Dachau:Wettstreit der Worte

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Anfangs kostet es die Schülerinnen Überwindung, ihre Texte über Schule, Ausgehen, Klamottenauswahl vorzutragen. Dann macht es doch Spaß. (Foto: Toni Heigl)

Die Neuntklässler des Gymnasiums Markt Indersdorf üben sich im Poetry Slam - zuerst schüchtern, dann selbstbewusst

Von Manuel Kronenberg

Markt Indersdorf - In den Klassenräumen des Gymnasiums in Markt Indersdorf herrscht am Dienstag drückende Hitze. Doch die meisten Räume bleiben an diesem Vormittag sowieso leer. Nicht etwa wegen Hitzefrei - es ist Wandertag. Alle Schüler der Jahrgangsstufen fünf bis zehn sind außer Haus. Nur eine Klasse muss zum Unterricht erscheinen. Die Schülerinnen und Schüler der 9 d sitzen im Stuhlkreis beisammen, in einem Klassenzimmer im nordwestlichen Teil des Schulgebäudes. Hier ist es zu dieser Zeit noch am kühlsten. Richtigen Unterricht gibt es an diesem Tag für die 9 d aber auch nicht. Sie nehmen an einem Poetry-Slam-Workshop teil. Künstlerin Pauline Füg, ihres Zeichens preisgekrönte Slam-Poetin, zeigt den Jugendlichen, wie es gelingt, eine Idee in einem Text und schließlich in einer ausgefeilten Performance umzusetzen. So kurz vor den Sommerferien ist bei den Schülern für gewöhnlich die Luft raus, sie sehnen sich nach freien Tagen. Doch trotz der grundlegenden Motivationslosigkeit, die durch die Hitze noch verstärkt wird, sind die Teilnehmer jetzt begeistert dabei.

Pauline Füg animiert die anfangs noch etwas schüchternen Schüler dazu, eigene Texte zu verfassen und vorzutragen. Sie fragt zwei- bis dreimal ermunternd in die Runde: "Wer möchte?" Schließlich meldet sich eine Schülerin und wagt den Versuch, ihren Text vor Füg und den Mitschülern zu präsentieren. Füg zählt zur Elite des deutschen Poetry Slams. Im Jahr 2011 wurde die 32-Jährige mit den kurzen, blonden Haaren mit dem "Kulturpreis Bayern" der Bayernwerk AG ausgezeichnet. Ihre lyrischen Darbietungen haben ihr den Ruf als Bühnenpoetin eingebracht. Da kann man als jugendliche Anfänger-Poetin schon mal in Ehrfurcht erstarren. Doch die Schülerin aus der 9 d trägt ihren Text selbstbewusst vor und Füg hört gespannt zu: "Es ist Freitagmittag, Geschichte, na toll." Unterricht, eine Qual für die Schülerin. Die Zeit vergeht ihr nicht schnell genug, aber dann, endlich, ist die Stunde zu Ende und der Tag kann richtig beginnen. Manchmal klingt die Sehnsucht nach schulfreien Tagen eben doch noch durch. In anderen Texten der Jugendlichen geht es um den Freitagabend, um die Klamottenwahl für das abendliche Ausgehen. "Ihr seid echte Lyrik-Talente", sagt Füg begeistert und ergänzt: "Aber super schüchterne Talente." Der Workshop mit Pauline Füg wurde vom Bayernwerk unter vielen Kommunen verlost. Die Gemeinde Schwabhausen gewann das Preisausschreiben. Bürgermeister Josef Baumgartner spendierte den Gewinn aber an die neunte Klasse des Gymnasiums Markt Indersdorf. In Schwabhausen gibt es keine weiterführenden Schulen, für die ein solcher Workshop interessant gewesen wäre. Schulleiter Thomas Höhenleitner freut sich über das Geschenk: "Poetry Slam ist eine schöne Art, Schülern einen kreativen Umgang mit Texten beizubringen. Heute hat man ja gesehen, wie die Schüler aus sich herausgekommen sind. So bekommen sie vielleicht auch einen ganz neuen Zugang zu Texten und zu Literatur."

Zum Abschluss gibt Füg noch eine eigene Slam-Performance zum Besten. Ihr Text ist eine Liebeserklärung an Justus Jonas aus der Kinderbuchserie "Die drei Fragezeichen". "Lass mich dein Fragezeichen sein", bittet Füg darin. "Wir müssen Liebe und Beruf nicht trennen. Ich bin das vierte Fragezeichen." Schließlich habe sie noch ihren Mickey-Mouse-Detektivclubausweis. Applaus. Den Schülern gefällt's. Und dann eilen sie auch schon davon. In die Mittagssonne.

© SZ vom 22.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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