Ehrenamtliche im Paragrafendschungel:Feiern nach Vorschrift

Immer strengere Auflagen machen den Vereinen nicht nur viel Arbeit, sie lösen bei den Ehrenamtlichen auch zunehmend Frust und Verunsicherung aus. Manchen wird die Brauchtumspflege schon langsam zu heikel.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Christa Berger-Stögbauer kennt sie alle: Platzverordnung, Festzugverordnung, Brandschutzverordnung. Sie ist Festreferentin des Karlsfelder Siedlerfestes, das Anfang Juli über die Bühne geht und momentan in der heißen Vorbereitungsphase steckt. Berger-Stögbauer weiß genau, wie weit die Tische im Bierzelt auseinander stehen dürfen, wo Fluchtwege verlaufen oder Toiletten platziert werden müssen. Seit kurzem ist sie auch Expertin in Datenschutz. Wegen dieser "blöden neuen Datenschutzverordnung", erzählt Berger-Stögbauer, habe sie letztens alle Schausteller anschreiben und fragen müssen, ob sie ihre Namen in einer Pressemitteilung veröffentliche dürfe. Jedes Jahr kämen mehr Auflagen hinzu, die Zeit fressen. Da frage man sich schon irgendwann: "Ist es das eigentlich wert?"

Gäbe es einen Ordner für Verordnungen, die Vereine bei Festen erfüllen müssten, würde dieser immer dicker werden. Das ist jedenfalls der Eindruck, den man gewinnt, wenn man sich unterhält mit Burschen-, Heimat- und Faschingsvereinen oder all den anderen Ehrenamtlichen, die mit ihren geselligen Veranstaltungen das bayerische Brauchtum pflegen. Während man früher bei Grillfesten einfach ein paar Biertischgarnituren aufgestellt hat, müssen ausrichtende Verein sich heute Gedanken machen über die Sicherheit auf dem Gelände, Gema-Gebühren oder Hygienevorschriften. Wenn sich ein Kind in der Hüpfburg den Fuß verknackst oder beim Kraxeln vom Klettergerüst fällt, kann es schnell teuer werden für den Veranstalter. "Die Verantwortungen werden immer größer", sagt Erich Kraus vom Gartenbauverein Petershausen. "Was damals keinen interessierte, sorgt heute für Diskussionen." Als Veranstalter sei man unsicher, ob man auch jede Verordnung bedacht oder jede Genehmigung eingeholt habe. Die Folge: Man überlege sich zweimal, ob man überhaupt ein Fest auf die Beine stelle, "oder ob uns das alles zu blöd ist".

Ehrenamtliche im Paragrafendschungel: Feste wie bei der Fahnenweihe des Burschenvereins Pfaffenhofen sind Tradition.

Feste wie bei der Fahnenweihe des Burschenvereins Pfaffenhofen sind Tradition.

(Foto: Toni Heigl)

Es brodelt in den Vereinen. Im Sommer finden überall im Landkreis Dachau Grill- und Gartenfeiern statt. Doch neben der eigentlichen Veranstaltung müssen sich die Ehrenamtlichen auch oft durch einen lästigen Paragrafendschungel kämpfen, den kaum noch jemand durchblickt. Jetzt hat auch die bayerische CSU-Bauministerin Ilse Aigner das Dilemma zwischen Verordnungen und Ehrenamt erkannt. Sie will den Vereinen helfen. Daher hat sie ein Merkblatt herausgegeben, das Ehrenamtler darüber aufklären soll, was bei der Organisation von Festen zu beachten ist. Freilich müssten große Veranstaltungen sicher sein, so Aigner. Aber diese Auflagen sollten im Verhältnis stehen. "Ehrenamtlicher Einsatz und Gemeinschaftsfeste sind Fixpunkte unserer bayerischen Lebenswelt. Deshalb lege ich auch großen Wert drauf, dass die Sicherheitsauflagen nicht am gesellschaftlichen Leben Bayerns rütteln." Das sieht auch Walter Nussel so. Er ist der Beauftragte der Staatsregierung für Bürokratieabbau und damit so etwas wie die Behörde zur Verringerung von Behörden. "Auflagen dürfen nicht Verhinderungsgrund für die zahlreichen Feste sein", sagt er.

