Erzähltheater mit Chansons:Wo dahoam?

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Michaela Stögbauer und Kurt Schürzinger spielen zwei Nachkommen von Vertriebenen auf der Suche nach dem Heimatgefühl ihrer Vorfahren. Rolf P. Parchwitz inszeniert einen Text von Franz Csiky

Von Wolfgang Eitler, Haimhausen

"Hoam muss i geh", singt Michaela Stögbauer. Sie könnte dazu schunkeln. Sie wiegt sich mit Partner Kurt Schürzinger, ironisch lächelnd, kurz zum Rhythmus. Ach ja, und den Böhmerwald, die Heimat, kennt man von den Volksmusiksendungen, als könnte das Fernsehen Heimat verheißen und das Versprechen gleich noch einlösen. Die Schauspielerin und der Saxofonist David Jäger verwandeln solche Lieder in der Kulturkreiskneipe von Haimhausen zu Chansons. Michaela Stögbauer inszeniert sie im Stil eines Sprechgesangs. David Jäger intoniert Melodiefragmente wie Erinnerungsfetzen. Das Trio fragmentiert gemeinsam mit Regisseur Rolf P. Parchwitz das ominöse, weil schwer zu fassende Heimatgefühl und versucht es neu zusammenzusetzen. Das muss misslingen. Darin liegt die Faszination dieses Erzähltheaters "Fremd.Sein.Heimat" nach der Vorlage von Franz Csiky. Alle drei Aspekte gehören irgendwie zusammen, finden aber nicht zusammen.

Denn was, bitteschön, soll man aus der Geschichte der Vertreibung der Nachkriegszeit im Angesicht der Flüchtlinge aus der ganzen Welt lernen, die sich nach Europa sehnen? Was aus der Tatsache, dass in die Häuser der deutschen Vertriebenen im Böhmerwald nach 1945 tschechischstämmige Familien aus der damaligen Sowjetunion zwangseingewiesen wurden und ihr kleines Leben zu retten versuchten? Was aus dem Umstand, dass ein Zweig einer böhmischen Familie in die USA auswanderte und den letzten Wunsch des Vaters nicht erfüllte? Der wollte, dass seine Urne im früher heimischen Kaltenbach begraben wird. Aber er gehört doch nach "Home". In der theatralischen Flüchtlingsdebatte von Franz Csiky geht es vor allem um Gefühle.

David Jäger intoniert Melodiefragmente wie Erinnerungsfetzen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Als Linda (Michaela Stögbauer) ihr Chanson von der Sehnsucht nach Daheim beendet hat, sagt ihr Bruder Jost (Kurt Schürzinger): "Klingt kitschig." Linda entgegnet: "Klingt schön." Jost: "Klingt schön kitschig." So wie die Vorstellung, mit Flüchtlingen in Wegscheid in Niederbayern Weihnachten zu feiern. Vorausgesetzt, es finden sich Christen unter den Muslimen. Linda schwärmt davon.

Linda und Jost öffnen den Fluchtkoffer ihrer Tante. Damit brechen Erinnerungen auf, Geschichten entstehen, Fragen, die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft betreffend. Die Stammtischphrasen, die Stögbauer und Schürzinger mit Clownsnasen einstreuen, erweisen sich als hilflose und deswegen umso aggressivere Parolen. Und am Ende des Abends in der Kulturkreiskneipe bleiben Ratlosigkeit - immerhin als klares Eingeständnis - und der Appell zur Menschlichkeit zurück.

Übrigens: Wie nah dieses Stück am Publikum ist, zeigt sich in den Pausengesprächen. Eine Frau kennt die Geschichte ihrer Mutter, die im Alter von zehn Jahren aus Sudetendeutschland kam und nur Haimhausen als ihre Heimat empfand. Einer erzählt von seinen Eltern, die aus Ungarn vertrieben wurden. Die Mutter hatte ihren Dialekt bis zum Lebensende bewahrt. Der Erzähler selbst spricht perfekt Bairisch. Und seine Kinder? "Nur noch Hochdeutsch."

Die Premiere hat Franz Csiky nicht mehr erlebt. Er hat es eigens für den Jexhof geschrieben, um in dem Bauernhofmuseum im Landkreis Fürstenfeldbruck einen kulturpolitischen Akzent zur Flüchtlingsdebatte vor einem Jahr zu setzen. Rolf P. Parchwitz und Michaela Stögbauer leben in Schöngeising bei Fürstenfeldbruck und sind dem Kulturkreis Haimhausen eng verbunden. Der befindet sich gerade im Zustand heftiger Überlegungen, ob und wie er ein besonderes Jubiläum im nächsten Jahr begehen soll. Vor 25 Jahren inszenierte er erstmals eine seiner großen Aufführungen im Theaterstadl der Haniel'schen Brauerei in Haimhausen.

Als Linda (Michaela Stögbauer) ihr Chanson von der Sehnsucht nach Daheim beendet hat, sagt ihr Bruder Jost (Kurt Schürzinger): "Klingt kitschig." (Foto: Anna Elisabeth Ungnadner)

Am Samstag, 14. Oktober, 20 Uhr, gastiert das Trio Tango Transit in der Kulturkreiskneipe in Haimhausen. Die Fachzeitschrift "Jazzthing" schreibt: "Das Trio musiziert auf höchstem Niveau, jeder ist Solist eine Entdeckung!"

© SZ vom 02.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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