Dachau/Fondi:Ein ganz normales Miteinander

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Ali und seine Frau kamen aus Nigeria über das Mittelmeer nach Lampedusa. Nun leben sie in Fondi, wo auch Tochter Ginestra geboren wurde. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Flüchtlingsunterkunft Villa Luda liegt mitten in einem gepflegten Wohngebiet Fondis

Irmgard Wirthmüller staunt: Die Asylbewerberunterkunft Villa Luda in Fondi liegt mitten in einem sehr gepflegten Wohngebiet. Die Caritas-Mitarbeitern aus Dachau ist gerade mit dem Kulturbus in der italienischen Partnerstadt unterwegs. Sie erfährt, dass die ehemalige Hotelpension eines von vier Wohnhäusern ist, in denen der Verein Ginestra 60 Flüchtlinge betreut. Die Bewohner kommen überwiegend aus Afrika, einige aus Pakistan und Bangladesh. Ali und seine Frau kamen aus Nigeria über das Mittelmeer nach Lampedusa. Sie leben seit einem Jahr in Fondi.

Die Arbeit der Organisation wird durch Zuschüsse der Kommune und private Spenden finanziert. Die Stadt zahlt einen Tagessatz von 35 Euro pro Flüchtling, die neu Angekommenen erhalten ein Startpaket mit Hygieneartikeln, Kleidung und - für die Betroffenen sehr wichtig - einer Telefonkarte. Neben Unterkunft und Verpflegung bekommen sie monatlich 75 Euro Taschengeld. Im Aufenthaltsraum stehen zwei Computer mit Internetzugang, der Verein organisiert auch Sprachkurs, Ausbildungsangebote und Praktika während der Wartezeit bis das Asylverfahren abgeschlossen ist. Irmgard Wirthmüller ist vor allem von der zentralen Lage beeindruckt, eine schicke Stadtvilla teilt sich das Grundstück mit dem Heim. "Habt ihr denn keine Probleme mit den Nachbarn?" Luca Magaro, ein hochgewachsener junger Mann, der das Projekt leitet, lacht. "Nein, wir hatten auch bei der Planung keine Proteste aus der Nachbarschaft. Wir leben hier ganz normal miteinander." Er kennt die Berichte von brennenden Unterkünften aus Deutschland und sagt: "Ich verstehe die Ängste von euch Deutschen nicht. Diese Leute sind so dankbar, wenn man sie aufnimmt und sich um sie kümmert."

Zum Abschied schenkt er der Caritas-Vertreterin ein rotes T-Shirt mit dem Aufdruck "Love Your Neighbor As Yourself" und sagt: "Wenn ihr das wollt, mache ich gerne ein Praktikum bei euch." Das Angebot gefällt Wirthmüller, die beiden tauschen Visitenkarten aus. Beim Mittagessen mit dem Stadtrat Vincenzo Carnevale erfährt sie aber auch, dass die hier betreuten Asylbewerber nur etwa ein Viertel der tatsächlich in der Region lebenden Flüchtlinge darstellen. Die Dunkelziffer ist hoch.

Auf Wirthmüllers Tagesprogramm steht noch die Besichtigung eines Caritas-Zentrums für Arme und Obdachlose, das komplett von Ehrenamtlichen betrieben wird und auch die Funktion einer Tafel übernimmt und eines Heimes für Waisen und vernachlässigte Kinder. Ihr Resümee: "Im Caritas-Haus in Fondi haben sie das Motto: Ich höre Dir zu. Es geht nicht nur um Essen und Kleidung, sondern um einen würdigen Umgang mit den Menschen. Genau das ist unsere Aufgabe."

Die SZ berichtet in lockerer Reihenfolge von den Aktivitäten der Reiseteilnehmer in Fondi.

© SZ vom 03.09.2015 / npj - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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