Dachau:Vom Schulaufsatz bis zum Exil

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Literaturwissenschaftlerin Ulrike Beckers hat die Texte ausgewählt. Augsburg kennt sie aus ihrer Schulzeit. (Foto: Toni Heigl)

Das Hoftheater Bergkirchen liest aus dem Werk Bertolt Brechts

Von Renate Zauscher, Dachau

Auf die Spuren von Bertolt Brecht hat sich das Hoftheater Bergkirchen begeben: In der Dachauer Kulturschranne widmete sich eine weitere Veranstaltung der Reihe "Lesetheater" Person und Werk des vor sechzig Jahren verstorbenen Dramatikers und Lyrikers, Theatermannes und Geschichtenerzählers.

Warum gerade Brecht? Für jeden, der mit dem Theater als Regisseur, Schauspieler oder in anderer Funktion zu tun hat, gehört Bertolt Brecht zu den Autoren, "die einen ein Leben lang begleiten", sagt Ulrike Beckers, die bei der Lesung die Zwischentexte spricht und auch die Auswahl der Textpassagen und Gedichte getroffen hat, die vorgetragen werden. Darüber hinaus hat Beckers, die in Augsburg zur Schule ging und später Literaturwissenschaften studierte, natürlich eine besondere Affinität zu dem berühmten Sohn der Stadt, dessen Nachlass mehr als 500 000 Dokumente umfasst, darunter allein 2300 Gedichte und knapp einhundert Dramen und Dramenfragmente.

Die Lesung ist chronologisch aufgebaut. Sie beginnt mit einem Schulaufsatz des 17-Jährigen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs, in dem er den Satz es sei, "süß und ehrenvoll, für das Vaterland zu sterben" ganz im Sinne seiner späteren pazifistischen Überzeugungen und Positionen demontiert. Brecht sei ein "nicht einfacher Schüler" gewesen, berichtet Ulrike Beckers. Mit Sicherheit auch kein einfacher Sohn. In seinem Buch "Unser Leben in Augsburg, damals" schreibt Brechts Bruder Walter von den "Disrespektierlichkeiten gegenüber Lehrern", die den Vater erzürnten, von heftigen Diskussionen im Familienkreis und "Ungemütlichkeiten bei Tisch". Und auch davon, dass der Vater vom Sohn zwar als "Dichterling" sprach, ihn aber in der Öffentlichkeit immer verteidigt habe.

Brecht selbst habe sich zu seiner Person nur wenig geäußert, sagt Beckers, vieles aber erschließe sich über die Figuren in seinem Werk. Über solche wie die der Grusche im "Kaukasischen Kreidekreis" von 1944 oder die der Magd Anna in der Erzählung "Der Augsburger Kreidekreis", die einige Jahre vorher entstanden war: starke, mütterliche entschlossene Frauen. Mit oft nur wenigen Worten habe Brecht "sehr menschliche, sehr berührende Figuren geschaffen". Bei den Männerfiguren aber zeige er "noch ein Stück mehr Menschlichkeit, mehr Nähe" als bei der Schilderung seiner Frauenfiguren. Er habe "Männer wohl besser verstanden als Frauen", glaubt Beckers.

Dennoch oder gerade deshalb wollte Brecht Zeit seines Lebens von Frauen umgeben sein: von Ehefrauen, Geliebten, Mitarbeiterinnen, oft mehreren von ihnen gleichzeitig. "Frauen arbeiteten mit ihm, für ihn, ohne Gegenüber, ohne den Dialog kam er wohl nicht aus", sagt Beckers. Über eine dieser Frauen, die Jugendliebe Rosa Marie Amann, dichtete Brecht einige Jahre später: "Ihr Gesicht, das weiß ich nimmer, ich weiß nur mehr: ich küsste es dereinst."

Die Texte, die Ulrike Beckers aus Brechts Dramen, Gedichten und Prosatexten auswählte, zeichnen dessen Weg über Augsburg, München und Berlin bis ins skandinavische und auch noch das amerikanische Exil nach. Gelesen werden sie im Wechsel von Herbert Müller, Christina Schäfer und Janet Bens. Aber was heißt da schon gelesen: Die Ensemble-Mitglieder des Hoftheaters leben die Texte, legen ihre ganze Leidenschaft als Schauspieler in sie hinein. Ob es sich um Passagen aus der Dreigroschenoper handelt, um solche aus dem "Leben des Galilei" oder die "Ballade von der Hanna Cash": Die drei Vortragenden verleihen ihnen unmittelbare Authentizität und Lebendigkeit.

Die Reihe des "Lesetheaters" sei ins Leben gerufen worden, weil "wir das für wichtig halten", sagt Ulrike Beckers. Theater habe die "Aufgabe, Literatur auch auf diese Weise zu vermitteln". Noch zweimal, jeweils Mittwoch, 7. und 21. Dezember, tritt das Hoftheater mit seiner Brecht-Lesung in der Dachauer Schranne auf. Am zweiten Weihnachtsfeiertag, 26. Dezember, trägt Herbert Müller in Bergkirchen romantische Weihnachtsgeschichten aus aller Welt vor. Karten für alle drei Lesetermine zu 14 beziehungsweise zehn Euro können telefonisch unter 08131/32 64 00 oder unter mail@hoftheater-bergkirchen.de bestellt werden.

© SZ vom 05.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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