Frühling im Landkreis:Es blüht, dass die Zweige knacken

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Grün wird es noch nicht, aber bunt: Obstbäume knospen, Frühlingsblumen werden gepflanzt. Die Welt wird heller und wärmer, das Leben verlagert sich nach draußen

Von Magdalena Hinterbrandner, Dachau

"Frühling lässt sein blaues Band, wieder flattern durch die Lüfte ...". Eduard Mörikes Gedicht aus dem Jahr 1828 ist in dieser Jahreszeit unvermeidlich, weil es in jedem Jahr aufs Neue beweist, wie zeitlos wahr es ist: Der Himmel ist wieder blau und die Sonne reißt mit ihren kräftigen Strahlen langsam aber sicher immer größere Löcher in die Wolken und strahlt uns an. Die Leute auf den Straßen haben die dicken Schals gegen lässige, große Sonnenbrillen eingetauscht. Sie wärmen sich nicht mehr die Hände an ihren heißen Coffee-to-go-Bechern, sondern tragen die ersten Eisbecher dieses Jahres spazieren.

Für diesen Genuss muss man Geduld und Zeit mitbringen: Die Schlange vor dem Eiscafé La Veneziana in der Dachauer Bahnhofstraße scheint kein Ende zu nehmen. Giorgio, Davis und Mario haben hinterm Verkaufstresen alle Hände voll zu tun. Kinder schauen mit großen Augen auf die vielen Eissorten und können sich kaum entscheiden, so gut sieht jede einzelne Sorte aus. "Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land ...". Mörike mag etwas anderes gemeint haben, aber die Zeilen wollen einem nicht aus dem Kopf. Kaffee lockt mit feinem Duft und die bunten Eiskübel locken mit zahlreichen Varianten. Die Standardsorten Schokolade, Vanille Stracciatella und Erdbeere sind auch in diesem Jahr wieder die Beliebtesten. Aber im La Veneziana hat man sich auch ein paar neue Kreationen einfallen lassen und lockt die Kunden mit Lemon Pie, Lion oder Granatapfel.

Warten auf den ersten Fang

"Veilchen träumen schon, wollen balde kommen ..."und überall künden die ersten Knospen eine wunderbare Zeit an. Vor zwei Wochen undenkbar, jetzt schon erkennbar: Intensive, kräftige Farben, zarte Töne - die ersten Obstbäume an besonders sonnigen Stellen sind erblüht, bald wollen die Magnolien aufgehen. Die Baumärkte haben bunte Blumenmeere vor ihren Eingängen aufgebaut und bieten Gänseblümchen, Hornveilchen in gelb und violett und andere Frühlingsblumen zum Kauf an. Bienen und Hummeln tummeln sich darin und sammeln die erste und so wichtige Nahrung. Auch der Hofgarten in Dachau ist für Insekten ein Paradies.

Die Gartenarbeit steht wieder auf dem Programm vieler Menschen. Eifrig bepflanzen sie ihre Vorgärten, räumen ihre Gartenlauben auf und putzen den Grill. Bald werden wieder viele Karlsfelder, Dachauer oder auch Münchner ihren Tagesausflug an den Karlsfelder See machen - ausgerüstet mit Grill und Picknickkorb. Es ist, als ob man in dieser Jahreszeit nichts mehr drinnen tun könnte. Schon gar nicht essen. Die ersten Fischer wagen sich bereits hinaus und versuchen, ihren ersten Fang in diesem Jahr zu machen. Im Karlsfelder See scheint es wohl zwei Sorten zu geben: "Wenn man gut fischen kann, dann fängt man hier eine Forelle. Und wenn man kein guter Fischer ist, dann nur einen Karpfen. Fischen muss man können", erklärt Alfred Auffanger. Er steht am Ufer des Karlsfelder Sees in der Sonne und wartet geduldig auf seinen ersten Fang. "Ich angle die Karpfen", scherzt er.

Die Zeit beginnt, in der man durch das gekippte Fenster fröhliche Gespräche der Menschen auf der Straße vernimmt, die Vögel mit ihrem Gezwitscher früh morgens den Start in den Tag versüßen und der Wochenendausflug mit dem Rad Richtung Biergarten geht. Heidi und Georg Groiß machen es vor: Mit einem Weißbier und einem guten Essen genießen sie das angenehme Frühlingswetter auf der Terrasse im Seegarten in Karlsfeld. "Ein schönes, kühles Weißbier, die reine Luft, die Natur lebt auf und alles riecht ganz anders - so stellt man sich den Frühling vor!", sagt Heidi Groiß lachend.

Vorfreude auf Sommer

Familien sitzen am Seeufer und beobachten die Enten, die aus dem Wasser watscheln. Manche sonnen sich bereits im Gras. Wem das noch zu kühl ist, der macht es sich lieber auf einer Bank gemütlich und genießt den Seeblick. Katharina und Theresia haben ihre Fahrräder abgestellt, sitzen auf der Bank und unterhalten sich. "Wir als Rentner haben Zeit, auch unter der Woche herzuradeln. Von Dachau hierher, das schafft man in einer guten halben Stunde, und dann ist es werktags schön ruhig hier. Sonntags, wenn schönes Wetter ist, ist hier die Hölle los", sagen die beiden. Die Radlausflüge können aber auch gerne mal zur Ruderregatta gehen oder zum Schleißheimer Schloss. "Hauptsache Radeln, das ist für uns Frühling!" Franz Brandstätter sitzt gemütlich auf einem Campingstuhl am Karlsfelder See neben seiner Frau Ilse. "Frühling ist doch vor allem die Vorfreude auf den Sommer!", sagt er lachend.

Die Tage werden länger und heller, bei den allermeisten Menschen hebt das die Stimmung. Alles erscheint leichter. Die Luft ist klar und rein, der Wind nicht mehr eisig, sondern zart und warm. Die Leute verbringen ihre Mittagspause nicht mehr in der Kantine sondern setzen sich ins Straßencafé, plaudern, sind farbenfroh gekleidet. Cabrios und Motorräder werden aus den Garagen geholt. Die Sonne lässt die Autos glitzern. Das Getümmel auf den Straßen wird bunter und lauter, die Stimmung wird freundlich, offen, herzlich.

"Horch, von fern ein leiser Harfenton!", heißt es bei Mörike. Straßenmusiker erfreuen die Fußgänger mit ihren Klängen und Straßenkünstler faszinieren die Kinder. "Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen!" Auch wenn sich das Grün erst zaghaft sehen lässt und vieles noch Braun und Grau erscheint - bei Temperaturen wie in dieser Woche, kann man der Natur beim Wachsen zusehen. Am Wochenende könnte sich der Lenz mit ersten Gewittern deutlich vernehmbar machen und Bauernschlaue wissen: Nach dem dritten Frühlingsgewitter darf man barfuß laufen.

© SZ vom 29.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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