Erdweg:Westöstliche Besinnung

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Die "Lange Nacht der Bildung" des Dachauer Forums in der Basilika am Petersberg hat sich zu einem Zentrum religiöser Kultur entwickelt. Mit Meditationen, Gebeten und zahlreichen Workshops zur inneren Einkehr

Von Petra Neumaier, Erdweg

So ruhig. So friedlich ist es auf dem Petersberg mit der romanischen Basilika und dem Haus des Katholischen Landesvolkshochschule am Fuße des Bergs. Unaufdringlich wummern die Trommelrhythmen durch die Luft, und zart klingen indische Mantren und Chants aus der Basilika. "Es gibt viele Wege, den inneren Frieden zu finden", sagt Annerose Stanglmayr, Geschäftsführerin des Dachauer Forums für katholische Erwachsenenbildung. Sie organisiert alle zwei Jahre die "Lange Nacht der Bildung", die sich im Landkreis zu einem Fixpunkt religiöser Kultur entwickelt hat. Dabei versucht das Dachauer Forum, fernöstliche Methoden der Besinnung mit dem Christentum zu vereinen. Und zwar so, als wäre diese Verbindung selbstverständlich. Zwei Frauen ziehen an den Seilen der Glocken. Die einleitenden Reden sind kurz. "Offen sein für das, was kommt", empfiehlt Anton Jais, Vorsitzender des Dachauer Forums. Der evangelische Theologe Christian Hackbarth-Johnson sagt, dass "Kontemplation fast so alt wie das Christentum und nur mit Buddhismus wieder zu uns gelangt ist." Danach beginnen die einzelnen Workshops, die sich bis Mitternacht hinziehen werden und in einer Lichtinstallation enden. Der romanische Bau der Basilika wird erleuchtet.

Hinhören

Gespannte Ruhe. Die Teilnehmer sitzen auf dem Boden. Andächtig lauschen sie auf die Klänge, die sie durch die Berührung mit dem Filzschlegel den goldenen Schalen entlocken. Vielstimmig schwingen die Töne durch den Raum, durch die Hand, den Arm und im besten Fall durch den Körper. "Wie Ameisen", strahlt eine Frau, andere spüren Wärme. Manche gar nichts. Referentin Elisabeth Stadler lächelt. Einfach noch einmal probieren, anschlagen und die Schale diesmal an die Nasenspitze halten. Jetzt spüren es alle. "Wie ein Stromschlag", sagt der "Quotenmann" in der Frauengruppe, "es juckt und kribbelt", meinen die anderen verzückt.

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(Foto: Petra Neumaier)

Wolfgang Kirmair taucht die Fassade der Basilika am Petersberg in buntes Licht.

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(Foto: Petra Neumaier)

Viele Wege, ein Ziel: die innere Einkehr. Auf der Langen Nacht der Bildung am Petersberg wird getrommelt.

Hinheinhören

"Loslassen" vom eigenen Anspruch an Perfektion, "und es einfach machen" ist beim Ikebana-Workshop von Ursula Deichl und Cornelia Mirlach-Koch gefragt. Derweil ist Marianne Mayrhofer mit ihren Teilnehmern "fünf Werten" auf der Spur. Es sind: "Beziehungen, Kompetenz, Ideale, ethische Selbstbewertung und Vitalität." Stellvertretend für sie stehen fünf bunte Becher am Boden. Dazu gibt es viele Fragen, die Aufschluss über die eigene Orientierung geben sollen.

Mitsingen

Regine Podszuweit macht es vor. Mehrstimmig füllen die Teilnehmer des Workshops die Basilika mit dem Gesang in indischer Sprache. Dieses spirituelle Singen nennt man "chanten". Die Gruppe wird begleitet von Gitarre und Rasseln. "Bis auch der letzte Winkel der Kirche von dem Lied erfüllt ist, und Kopf, Herz und Körper im Gleichgewicht sind", sagt die Referentin.

Entspannen

In Zeitlupe lässt eine Gruppe, im Kreis um eine Kerze stehend, Arme steigen und sinken. Ihre Oberkörper wiegen sich wie Bäume im Wind. "Drachen steigen in die Luft", "Himmelskräfte werden bewegt". Frische Energie soll beim Qigong-Kurs von Cornelia Queng-Götzmann eingesammelt, und verbrauchte abgelegt werden. "Total entspannend", schwärmt Martha Leinhardt aus Haimhausen, "und trotz Ischias konnte ich alle Bewegungen mitmachen."

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(Foto: Petra Neumaier)

Klangschalen sollen helfen, Töne intensiv wahrzunehmen.

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(Foto: Petra Neumaier)

Qigong verspricht aktive Entspannung.

Atmen

Sanft wiegen sich ebenfalls die Teilnehmer des Seminars von Kornelia Zellner im Rhythmus ihres Atems. Sie streicheln die Bereiche ihres Körpers, wohin sie gleich atmen sollen: Die Flanken, den Bauch, das Herz, später die Krone des Kopfes. "Beim bewussten Atmen kann man mit ganz wenig viel gewinnen", erklärt die Therapeutin. "Und es ist erstaunlich, wie schnell die Gedanken dabei still werden und aufhören zu kreisen."

Spirituelle Führung

Bewusst durch die Basilika gehen, riechen, fühlen, sehen, hören: Spirituell angehaucht ist die Führung von Sascha Rotschiller, der sogar zum Läuten der Glocken einlädt. Anfangs zögerlich lassen sich die Teilnehmer darauf ein, dann möchte jeder einmal an den Seilen ziehen. Doch Erfolg hat nur, wer rechtzeitig loslassen kann. "Wie im Leben", sagt der stellvertretende Direktor der Landvolkshochschule.

Trommeln und Tanzen

Der Weg zum unteren Haus wird begleitet vom nächtlichen Quak-Konzert der Frösche. Der Trommel-Workshop findet im nüchternen Tischtennisraum statt. Die meisten Teilnehmer sitzen schon, als Kursleiterin Heidi Eberhardt kommt. In der Pause hat sie von zu Hause schnell noch orientalische Lampen und Kerzen mitgebracht - "damit es hier ein bisschen gemütlicher aussieht", sagt sie und schaltet das Licht aus. Im halbdunklem bumpern die Schläge noch mal so schön. Dumpf sind die Rhythmen im Saal darüber zu hören, wo Eva-Maria Kutscherauer-Schall einer großen Gruppe Tanzschritte für den Kreistanz beibringt: Drehen, wiegen, seitlich nach links. Erst ohne Musik, dann mit - erst ein wenig steif, dann ganz leicht.

Fazit

"Überrascht", dieses Wort verwenden alle Teilnehmer, wenn sie über die Workshops reden. Dazu: "Bereichert", "entspannt", "reich beschenkt und voller Kraft". Sicherlich: Zum vollendeten, inneren Frieden sind sie in der kurzen Zeit nicht gelangt. Aber sie fühlen sich "auf den Weg gebracht". Auch durch den Vortrag von Petersberg-Pfarrer Josef Mayr über die heilende Kraft von Ritualen. Müde sind die meisten Teilnehmer, als zum Ausklang kurz vor Mitternacht in der Basilika noch einmal Zarko Mrdjanov und Florian Ewald spielen und Wolfgang Kirmair die Fassade der Basilika in buntes Licht und sinnige Sprüche taucht. Ein letztes Mal wird gemeinsam gechantet, dann kehrt nächtliche Ruhe auf dem Petersberg ein. Bis zur nächsten "Langen Nacht" in zwei Jahren.

© SZ vom 04.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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