Experimentierfreude auf der Leinwand:Locker aus dem Handgelenk

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Die Freizeitmalerin Renate Günthner präsentiert ihre Blumen im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst

Von Jacqueline Lang, Hebertshausen

Königlich privilegiert durch König Ludwig II. seit 1868: Die Münchner Künstlergenossenschaft (MKG) ist die älteste Vereinigung freischaffender Künstler in Bayern, unter ihnen namhafte Vertreter wie Carl Spitzweg, Wilhelm Leibl und Franz von Lenbach. Seit drei Jahren darf sich nun auch Renate Günthner offiziell in diese Liste einreihen. Und jetzt, zum 150-jährigen Bestehen der Vereinigung, wird sie im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst in München ein Lieblingswerk ausstellen.

Mehr als 100 Mitglieder hat die Genossenschaft heute, viele haben Galerien und sind hauptberuflich Künstler. Renate Günthner hingegen dürfte außerhalb des Landkreises Dachau wohl kaum jemandem ein Begriff sein, und regelmäßig Aufträge bekommt sie eigentlich nur vom Hebertshausener Bürgermeister Richard Reischl (CSU). Die 75-Jährige, die seit zehn Jahren den Vorsitz der freien Malgruppe Dachau inne hat, bezeichnet die Malerei eher als ein Hobby als ihren Beruf. So hat sie es immer angedacht, denn sie wollte nie auf die Kunst als Einnahmequelle angewiesen sein. "Zum Malen brauche ich einen freien Kopf", sagt sie.

In Renate Günthners Wohnzimmer hängen zwei Klimts, in der Stube diverse Ikonen- und Bauernmalereien. Natürlich keine Originale, sondern Kopien von Günthner selbst. Im Flur und auf dem Weg hinunter ins Atelier sind es dann hauptsächlich Aquarelle. Kunst, überall Kunst. Seit fast 30 Jahren ist sie fester Bestandteil in ihrem Leben. Angefangen hat für Renate Günthner 1989 alles mit der Ikonenmalerei. Ihre Kinder waren aus dem Gröbsten heraus, und die damals 46-Jährige wollte etwas Neues ausprobieren. Schnell wurde ihr die Ikonenmalerei zu langweilig, ebenso die Bauernmalerei. "Das habe ich gleich gekonnt, das war mir zu wenig anspruchsvoll", sagt Günthner, die ihr graues Haar kurz trägt. 1997 fand sie mit der Aquarellmalerei ihren Stil - und den passenden Lehrer. Der bildende Künstler Erwin Kastner, der in Stift Geras Seminare hält, ist auch heute noch eines ihrer größten Vorbilder. Gemeinsam mit Hannelore Baumann und Elisabeth Zaminer, die sie beide in der Freien Malgruppe kennenlernte, besucht sie seine Kurse. In diesem Jahr geht es im April ins österreichische Dornbirn und im Mai nach Bad Reichenhall.

Renate Günthners Leidenschaft sind Aquarelle, die sie mit Airbrush-Technik entwickelt. (Foto: Toni Heigl)

Zu der Münchner Künstlergenossenschaft ist Günthner 2010 über eine befreundete Künstlerin gekommen, die sie ebenfalls in Geras kennengelernt hat. Diese riet ihr damals dazu, sich als Gastausstellerin zu bewerben. Das war 2010. Seitdem hat sie fast jedes Jahr mit ausgestellt. Hat man drei Mal in Folge als Gastkünstlerin ausgestellt, kann man sich auf eine Mitgliedschaft bewerben und so ist Renate Günthner seit 2015 Mitglied der Genossenschaft. Für sie eine große Ehre. "Die nehmen nämlich nicht jeden", sagt sie nicht ohne Stolz und zupft an ihrer bunten Bluse.

Viele der Werke, die bei der Genossenschaft eingereicht werden, seien vor allem gegenständlich. Aquarelle finde man wenige, sagt Günthner. Am liebsten zeichnet sie locker aus dem Handgelenk. In der Künstlergenossenschaft ist Günthner deshalb mit ihrem luftigen Stil eher die Ausnahme. Zu abstrakt darf es ihr aber auch nicht sein. "Mit extrem abstrakter Malerei kann ich nichts anfangen", sagt sie. Ein Maler sei für sie jemand, der zeichnen könne und etwas von Farben verstehe. Einfach nur einen Strich auf eine Leinwand setzen, das ist für sie keine Kunst.

Experimentierfreudig ist die Freizeitmalerin aber allemal: Drei der insgesamt vier Werke, die Renate Günthner in diesem Jahr eingereicht hat, hat sie im sogenannten Airbrush-Verfahren entwickelt. Hierfür muss man die Leinwand zunächst vollständig benässen und kann dann mit einer Pipette Farbe auftragen. Die Farbe verläuft, und es bilden sich beim Trocknen ganz eigene und unvorhersehbare Muster und Formen. "Man weiß am Anfang nicht, was draus wird", sagt Günthner. Und genau das reizt sie. In diesem Fall sind daraus Blumen entstanden, eines der Lieblingsmotive der Hobbymalerin. Für eines der vier Bilder hat sich die Jury am Ende entschieden. Nun wird es vom 1. bis einschließlich 25. Februar neben 169 anderen Exponaten zu sehen sein. Als die Künstlergenossenschaft noch im Haus der Kunst ausstellen durfte und mehr Platz verfügbar war, waren es von jedem Künstler noch jeweils mindestens zwei Bilder, doch im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst ist weniger Platz und damit nur noch Raum für jeweils ein Kunstwerk.

Renate Günthner aus Hebertshausen liebt es zu experimentieren. (Foto: Toni Heigl)

Die Möglichkeit, Teil einer so großen Ausstellung zu sein, ist für Renate Günthner natürlich eine Ehre. Trotzdem fehlt ihr in der Münchner Künstlergenossenschaft die Gemeinschaft. Bei so vielen Mitgliedern aus ganz Bayern und teilweise auch Österreich ist das natürlich verständlich. Dennoch ist es gerade der familiäre Charakter, den Günthner an der Dachauer Freien Malgruppe so schätzt. "Wir haben einen guten Zusammenhalt in der Gruppe", sagt sie. Man übe konstruktive Kritik, gönne es aber jedem Einzelnen, wenn er ein Bild verkaufe. Im Sommer fährt der Verein jeden Samstag auf einen Malausflug ins Umland, und einmal im Jahr feiern sie in Günthners großem Garten in der Gemeinde Hebertshausen ein gemeinsames Fest. Nach der Scheidung von ihrem Mann war es 2002 genau diese Gemeinschaft, die sie aufgefangen hat. Deshalb ist sie auch lieber Hobbykünstlerin, als professionelle Malerin.

Von Donnerstag, 1., bis Mittwoch, 25. Februar, ist die Ausstellung der Münchner Künstlergenossenschaft im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst, Gabelsbergerstraße 35, in München zu sehen. Am Dienstag jeweils von 10 bis 20 Uhr, Mittwoch bis Sonntag täglich von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet drei Euro.

© SZ vom 01.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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