Dachau/Fürstenfeldbruck:Ein Blick in den Abgrund

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Sweet Home: Max (Tim Freudensprung im roten Bademantel) und sein Lebensgefährte Rudi (Hagen Ullmann) spüren das Unheil auf sich zukommen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Neue Bühne Fürstenfeldbruck führt in Dachau das Theaterstück "Rosa Winkel" auf

Von Andreas Ostermeier, Dachau/Fürstenfeldbruck

Martin Shermans Theaterstück "Rosa Winkel" ist eine Reise in den Abgrund. Die Neue Bühne Bruck hat sie seit Ende November 2015 im Programm und führt das Theaterstück nun in Dachau auf. Am Sonntag, 6. März, 19 Uhr, findet eine Sondervorstellung im Ludwig-Thoma-Haus statt. Veranstalter sind die Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte, die Katholische Seelsorge und die Theatertage Dachau.

In den Abgrund stürzt Max, ein junger Homosexueller, der in den frühen Dreißigerjahren in Berlin lebt. Er wird, weil er Männer liebt, ins KZ gesperrt und muss sinnlose Zwangsarbeit leisten. Auch den Abgrund in sich selbst lernt Max (Tim Freudensprung) auf dem Weg vom bürgerlichen Leben ins KZ kennen, denn um sich zu retten, hilft er den SS-Schergen, seinen Lebensgefährten zu töten. Unvorstellbare Grausamkeiten muss der junge Mann miterleben oder selbst erdulden. Dazu kommt das Steineschleppen, mit dem er in den Wahnsinn getrieben werden soll.

Das Stück wurde Ende der Siebzigerjahre veröffentlicht und erlebte viele Aufführungen. Auch diente es als Vorlage für einen Film. Hintergrund des Stücks ist die Verfolgung der Homosexuellen durch das nationalsozialistische Regime. Neben Juden, politischen Widersachern, Kriminellen oder religiös Verfolgten wurden auch Homosexuelle in Konzentrationslager gesperrt, misshandelt und ermordet. Um sie zu kennzeichnen, bekamen sie einen rosa Winkel auf den Häftlingsanzug genäht - daher stammt der deutsche Titel des Stücks. Max, der hört, dass Homosexuelle am schlechtesten behandelt werden, bemüht sich deshalb, den gelben Judenstern tragen zu können. Er glaubt, sich auf diese Weise einen Vorteil verschaffen zu können. Doch um den gelben Stern zu erhalten, muss er beweisen, nicht schwul zu sein. Deshalb versetzt er seinem Lebensgefährten Rudi, der von der SS zusammengeschlagen wird, mehrere Tritte in den Bauch, so dass Rudi (Hagen Ullmann) stirbt.

Die "kleinen Geschäfte", die Max macht, um sich oder anderen einen Vorteil zu verschaffen, gehen alle schief. Rudi ist nicht das einzige Opfer. Den Sturz in den Abgrund kann der junge Mann nicht aufhalten. Es dauert lange, bis er das versteht. Was er dann tut, das kann man als wahnsinnig bezeichnen. Aber ist es wohl das Gegenteil: Einsicht in die Ausweglosigkeit seiner Lage.

Regisseur Ralph Hüttig führt in seiner Inszenierung des Stücks den Absturz von Max deutlich vor Augen. Zu Beginn erklingt ein schmalziger Schlager aus den Dreißigerjahren, Max und Rudi sind ein Paar, wie es viele gibt, sie zanken und versöhnen sich, haben Geldprobleme und Angst vor dem Vermieter. Lediglich das schief hängende Bild an der Wand könnte als Andeutung verstanden werden, dass das normale Leben der beiden bald zerstört werden wird. Grau und trist ist die Bühne dagegen im zweiten Teil. Keine Farben mehr, keine Blumen, nur zwei Haufen von Steinen. In Fürstenfeldbruck gab es großen Beifall.

© SZ vom 29.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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