Für Scheinangestellte:Abkassiert

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Eine Gerichtsvollzieherin prellt den Staat um 60 000 Euro. Ihr Ex-Partner wird wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt

Von Benjamin Emonts, Dachau

Gerichtsvollzieher sind eigentlich dazu da, Urteile zu vollstrecken. Geprellten Gläubigern sollen sie zu ihrem Recht verhelfen, indem sie Schulden eintreiben oder Mietnomaden aus ihren Wohnungen befördern. Eine Frau aus München, die im Landkreis Dachau als Gerichtsvollzieherin gearbeitet hat, erwies sich nun allerdings selbst als dreiste Straftäterin. Vom Amtsgericht Dachau wurde sie vor wenigen Monaten wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Sie hatte sich den Lohn für zwei Bürokräfte, die es nur auf dem Papier gab, fast sieben Jahre lang von der Staatskasse auf ihr Konto überweisen lassen. Der Schaden belief sich am Ende auf mehr als 60 000 Euro.

Einer der beiden Scheinangestellten, ein 62-jähriger Rentner aus Dachau, muss sich am Dienstag wegen Beihilfe zum Betrug vor dem Amtsgericht Dachau verantworten. Genauso wie die Schwester der verurteilten ehemaligen Gerichtsvollzieherin ließ er sich im Februar 2008 überreden, einen Arbeitsvertrag als Bürokraft über ein monatliches Gehalt von 400 Euro zu unterschreiben. Die Landesjustizkasse zahlte der Frau das Geld monatlich aus, weil Gerichtsvollzieher ein Anrecht auf Hilfskräfte haben. Nur landete das Geld letztendlich nicht bei den zwei vermeintlichen Angestellten, sondern die Gerichtsvollzieherin behielt es für sich ein.

Der Angeklagte hatte die Münchnerin vor mehr als 30 Jahren in einem Sportverein kennengelernt. Wie sich erst im Laufe der Verhandlung herausstellt, pflegten sie mehr als ein Jahrzehnt eine innige Liebesbeziehung. Als die Frau noch in München als Gerichtsvollzieherin tätig war, stellte sich der Angeklagte bei Wohnungsaufschließungen als Zeuge zur Verfügung. Er erhielt dafür stets ein ordentliches Stundenhonorar in bar. Im Februar 2008, als die Beziehung und das Arbeitsverhältnis längst beendet waren, brachte die Münchnerin ihren Ex-Partner dazu, den Vertrag als Bürokraft zu unterschreiben, um bei der Landesjustizkasse monatlich abkassieren zu können. "Ich habe ihn gefragt, er hat sich bereit erklärt, und dann war es so", erinnert sie sich. Als Gegenleistung für seine Unterschrift will sie ihm angeblich 100 Euro im Monat für Rentenanwartschaften bezahlt haben.

Amtsrichter Christian Calame muss an diesem Punkt entscheiden, wem er Glauben schenken will. Der 62-jährige Angeklagte beteuert, dass der Arbeitsvertrag nach wenigen Monaten erloschen und er hinters Licht geführt worden sei. "Sie hat sich Zusatzeinnahmen generiert und ich habe nie einen Cent davon gesehen", sagt der Mann. Der Vorsitzende Richter glaubt aber der Münchnerin. Er hatte der Frau unmissverständlich klar gemacht, dass sie im Falle einer Falschaussage mit großer Wahrscheinlichkeit inhaftiert werden würde. Ihre Version klingt für den Vorsitzenden und den Vertreter der Staatsanwaltschaft schlüssig. "Sie waren in voller Kenntnis, dass die Frau über ihren Namen Überstunden abrechnen würde", sagt der Amtsrichter zum Angeklagten. Er verurteilt den 62-Jährigen zu 110 Tagessätzen à 15 Euro.

Aufgeflogen war die Geschichte, als der Angeklagte im Jahr beim Arbeitsamt eine Erwerbsunfähigkeitsrente beantragt hatte. Ein Sachbearbeiter war daraufhin auf die monatlichen Zahlungen gestoßen, die von dem Mann nie angegeben worden waren. Die Gerichtsvollzieherin gestand in einer E-Mail an das Amtsgericht Dachau ein, die Zahlungen angenommen zu haben, um ihre Überstunden abrechnen zu können. Ihren Ex-Freund und ihre ebenfalls verurteilte Schwester hat sie dafür offensichtlich ausgenutzt. "Seine Gutmütigkeit wurde bestraft", sagt ein Freund des Angeklagten. Das Urteil des Amtsgerichts ist noch nicht rechtskräftig.

© SZ vom 21.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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