße, aber das seien Einzelfälle, kein flächendeckendes Phänomen. "Wir sind ja auch in zivil unterwegs." Wenn es wirklich so schlimm wäre, wie behauptet werde, müssten es die Beamten ja wissen. Johann Willibald mutmaßt, dass die Polizei es in Wahrheit gar nicht so genau wissen will. "Das würde ja zusätzliche Arbeit bedeuten." Sein Vorgänger, CSU-Fraktionschef Bernd Wanka, teilt diese Sicht: "Die Polizei macht sich einen schlanken Fuß." Aber das will Wanka nicht mehr länger akzeptieren. "Die Polizei muss hier eine wirksame Gegenstrategie entwickeln."

Das ist in der Praxis allerdings gar nicht so einfach. An einer Shisha-Bar an der Münchner Straße trifft sich die Tuner-Szene, junge Männer mit dicken, blitzblank polierten Luxuskarossen, aber nur bei schönem Wetter. Kein Regentropfen und kein Stäubchen soll den edlen Lack verunstalten. Und dann geht es ab auf die Piste, meist am Wochenende, wie Bernd Wanka beobachtet hat, bevorzugt zwischen 22 und 2 Uhr morgens. Der Spuk dauert meist nur zehn Minuten. Bis ein Anwohner die Polizei alarmiert und die Streife anrückt, ist alles schon wieder vorbei. Meistens rückt aber auch gar keiner an. "Man hat dann einen unfreundlichen Polizeibeamten oder eine -beamtin an der Leitung, die einem sagt, dass sie Wichtigeres zu tun hätten", ärgert sich Verkehrsreferent Willibald.

Und natürlich hat die Polizei Recht: Die Personaldecke der Dachauer Inspektion ist bekanntermaßen eher dünn gestrickt, und wenn drei Alarmierungen auf dem Tisch liegen, ein Verkehrsunfall, eine Schlägerei und eine Beschwerde wegen lärmender Raser, landet die "Lärmbelästigung" ganz unten im Stapel. Dabei ist für Wanka die nächtliche Lärmbelästigung nur ein "Komfortproblem". Was ihn so aufbringt, ist, dass es bei Geschwindigkeitsübertretungen immer öfter um "exorbitante Geschwindigkeiten" gehe. Das sind dann Auto- oder Motorradfahrer, die nachts mit 180 Sachen in den Ort rauschten. Die stellten ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung dar. "Es erwartet doch keiner, dass jemand mitten in der Nacht mit dem Vierfachen der erlaubten Geschwindigkeit über die Straße gefegt kommt."

In Großstädten wie Köln ist es schon mehrfach zu tödlichen Unfällen bei illegalen Rennen gekommen. Immer wieder kamen auch unbeteiligte Fußgänger ums Leben. Dass die Staatsanwaltschaft Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolge erhoben hat, ist für das Rechtsverständnis des Karlsfelder Verkehrsreferenten Johann Willibald ein Unding. "Wenn ich das höre, haut's mir den Vogel raus: Das ist für mich ein Morddelikt." Willibald, ansonsten ein recht gutmütiger und umgänglicher Mensch, lässt keinen Zweifel, dass er hier keine Alternative zu einem harten und konsequenten Durchgreifen gegen die Missetäter sieht.

© SZ vom 28.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: