Vor der Landtagswahl:Angriffslustig und optimistisch

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Nahezu einstimmig nominiert die SPD Martin Güll als Kandidaten für die Landtagswahl im Oktober. Diesmal will er nicht nur als Abgeordneter ins Maximilianeum einziehen, sondern als Kultusminister mitregieren

Von Benjamin Emonts, Erdweg

Der ehemalige Lehrer und SPD-Landtagsabgeordnete Martin Güll zeigt sich auf der Nominierungsversammlung am Mittwochabend angriffslustig. Der bayerische Kultusminister Ludwig Spänle (CSU), so ruft er laut durch den Raum, müsse unbedingt weg: "Der kümmert sich eh nur noch um seine Kunst." Einen geeigneten Nachfolger für Spänle hat Güll natürlich bereits gefunden. "Der nächste Kultusminister könnte Güll sein", sagt er und bringt sich damit selbst ins Spiel. Die 50 SPD-Mitglieder im Erdweger Wirtshaus sind von dieser Vorstellung begeistert und zollen dem Vorsitzenden der Landkreis-SPD einen schallenden Applaus.

Um Kultusminister werden zu können, muss Güll am Sonntag, 14. Oktober, erneut in den Bayerischen Landtag gewählt werden. Der 64-jährige Hilgertshausener gehört dem Gremium seit Oktober 2008 an. Er ist bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und Vorsitzender des Ausschusses für Bildung und Kultus. Für die SPD im Landkreis Dachau ist er der unangefochtene Anführer, wie sich am Mittwochabend abermals zeigt. Güll erhält für seine kämpferische Rede immer wieder Beifall und beschwört alte Tugenden wie Solidarität und soziale Gerechtigkeit herauf, auf die sich die SPD, die bei den Bundestagswahlen 2017 eine historische Niederlage erlitten hatte, wieder besinnen müsse. Von den 42 anwesenden Delegierten im Erdweger Wirtshaus nominieren ihn am Ende 41 zum Landtagskandidaten der SPD.

Doch um Güll zum Kultusminister machen zu können, muss die Bayern-SPD nach 60 Jahren wieder an die Regierung kommen. Jüngsten Wahlprognosen zufolge verliere die CSU ihre absolute Mehrheit, sie liege nur noch bei 40 Prozent, jubiliert Güll. Für die SPD sei das eine realistische Chance in Bayern mitzuregieren. Er macht die Christsozialen für soziale Missstände wie den Mangel an bezahlbarem Wohnraum verantwortlich. Vor allem aber wettert er über Formulierungen wie die "finale Lösung der Flüchtlingsfrage", die der Europapolitiker Manfred Weber bei der CSU-Klausurtagungen in Seeon gebraucht habe. Das erinnere an die NS-Zeit.

Güll will sich nun dafür einsetzen, dass Familien mehr Unterstützung bekommen, beispielsweise durch geringere oder ganz abgeschaffte Kita-Gebühren. Er möchte Instrumentarien schaffen, mit denen Kommunen an freien Baugrund kommen, der von den Besitzern nicht hergegeben wird. Und er möchte den Öffentlichen Personennahverkehr verbessern und sich vehement gegen die dritte Startbahn am Münchner Flughafen einsetzen.

Für die Wahlen zum Bezirkstag haben die SPD-Delegierten am Mittwochabend mit 37 gültigen Stimmen Martina Tschirge nominiert. Die 50-Jährige beschäftigt sich im Dachauer Landratsamt mit Themen wie Demografie, Bildung und Integration. Bei ihrem ersten Versuch in den Bezirkstag zu kommen, war sie im Jahr 2013 trotz eines guten Ergebnisses am CSU-Kandidaten Josef Mederer gescheitert, dem heutigen Präsidenten des Bezirkstages. Tschirge ist Gemeinderätin in Markt Indersdorf und saß bereits ein Jahr lang im Kreistag, bis sie ihren Job im Landratsamt antrat. Vor den Delegierten hält sie eine emotionale, nachdenklich stimmende Rede. Sie zählt auf, dass es in Deutschland zu wenig Vollzeitkräfte gebe - 300 000 wären nötig, um sich um die 2,9 Millionen Pflegebedürftigen zu kümmern. Tschirge, deren Vater an Demenz gestorben ist, spricht von menschenunwürdigen Zuständen, die zumindest teilweise in der Pflege herrschten. "Wir müssen uns um diese Menschen kümmern. Sie brauchen menschliche Wärme und Anerkennung." Im Bezirkstag werde sie dafür kämpfen, dass mehr Geld in diesem Bereich in die Hand genommen und die Unterstützung für Angehörige ausgebaut wird. Und sie will sich für Kultur im Landkreis Dachau einsetzen, etwa für ein Museumsforum auf dem MD-Gelände, und möchte die "Ängste und Emotionen" der Menschen ernst nehmen.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi spricht schließlich über seine ersten Monate in Berlin, über die es aber eigentlich noch gar nicht so viel zu erzählen gibt, weil immer noch keine Regierung gebildet wurde und die SPD mitten in Sondierungsgesprächen über eine große Koalition mit den Vertretern von CDU und CSU steckt. Sein Büro in Berlin funktioniere aber schon sehr gut, erzählt Schrodi, und politisch sei er auch nicht ganz untätig gewesen. Die entscheidende Frage, ob Ja oder Nein zur Großen Koalition, lässt Schrodi allerdings unbeantwortet. Man müsse erst die Ergebnisse der Sondierungsgespräche abwarten, um eine Entscheidung zu treffen, sagt er. Ganz abgeneigt scheint Schrodi aber nicht zu sein. "Wir könnten die Chance auch nutzen, zu regieren, aber wir dürfen uns nicht so unterbuttern lassen wie beim letzten Mal", sagt er etwa. Ansonsten hält er sich an Karl Valentin: "Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen."

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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