Fest zum Bahnjubiläum:Der Zug in ein neues Zeitalter

Lesezeit: 2 min

Die Linie München-Ingolstadt hat das Leben im Landkreis Dachau entlang der Schienen beeinflusst. Rund um die Bahnhöfe siedelten sich Menschen an. Jetzt wird das 150. Bahnjubiläum in Petershausen gefeiert

Von Petra Schafflik, Dachau

Bahnfahren könnte wegen der hohen Reisegeschwindigkeiten die Gesundheit ruinieren - so warnten in den Anfängen des Eisenbahnzeitalters noch Kritiker. Doch Bürger erkannten damals rasch die Vorteile einer bequemen Zugverbindung, auch im Landkreis. Kaum war am 14. November 1867 der erste Zug mit Ehrengästen vom Münchner Hauptbahnhof auf der neuen Strecke Richtung Ingolstadt losgedampft, kauften sich bis zum Jahresende bereits 4531 Dachauer an ihrem neuen Bahnhof ein Ticket für zwei Pfennige pro Fahrkilometer und stiegen in den Zug. Diese erste Bahnverbindung im Landkreis, die 1972 als Linie 2 bis Petershausen ins Münchner S-Bahnnetz integriert wurde, hat das Leben entlang der Schienen und die Entwicklung der Region maßgeblich beeinflusst.

Weil öffentlicher Nahverkehr und leistungsfähige Bahnanschlüsse heute als selbstverständlich gelten, lohnt ein Blick auf die Anfänge. Anekdoten, Fakten und historische Dokumente haben Heimatforscher aus dem Landkreis und aus Pfaffenhofen jetzt zum 150. Bahnjubiläum der Strecke München-Ingolstadt zusammengetragen. Kreisheimatpflegerin Birgitta Unger-Richter hat die Resultate in einer Broschüre zusammengestellt. Präsentiert wird das Heft mit dem Titel: "Eine möglichst schnelle Verbindung" ein wenig vor dem offiziellen Jubiläumstermin ist am Sonntag, 15. Oktober, am Kirchweihmarkt in Petershausen (Pertrichplatz, 10 Uhr).

Zugfahren durchs Dachauer Land lohnt: An manchen Tagen zeigt sich wie hier am Bahnhof Hebertshausen die ganze Pracht des Voralpenlandes. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Bahnverbindung entlang der Strecke München-Ingolstadt, der dann 1913 im Landkreis noch die zweite Linie nach Altomünster folgte, beeinflusste maßgeblich die Region. Die Bahn, schreibt Kreisheimatpflegerin Unger-Richter im Vorwort zum Jubiläumsheft, "veränderte die Landschaft und die dort wohnenden Menschen". Aspekte dieser Entwicklung beleuchten Texte von Heinrich Fitger, Norbert Göttler, Helmut Gröss, Florian Hartmann, Ursula Katharina Nauderer, Horst Pajung, Helmuth Rumrich, Andreas Sauer, Franz Schaehle, Franz Thaler und Lydia Thiel. Vorgelegt wird mit dem 52-seitigen Bändchen "lebendige Heimatgeschichte, in die jeder einmal gerne hineinschaut", so Unger-Richter.

Wie schnell es damals ging, kaum dass die Entscheidung zur genauen Bahntrasse 1863 vom Landtag getroffen war, überrascht vielleicht so manchen Leser: Nach zügiger Planung wurden innerhalb von drei Jahren 22 Brücken, acht Bahnhöfe und 90 Nebengebäude errichtet, schließlich 60 Kilometer Gleisschienen verlegt und 73 elektrische Läutapparate zur Signalübertragung verlegt, so die Chronik.

Allerdings verläuft die Strecke mit ihren zunächst drei Stationen Dachau, Röhrmoos und Petershausen nicht immer exakt so, wie ursprünglich vorgesehen. In der Bevölkerung gab es Bedenken, auch wollte nicht jeder Grundeigentümer Land für das Vorhaben abtreten. Im damaligen Markt Dachau fürchteten Kaufleute den Abfluss von Wirtschaftskraft nach München. Der Bahnhof wurde abseits von der Altstadt auf der Wiese gebaut. Auch in Röhrmoos und Petershausen stehen die Bahnhofsgebäude außerhalb der Dörfer, aber überall entwickelten sich an der Bahn neue Ortsteile. Die nicht unbedingt rasch integriert wurden. In Petershausen, so ist zu lesen, hätten die neu Zugezogenen im "Bahnhofsviertel" lange noch einen anderen, städtisch-kultivierteren Dialekt gesprochen als die Bürger im alten Dorf. Dabei führt die Bahnlinie in Petershausen nur vorbei, weil in Jetzendorf und Scheyern die Widerstände zu groß waren.

Einmal gebaut, entwickelte sich die Strecke stets weiter. Nach einem Zugzusammenstoß, bei dem 1889 in Röhrmoos neun Menschen ums Leben kamen, wurde die Trasse zweispurig ausgebaut. Neue Bahnstationen und mit ihnen auch wirtschaftliche Impulse kamen in den Folgejahren dazu in Karlsfeld, Esterhofen (Vierkirchen) und Walpertshofen (Hebertshausen). Nachdrücklich bemühte sich 1928/29 auch die damals noch eigenständige Gemeinde Etzenhausen um einen Halt, vergeblich. Einzig dem Zimmerei- und Sägewerksbesitzer Anton Mayer soll es den Erzählungen nach einmal gelungen sein, in Etzenhausen auszusteigen. Per Notbremse. Anekdoten wie diese sind es, die eine Lektüre unterhaltsam machen.

© SZ vom 14.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: