Eindeutige Hausordnung:Fotografieren verboten

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In manchen Bädern müssen Gäste die Kameralinsen an ihren Handys zukleben lassen. Dachauer Stadträte halten das nicht für nötig. (Foto: Toni Heigl)

Die Stadtwerke wollen ihre Badegäste vor Spannern schützen

Von Benjamin Emonts, Dachau

Eine Diskussion, wie sie jetzt in Dachau entbrannt ist, hätte es unter Altbürgermeister Lorenz Reitmeier nicht gegeben. Als er noch in Amt und Würden war, war das Oben-Ohne-Sonnen in Dachau ausdrücklich erlaubt. Doch diese Zeiten sind vorbei. Erst vor wenigen Tagen wurde eine Frau im Dachauer Familienbad vom Bademeister zurechtgewiesen, weil ihr Bikini-Oberteil am Rücken geöffnet war, als sie sich auf dem Bauch liegend sonnte. Der Vorgang löste auf Facebook ein mittelschweres Erdbeben aus und nötigte die Betreiber des Freibads zu einer Erklärung. Die Botschaft: Die Bikinis bleiben zu. Die Badeordnung der Dachauer Stadtwerke schreibt es so vor.

Eigentlich ist der Vorfall aber nur eine Randnotiz, die Licht auf ein viel gravierenderes, mittlerweile deutschlandweit diskutiertes Problem wirft. Es geht um das Fotografieren in öffentlichen Schwimmbädern. Im Zeitalter der Smartphones trägt jeder seine hochauflösende Kamera mit Videoaufnahmefunktion in der Hosentasche mit sich herum. Zu viel nackte Haut, so befürchten die Stadtwerke, könnte Spanner auf den Plan rufen, die kleine Mädchen oder nackte Frauen fotografieren. Dazu soll es erst gar nicht kommen.

Das Thema ist ein sehr sensibles. Barbara Kern, die Abteilungsleiterin Bäder bei den Stadtwerken, wird hin und wieder von besorgten Müttern und Frauen angesprochen, weil sie den Verdacht geschöpft haben, sie könnten im Freibad fotografiert worden sein. Was viele vermutlich nicht wissen: "Das Fotografieren im Familienbad ist verboten", darauf weist Kern eindringlich hin. Nachzulesen ist das auch in besagter Badeordnung, die auf der Homepage der Stadtwerke online steht. In Paragraf 5, Absatz 9, heißt es: "Filmen und Fotografieren ist nur mit vorheriger Genehmigung der Werkleitung oder des von ihr beauftragten Aufsichtspersonals zulässig. Das Filmen und Fotografieren von fremden Personen und Gruppen ist nur mit deren Einwilligung gestattet."

Umsetzen lässt sich das Verbot jedoch kaum. Wer soll aus der Entfernung schon beurteilen können, ob da jemand gerade eine Nachricht in sein Smartphone tippt oder doch Bilder herumtollender Kinder schießt? Zumal an guten Tagen bis zu 7000 Menschen das Freibad besuchen. Für die Schwimmmeister, sagt Kern, sei es obendrein unheimlich schwer, das Fotografieren zu verhindern. "Sie sind hauptsächlich für die Beckenaufsicht eingeteilt und haben viel damit zu tun." Erschwerend hinzu komme, dass Jugendliche oft Fotos auf ihren Smartphones machten, auf denen sie unabsichtlich Menschen im Hintergrund ablichteten. Später posten sie die Bilder dann im Internet, wo sich die Statisten aus dem Hintergrund entsetzt wiederfinden.

Mehr als 60 Bäder in Deutschland haben laut Kern deshalb bereits reagiert und ein Handy-Verbot ausgesprochen. In der Praxis laufe es so ab, dass auf den Linsen der Smartphones spezielle Aufkleber beim Betreten des Bades angebracht würden. Manipuliert man daran, ist der Aufkleber beschädigt. Der Betreiber des Bades könne dadurch feststellen, ob fotografiert wurde und gegebenenfalls ein Platzverbot aussprechen. Auch in Dachau könnte diese Lösung zumindest eine Option sein, sollte es zu entsprechenden Vorfällen kommen. Bisher aber sei kein einziger konkreter Fall bekannt geworden, sagt Kern. Trotzdem wurden die Bademeister für das Thema sensibilisiert. Laut der Badeordnung ist es ihre Entscheidung, ob eine Badebekleidung den Anforderungen entspricht. Im Fall des geöffneten Bikini-Oberteils habe der Angestellte folglich alles richtig gemacht, betont Kern. "Wenn wir das Gebot aufweichen würden, könnte es sein, dass andere Damen sich noch freizügiger verhalten", sagt Kern. Das Fotografier-Problem, davon ist sie überzeugt, würde sich weiter verschärfen, wenn sich Frauen oben ohne sonnten.

Die Kommunalpolitiker reagieren indes gelassen auf das Thema. "Man muss das Problem erst dann lösen, wenn es auch da ist - und nicht schon vorher eines daraus machen", sagt der CSU-Fraktionsvorsitzende Florian Schiller. Stadtrat Jürgen Seidl sagt lapidar: "Ich bin als FDP-Mitglied grundsätzlich gegen jegliche Regulierungen und Verbote. Ich glaube, wir haben andere Probleme." Thomas Kreß, der Fraktionsvorsitzende der Grünen, glaubt: "Wenn unangemessene Fotos gemacht werden, fällt das jemandem auf. Da gehört dann gezielt ein Platzverbot ausgesprochen." Bäder-Chefin Kern verspricht, die Entwicklung in den Dachauer Bädern ganz genau zu beobachten. Sie versichert: "Wenn es Beschwerden gibt, wird die Person des Bades verwiesen oder wir holen die Polizei, wenn es ganz schlimm ist."

Wer keine ungebräunten Streifen auf der Haut haben will, sollte sich also lieber an einen See legen.

© SZ vom 03.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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