Benefizkonzert für den SZ-Adventskalender:Die Stille Nacht einmal ganz anders

Lesezeit: 2 min

Die Literaturauswahl reicht von Rainer Maria Rilke über Ludwig Thoma und Michael Groißmeier bis zu Feridun Zaimoglu

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Die Ankündigung, dass in einem weihnachtlichen Programm das Lied "Stille Nacht, heilige Nacht" vorkommt, obendrein noch am Anfang, also nicht als Höhepunkt oder pointierter Abschluss, nährt den Verdacht einer Satire. Nun wären Angelika Mauersich und Dominik Härtl von der Ludwig-Thoma-Gemeinde - theatererfahren, wie sie sind - durchaus dazu in der Lage. Aber sie wissen, wie schnell man sich in der Falle des Klischees verfängt.

Das SZ-Benefizkonzert stimmt auf eine überraschende Weise dieses Lied an, um zahlreiche literarisch-musikalische Variationen des weihnachtlichen Gefühls zu intonieren. So wie es die Deutschlehrerin am Josef-Effner-Gymnasium und der Rechtsanwalt in Lesungen beispielsweise für den Dachauer Blinden- und Sehbehindertenverein fast jedes Jahr tun. Ihre Erfahrungen führen mitten hinein in die Idee für das SZ-Benefizkonzert.

Dominik Härtl erzählt, wie er jedes Mal erstaunt ist, dass bei den Veranstaltungen ganz anders zugehört wird. "Es ist schon berührend, wenn diese Menschen bei unserem Vortrag noch die Augen schließen." Angelika Mauersich fasziniert die innere Konzentration auf den Klang der Sprache. Deswegen wollen beide am Dienstag, 20. Dezember, Klangbilder schaffen, in denen Worte und Musik sich verbinden.

Aber passt Robert Schumanns Spätromantik tatsächlich zu dem derb bayerischen Ludwig Thoma? Zu dem Weihnachtsgedicht, das Mauersich und Härtl vortragen, auf jeden Fall. Denn Ludwig Thoma erinnert sich an seine Jugend. In knappen Sätzen skizziert er die Zeit der eigenen Kindheit. Thomas fragmentarische, holzschnittartige Anmerkungen sind nicht sentimental. Sie streben danach, das authentische Gefühl festzuhalten, das Kinder mit Weihnachten verbinden. In diesem Sinn ist das Gedicht ein Klangbild, auch wenn sich nichts reimt. Oder gerade deswegen.

Diese Fähigkeit mit wenigen Strichen Bilder zu schaffen, hat auch der zeitgenössische Dachauer Dichter Michael Groißmeier. Für Härtl und Mauersich stellt er eine Art neue Entdeckung dar, so wie nur das Bekannte überraschend wirken kann. Groißmeier hat im Münchner Allitera-Verlag kürzlich drei neue Gedichtbände veröffentlicht, in denen er Gefühle aufspürt, die uneinholbar verloren sind oder schwer zu bewahren: "Glückselig, wer noch nicht vertrieben ist, aus seinem Kinderparadies."

Feridun Zaimoglu hat ganz besondere Kindheitserinnerungen. Der 52-jährige Schriftseller teilt mit Ludwig Thoma das Schicksal, einige Zeit in Dachau verbracht zu haben. Thoma arbeitete als Rechtsanwalt, Zaimoglu besuchte die 10. Klasse des Josef-Effner-Gymnasiums. Vor genau zehn Jahren kehrte er hierher zurück und erzählte auf dem Effner-Salon von seiner Dachauer Zeit. Davon, als 16-Jähriger nur eins, Mädchen, im Kopf gehabt zu haben. Davon, schuldig zu sein am eigenen Schulversagen. Er habe sicher in Bayern höheren Anforderungen gegenübergestanden als zuvor in Niedersachsen. Aber einigen ehemaligen Mitschülern erzählte er auch von einer Grundschullehrerin, die ihm außerhalb des Unterrichts die deutsche Sprache gelehrt habe. Ohne sie wäre er vielleicht nie Schriftsteller geworden. Er kam mit seinen Eltern 1985 aus der Türkei.

Dominik Härtl hätte sich vorstellen können, eine musikalische Lesung ausschließlich mit Texten von Feridun Zaimoglu zu gestalten. Aber Angelika Mauersich, Kreul und er haben die Klangbilder dann doch weiter gefasst. Sie lassen Schriftsteller zu Wort kommen, die eine Nähe zu Dachau haben. Und dazu gehört auch Rainer Maria Rilke, der die Große Moosschwaige im ausgehenden 19. Jahrhundert besuchte. Außerdem sollten die Geschichten durch einen Aspekt ergänzt werden, der typisch für Weihnachten ist: die liebe Familie. Dazu haben sie Texte von Heinrich Spoerl ausgewählt. An den Lesungen beteiligen sich Edi Hörl, Vorsitzender der Thoma-Gemeinde, und Brigitte Fiedler von den Dachauer Gästeführerinnen.

Der Titel des SZ-Benefizkonzerts der Ludwig-Thoma-Gemeinde mit Markus Kreul am Dienstag, 20. Dezember, im Ludwig-Thoma-Haus in Dachau lautet: "Von Dachau in die Welt - eine musikalisch-literarische Reise". Der Sektempfang beginnt um 18.30 Uhr. Um 19.30 Uhr folgt das Konzert. Karten: Volksbank Dachau und Schreibwaren Siems, Bahnhofstraße 9, 08131 / 8 07 46.

© SZ vom 15.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: