Das Land Bayern gibt keine Zuschüsse:Tierschutz zum Nulltarif

Lesezeit: 3 min

Die Polizei stoppt einen illegalen Transport, ein Teil der mehr als 7000 Kleintiere kommt nach Dachau. Selbst in einem Notfall wie diesem zahlt der Staat keinen Cent - das Tierheim bleibt auf seinen Kosten sitzen

Von Jana Rick, Dachau

Es soll der größte illegale Tiertransport in Deutschland überhaupt gewesen sein. Die Polizei stoppte in der Nacht zum 15. Oktober auf einem Autobahnparkplatz bei Amberg einen tschechischen Tiertransporter mit mehr als 7000 Kleintieren. Die beschlagnahmten Mäuse, Hamster, Ratten, Kaninchen und Meerschweinchen sollten offenbar als Futtertiere in Belgien verkauft werden - und wurden auf Tierheime in Bayern verteilt, auch auf das in Dachau. Jetzt gab der Deutsche Tierschutzbund bekannt, dass die Tiere nun ins Eigentum der rund achtzig betreuenden Tierheime übergehen. Und so gehören ein Chinchilla, acht Meerschweinchen, acht Goldhamster, 48 Ratten und 87 ungarische Zwerghamster dem Tierheim in der Rosswachtstraße. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die desolate finanzielle Situation der Tierheime: "Bayern ist das einzige Bundesland, das den Tierschutz nicht in den Haushalt aufnimmt. Die Unterstützung ist gleich null", sagt Gruber. Ihr Verein wird auf den Kosten sitzen bleiben.

Schublade voller Tiere

Die Vorsitzende des Tierschutzvereins, Silvia Gruber, war in jener Nacht vom Landesverband des Tierschutzbundes um Hilfe gebeten worden. Also fuhr sie um zwei Uhr in der Nacht mit drei weiteren Helfern nach Amberg. Was sie dort vorfand, kann sie nicht in Worte fassen. "Über 200 Schubladen, ich kann diese Teile einfach nicht Käfige nennen, mit Tieren standen dort in den Gängen." Dass sich in einer Schublade fast 100 Tiere befanden, das hätte niemand gedacht. Aber auch streng geschützte Exoten wie Chamäleons und Axolotl waren darunter. Die Tierschützer waren nach dem Fund am Sonntagabend von der Polizei hinzugerufen worden. Viele Tiere seien in viel zu engen und falsch temperierten Boxen untergebracht gewesen. Während des Transports hätten die Tiere kein Wasser und Futter gehabt, etliche seien beim Fund bereits tot gewesen. Die Übernahme brachte das Dachauer Tierheim über seine Kapazitäten, wie Gruber erklärt.

100 kleine Hamster entwurmen

Die richtige Arbeit begann erst noch: "Entwurmen Sie mal 100 kleine Hamster. Die Leute stellen sich das immer so leicht vor, ach, da werden ein paar Tierchen versorgt. Aber wie viel Arbeit wirklich dahinter steckt, weiß niemand." Alle Tiere mussten tierärztlich versorgt werden, Kotproben wurden genommen, viele von ihnen hatten ansteckende Krankheiten. Die Pfleger mussten deswegen strenge Hygienevorschriften einhalten. Das größte Problem jedoch waren die Hamster: Alle weiblichen Goldhamster kamen bereits trächtig in Dachau an, nach drei Tagen warfen sie, und das Tierheimteam stand vor einer noch größeren Menge Hamstern.

Die Unterbringung der fast neunzig ungarischen Hamster erwies sich als eine weitere Herausforderung: Die Tiere müssen einzeln gehalten werden. "Da hatten wir am Anfang gar nicht die Möglichkeiten", erklärt Gruber. Also wurde das Kleintierhaus für Besucher gesperrt, Zimmer umgebaut und neue Schwerlastregale für die Terrarien aufgestellt. Die Kosten? "Normalerweise muss der Verursacher die Kosten tragen, also die Firma der Futtertierzüchtung. Doch wenn sie die Tiere freigeben, was eigentlich immer der Fall ist, dann fallen die Kosten bei uns an", erklärt Gruber.

Wie so oft fühlt sich die Tierschützerin auch in diesem Notfall im Stich gelassen. Sie betont, dass das Tierheim nicht staatlich, sonder ein privater Verein sei. Über die Runden komme das Tierheim nur dank Spenden und Mitgliedsbeiträgen. "Ich habe das Gefühl, dass der Tierschutz in Bayern überhaupt keinen Stellenwert hat". Sie, so Gruber, habe schon mehrmals mit dem Landratsamt über dieses Problem gesprochen, doch sie ahnt, dass sie auch dieses Mal für Futter, Einstreu und Schutzanzüge für die Pfleger alleine aufkommen wird. "Und dann heißt es wieder, warum seid ihr so blöd und nehmt so viele Tiere auf?" Doch die Frage beantwortet sich für sie von selbst. Tieren in Not kommt ihr Team selbstverständlich zu Hilfe. "Da geht es um Lebewesen, die haben es sich nicht rausgesucht, dort eingepfercht zu sein." Außerdem: Ein solcher Tiertransport könne jedes Tierheim treffen, sagt Gruber. "Es kann uns genauso ergehen. Wir liegen auch an der Autobahn. Und sind dann froh, wenn uns auch andere Tierheime unter die Arme greifen".

Wenn alle wegschauen, ändert sich nichts

Jetzt müsse sie, sagt Gruber, bei den Kommunen und beim Staat "betteln", was eigentlich unter ihrem Niveau sei. Aber für die Tiere mache sie es. Gleichzeitig lobt Silvia Gruber die Stadt Dachau, die seit 2016 dem Tierheim einen freiwilligen Zuschuss zahle, als einzige von 17 Kommunen im Landkreis. Sie ruft alle Politiker auf, einmal selbst in die Tierheime zu gehen, sich ein Bild vom nicht endendem Tierelend zu machen. Denn "wenn wir alle wegschauen, dann ändert sich nichts", sagt die Tierschützerin.

Die neuen Kleintiere aus Tschechien werden wohl noch eine Weile im Tierheim Dachau bleiben. Denn wie in vielen Tierheime gilt auch im Dachauer ein Vermittlungsstopp vor Weihnachten. So soll verhindert werden, dass Familien, ohne sich viele Gedanken zu machen, ein Tier als Weihnachtsgeschenk zulegen, dessen Betreuung in den stressigen Feiertagen vielen zur Last wird. Jedes Jahr wurden solche Tiere dann zurückgebracht. Nach Silvester können die kleinen Nager dann in gute Hände gegeben werden.

Tierpflegerin Marion Marguerre kümmert sich um die Kleintiere,die nach Neujahr vermittelt werden können. (Foto: Niels P. Joergensen)

Auch für Silvia Gruber beginnt mit dem neuen Jahr eine große Aufgabe. Sie möchte einen zusätzlichen Neubau für das Tierheim bauen lassen. Die nötigen Zuschussanträge dafür hat sie bereits gestellt. Aber sie weiß: "Das wird ein harter Kampf".

© SZ vom 27.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: