Gedenkgottesdienst:Von der Kanzel ins KZ Dachau

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Der Prediger Meindert Hinlopen in Jahr 1937. (Foto: privat)

Der holländische Pfarrer Meindert Hinlopen prangerte die deutschen Besatzer in seiner niederländischen Heimat an

Eine Tochter des zeitweise im KZ Dachau inhaftierten Pastors Meindert Hinlopen spricht im deutsch-niederländischen Gedenkgottesdienst am Sonntag, 2. April, um 11 Uhr in der Evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau. Der evangelisch-reformierte Pastor Meindert Hinlopen (1907-1999) war Antimilitarist und ein unerschrockener Prediger, der seine Kritik an der deutschen Besetzung seiner niederländischen Heimat offen äußerte. Er wurde verhaftet, weil er in der Kirchenzeitung Maßnahmen der Besatzer angeprangert hatte. Im Februar 1942 begann sein Leidensweg: Haftanstalt an der Weteringschans, Lager Amersfoort, Haftanstalt Scheveningen, KZ Sachsenhausen und Dachau, wo er vor 75 Jahren, am 29. Mai 1942 eintraf.

Am 10. November 1943 wurde er entlassen. Kurz nach seiner Heimkehr nahm er seine Arbeit als Pastor wieder auf. Er blieb im Amt bis zum Ruhestand 1972, war danach weiter engagiert bei der pazifistischen Organisation 'Kirche und Frieden'. Zusammen mit seiner Frau Hanneke hatte er fünf Kinder. Die Töchter Marguérite, Clara und Josine kommen zum Gedenkgottesdienst für ihren Vater nach Dachau. Niederländische Schülerinnen und Schüler stellen die Biografie von Meindert Hinlopen vor, die sie für das Dachauer Gedächtnisbuch recherchiert haben: Dhanya Boustanji, Duco Fabrie, Anna de Rijk und Jet Schoonderbeek vom Het Baarnsch Lyceum in Baarn. Begleitet werden die 18-jährigen Jugendlichen von ihrem Geschichtslehrer Peter Mreijen und von Jos Sinnema, ehrenamtlicher Mitarbeiter beim "Gedächtnisbuch für die Häftlinge des KZ Dachau", Amsterdam. Im Gottesdienst wirken Sabine Gerhardus, Projektleiterin des Dachauer Gedächtnisbuchs, und Björn Mensing, Pfarrer und Historiker an der Versöhnungskirche, mit.

Als Meindert verhaftet wurde, war er Pastor der Reformierten Kirche in Amstelveen in einer kleinen protestantischen Kirchengemeinde mit großzügigen und sozial engagierten Menschen. Meindert war ein freundlicher Mensch und für einen reformierten Pastor damals eher untypisch: In seiner Freizeit ging er in Arbeitskleidung herum. Er war kein Dogmatiker. Seine Kinder konnten ruhig am Sonntag ein Eis haben, wenn sie es nur erst am Montag bezahlten. Ein ehemaliges Mitglied der Kirchengemeinde erinnert sich noch, dass es eine Familie gab, deren Kinder sonntags nicht Schlittschuh laufen durften. Als Meindert das erfuhr, ging er demonstrativ mit seinen Kindern aufs Eis. Fortan durfte jeder sonntags Schlittschuh laufen.

Meindert war Antimilitarist und ein scharfer Prediger, der keinen Hehl daraus machte, seine Abscheu über die deutsche Besetzung zu äußern. Er wurde verhaftet, weil er in der Kirchenzeitung die Maßnahmen der Deutschen angeprangert hatte. Am 2. Februar 1942, seinem 35. Geburtstag, meldete sich der Polizist Busser an der Tür mit der Mitteilung, dass er am nächsten Tag beim Sicherheitsdienst vorgeladen sei. Über die Haftanstalt an der Weteringschans kam Meindert ins Lager Amersfoort. Danach wurde er in die Haftanstalt Scheveningen überführt. Von da aus ging er auf Transport nach Deutschland. Fast drei Monate nach seiner Verhaftung kam er in Sachsenhausen an. Auch hier verblieb er nur kurzzeitig. Kaum einen Monat später wurde er weiter transportiert: nach Dachau, wo er am 29. Mai 1942 eintraf.

In der unmenschlichen Situation in Dachau hatte Meindert viel Mühe, er selbst zu bleiben. Er versuchte, sich so zu verhalten, wie es sein Glaube ihn lehrte. Er schrieb, dass er oft an die Worte von Van Endt denken musste, dass er in jedem, dem er begegnete, Jesus Christus erblicken möge. Aber er fügte auf Deutsch hinzu: 'Habe ich schon viel dagegen gesündigt.'

Am 10. November 1943, gut 21 Monate nach seiner Festnahme, wurde Meindert plötzlich entlassen. Man weiß aber, dass er dort durch das Tor mit der Aufschrift "Arbeit macht frei" seiner Freiheit entgegen ging. Als er draußen war, fing seine Heimreise an. Er kaufte sich eine Fahrkarte am Bahnhof in Dachau, und reiste in zwei Tagen mit dem Zug über Köln zurück nach Amstelveen. Kurz nach seiner Heimkehr nahm er seine Arbeit als Pastor wieder auf. Meindert Hinlopen blieb Pastor bis zu seinem Ruhestand 1972. Danach predigte er noch zu besonderen Anlässen. Er war nach wie vor gesellschaftlich engagiert bei der pazifistischen Organisation 'Kirche und Frieden' (Kerk en Vrede). Zusammen mit seiner Frau Hanneke hatte er fünf Kinder: Diederik, Clara, Marguérite, Josine und Laetitia.

© SZ vom 31.03.2017 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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