Das Ochsenrennen wurde auch Opfer der Auflagen

Einige Vereine im Landkreis haben ihre Feierlichkeiten bereits wegen umfassender Vorschriften zurückgefahren. Das Siedlerfest in Karlsfeld dauert zehn Tage. Es ist eine Riesenveranstaltung. Zehntausende Besucher strömen über das Gelände am Karlsfelder See. Bis vor vier Jahren liefen dort noch Ochsen um die Wette. Doch wegen der vielen Sicherheits- und Tierschutzverordnungen hat sich die Siedlergemeinschaft Karlsfeld Nord dazu entschieden, auf das Rennen zu verzichten. "Die Auflagen sind zu groß geworden", sagt Berger-Stögbauer. Ein Veterinär und ein Tierarzt hätten den Wettbewerb überwachen müssen. Sogar ein Schlachter, der im Notfall eingreift, hätte mit dabei sein müssen, sagt Berger-Stögbauer. Für die Siedlergemeinschaft sei das zu viel Aufwand gewesen. Die Zeit stecke man seitdem lieber in andere organisatorische Aufgaben.

Die Ehrenamtlichen müssen sich etwa um die Verkehrssicherung oder die Hygiene am Fest kümmern. Der Burschenverein Pfaffenhofen/Glonn hat am Wochenende ein Gartenfest mit Live-Musik veranstaltet. Dabei mussten sich die Burschen im Vorfeld mit Gema-Gebühren und Sperrstundenverordnung auseinandersetzen. "Da kommt man nicht drum herum", sagt der Burschenvorsitzende Johannes Scheb. Um zumindest die Auflagen des Gesundheitsamtes vom Tisch zu haben, habe man sich dazu entschlossen, die Bewirtung von einem Caterer machen zu lassen.

Ehrenamtliche im Paragrafendschungel: Das Ochsenrennen beim Siedlerfest ist Geschichte.

Das Ochsenrennen beim Siedlerfest ist Geschichte.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Doch das vielleicht größte Thema für die Vereine ist die Sicherheit auf dem Veranstaltungsgelände. Viele Ehrenamtler haben den Eindruck, dass mit den Auflagen auch für sie die Verantwortung zunimmt, dass den Besucher nichts passiert. Der Gartenbauverein Petershausen stellt seit Jahren ein Wald- und Gartenfest an der Jetzendorfer Straße. Die Gäste können eine Mass im Biergarten bei Volksmusik trinken. Heuer hilft auch der Waldkindergarten bei der Organisation mit. Daher gibt es ein größeres Kinderprogramm als sonst. Die Kleinen können klettern und auf Schatzsuche im Wald gehen. Doch damit beginnt schon das Problem. "Wer ist haftbar, wenn einem Kind auf dem Gartenfest etwas passiert?", sagt Erich Kraus. Auch damit müsse man sich als Verein auseinandersetzen. Er erinnere sich an den tragischen Fall, als ein kleiner Junge auf dem Fußballplatz von einem Tor erschlagen wurde und anschließend der Trainer wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wurde. Er könne nur hoffen, dass alles gut gehe. "Aber richtig wohl fühlt man sich dabei nicht."

"Finanziell ist das fast nicht mehr zu machen"

Auch die Weixer Maschkera haben mit großen Problemen wegen der Sicherheit rund um den Faschingsumzug in Weichs zu kämpfen. Das Komitee hat Geldsorgen. Diese führen die Verantwortlichen unter anderem auf die Sicherheitsvorkehrungen zurück, die immer umfassender werden. Ähnliche Stimmen kommen aus anderen Faschingsvereinen im Landkreis. Maschkera-Mitglied Joachim Drexler sagt: "Finanziell ist das fast nicht mehr zu machen." Securitys, Rettungssanitäter und auch die Feuerwehr kosten Geld. "Zum Glück ist die Polizei umsonst", sagt Drexler und lacht, obwohl er das alles gar nicht witzig findet. Schließlich ist letztlich der ganze Faschingsumzug gefährdet. Um die Maschkera am Leben zu halten, hat das Komitee zuletzt einen Zuschuss in Höhe von 2000 Euro bei der Gemeinde beantragt.

Scheb, Kraus, Drexler und andere Ehrenamtliche sind froh, dass sie bei Festen und Feiern von den Gemeinden viel Unterstützung bekommen. Hie und da drücken die Bürgermeister auch einmal ein Auge zu. Aber man kämpfe schon gewaltig mit immer neuen Auflagen, auch abseits von Feiern und Festen, sagt Kraus vom Gartenbauverein Petershausen. "Wir wollen eigentlich unseren Ort verschönern und uns um die Gartenarbeit kümmern, und nicht um die Datenschutzverordnung."

Faschingszug

Beim Faschingsumzug in Weichs wird das Brauchtum beerdigt.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Bauministerin Aigner appelliert an die Vereine, sich ohne Scheu an die Bauaufsichtsbehörden zu wenden. "Bei Fragen zu Standsicherheit, Brandschutz und Verkehrssicherheit. Ob für die Hüpfburg, für das Bierzelt oder die große Bühne. Von der Beleuchtung bis hin zur Bestuhlung und dem Rettungsweg sollte nichts übersehen werden."

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