Die Katakomben der Altstadt:Die Türen zur Dachauer Unterwelt bleiben zu

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Jahrelang hat Stadtrat Edgar Forster zigtausende Touristen durch die Katakomben unter dem Hörhammerbräu geführt, dann wurde ihm das plötzlich wegen der Auflagen zum Brandschutz verwehrt. Ein Investor will das denkmalgeschützte Gebäude nun sanieren und die Gewölbe retten

Von Robert Stocker, Dachau

Die Dachauer Unterwelt ist für Besucher passé - zumindest, wenn es sich um Führungen durch die Kellergewölbe in der Altstadt handelt. Grund dafür sind offenbar Brandschutzauflagen. Hobbyhistoriker und Stadtrat Edgar Forster (Freie Wähler Dachau) ärgert sich noch heute darüber: Seine beliebten Führungen durch den Dachauer Untergrund sind vorbei - und gerade die Unterwelt war eine Touristenattraktion. Zehn Jahre lang organisierte Forster die Stadt- und Wirtshausführung "Luja und Prost", bei der die Teilnehmer auch durch unterirdische Gewölbe wandeln konnten. Das Ende kam völlig überraschend für ihn.

Von den Kellergewölben der ehemaligen Diskothek am Widerstandsplatz in der Dachauer Altstadt führen unterirdische Gänge zu den Katakomben unter dem Hörhammer. (Foto: Niels P. Jørgensen)

"Vor drei Jahren war auf einmal Schluss damit", wundert er sich. Der Hobbyhistoriker hatte für die wöchentlichen Führungen einen Rathausschlüssel. Als er wieder einmal den Sitzungssaal aufsperren wollte, stand der Hausmeister vor der Eingangstür. "Ich darf Sie hier nicht mehr hereinlassen, hat der Hausmeister zu meinem großen Erstaunen gesagt", berichtet Forster. Laut Hausmeister hatte der Kulturamtsleiter das Verbot angeordnet. Forster rief daraufhin bei Tobias Schneider an, doch der wusste nichts davon. Weil Stadtrat Forster der Sache auf den Grund gehen wollte, hakte er in einer Ausschusssitzung nach. Der Grund für das Verbot sei die Brandgefahr, lautete die Antwort der Verwaltung. Wenn das Verbot nicht beachtet werde, könne das strafrechtliche Konsequenzen haben. "Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen soll", kommentiert Forster die amtliche Auskunft, "aber eigentlich muss man das lustig nehmen".

Doch der Hobbyhistoriker würde die Führungen gerne wieder aufnehmen. Er erinnert an den großen Zuspruch. Im Laufe von zehn Jahren habe er etwa 500 Rundgänge mit jeweils 30 Teilnehmern organisiert. "Summa summarum waren das 15 000 Leute aus halb Oberbayern." Noch immer werde er jede Woche von Interessenten gefragt, warum die Führungen nicht mehr stattfinden. Grundlage für die Rundgänge war Forsters Buch "Luja und Prost", das sich mit der Geschichte Dachauer Gastwirtschaften befasst und gleichzeitig Geschichten über die Dachauer "Wirtschaftsgeschichte" erzählt. Zur Führung gehörten auch Anekdoten über Josef Erhorn alias "Biwi", den legendären Pächter der Gaststätte Kochwirt. "Für die Stadt Dachau waren die Führungen sehr attraktiv", sagt Forster.

Früher wurde in der Diskothek noch Feuer gespuckt - heute sind wohl die Brandschutzauflagen der Grund dafür, dass die Dachauer Unterwelt für Besucher nicht mehr zugängig ist. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Bauamtsleiter Michael Simon kann sich indes nicht erinnern, dass das Bauamt ein Veto gegen die Führungen im Dachauer Untergrund eingelegt hat. Das sei eigentlich Sache der Grundstückseigentümer. Simon weiß allerdings davon, dass es im Gebäude einer ehemaligen Diskothek am Widerstandsplatz Brandschutzprobleme gab. "Wenn da Auflagen eingehalten werden müssen, betrifft das natürlich auch die Führungen." Von den Kellergewölben dieses Hauses führen unterirdische Gänge zu den Katakomben des Hörhammerbräu. Seit 14 Jahren steht das denkmalgeschützte Gebäude leer. Im Januar 2002 hatte der letzte Pächter Bruno Nicoldi den Betrieb des Hörhammerbräu aufgegeben.

Zwei Investoren, die schon damals das traditionsreiche Gasthaus und Hotel in Wohnungen umwandeln wollten, sprangen wegen der Denkmalschutz-Auflagen vom Kauf des Gebäudes ab. An das Projekt wagt sich jetzt das Münchner Wohnungsunternehmen WU, das den Hörhammerbräu von der Salvator Immobilien AG Anfang 2016 erwarb. Das Unternehmen plant an diesem exponierten und geschichtsträchtigen Ort ein großes Projekt. Auf zwei Etagen und im historischen Dachboden sollen 40 Wohnungen entstehen - keine leichte Aufgabe wegen der Anforderungen für den Denkmalschutz. WU-Architekt Christian Uez ist jedoch zuversichtlich, ein wirtschaftliches Konzept gefunden zu haben. Der Hörhammerbräu steht an der Krone des Altstadthangs, der im 19. Jahrhundert durchgängig in Terrassen angelegt war. Dieser Zustand soll wieder hergestellt werden. Der Neubau wird in den Hang integriert; Teile des Hangs könnten Mieter als Garten nutzen. Im Frühjahr 2016 wurden im oberen Bereich Bäume gefällt, weil sie auf das alte Gemäuer viel Schatten warfen. Dadurch sollen die Mauern schneller trocknen, damit die Jahrhunderte alte Substanz so weit wie möglich erhalten bleibt.

Das soll auch für die historische Unterwelt unter dem Hörhammerbräu gelten. Noch liege kein Bauantrag des Investors vor, sagt Michael Simon. "Derzeit finden Vorgespräche zwischen der Stadt, dem Landesamt für Denkmalpflege und dem Bauherrn statt. Ziel ist es, so viel wie möglich von den Gewölben zu retten." Probleme könnte es auch bei der Statik geben. Simon: "Für die Absicherung muss der Bauherr sorgen." Und die Wege in die Dachauer Unterwelt bleiben bis auf weiteres gesperrt.

© SZ vom 29.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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