Dachau:"Versuchen Sie's mal, Herr Pfarrer"

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Verena Konietschke spielt in dem Dario-Fo-Stück des Hoftheaters "Nur Kinder, Küche und Kirche" eine der beiden Hauptrollen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Komödie "Nur Kinder, Küche, Kirche" von Dario Fo, zeitgemäß inszeniert vom Hoftheater

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Heute werden die "wilden siebziger Jahre" verklärt. Love and Peace, jedes Wochenende Demo. Dazu Alice Schwarzers "Emma" und die nicht ganz so rigide "Courage" als Pflichtlektüre. Dazu lila Latzhosen und Birkenstock - die äußeren Zeichen innerer Emanzipation. Und die andere Seite? Mutti hatte natürlich ihren Beruf aufgegeben, blieb zu Hause, Vati schuftete. Das Wunschkind hatte noch nie etwas von einer Kita gehört.

Genau in dieser Zeit der Brüche und Umbrüche, nämlich 1977, schrieben Nobelpreisträger Dario Fo und seine Frau Franca Rame "Nur Kinder, Küche, Kirche - Solostücke für Frauen", Theaterszenen zur Unterstützung der Frauenbewegung. Am Mittwochabend hatte das Erfolgsstück in einer Inszenierung des Hoftheaters Bergkirchen unter der Regie von Ansgar Wilk in der Kulturschranne Premiere. In den vier Szenen spielen Männer zwar eine (manchmal mehr als dominante) Rolle, sind immer präsent, aber selten sichtbar, dafür aber für die gebannten Zuschauer umso fühlbarer.

Die Frauen (sehr wandlungsfähig von hinreißend komisch bis hochdramatisch: Verena Konietschke und Julia Rieblinger) kämpfen mit der Doppel- und Dreifachbelastung von Beruf, Haushalt, Kind (Das Erwachen). Sie mutieren von der treu sorgenden Ehefrau und Hubschrauber-Mutti in der gleichnamigen Szene zur "Mamma Hexe". Sie drehen den Spieß von Verführung und Verführbarkeit raffiniert um ("Zwiegespräch für eine Stimme"). Und sie zeigen beängstigend und erschütternd, wie verheerend sich Abhängigkeit und Gewalt steigern können. Starker Tobak und ein Lehrstück kurz vor dem sogenannten Vatertag? Ja, weil die vier Solostücke in ihren Grundaussagen immer noch aktuell sind. Man denke an die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder an häusliche Gewalt.

Aber Dario Fo wäre nicht Dario Fo, wenn er nicht mit seinen Mitteln gegen gesellschaftliche Verwerfungen anschreiben würde. Wie er das macht, hat er in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit beschrieben: Es gebe in seinen Werken "eine Anklage und den Willen, durch das Lachen und durch die Ironie zu entdecken, was die Wahrheit ist."

Regisseur Wilk hat sich dieser Herausforderung gestellt und sie hervorragend gemeistert. Verena Konietschke als überforderte Mutter muss frühmorgens zur Arbeit und ihr ständig pieselndes Baby in der Kita abgeben, "weil die nach sieben Uhr zu ist". Sie sucht im immer größer werdenden häuslichen Chaos verzweifelt nach "Mamas Baby, Mamas Tasche, Mamas Jacke, Mamas Schlüssel". Das führt zu urkomischen Szenen mit Baby im Schrank und Parmesan im Babypuder, zu der Erkenntnis, dass die Familie nicht nur erfunden wurde, "damit Männer ihre Neurosen ausleben können". Sie taugt durchaus zu einem auch praxistauglichen Akt der Befreiung als Frau. Julia Rieblinger im Freak-Outfit, sucht und findet einen anderen Weg zu sich selbst. Sie schleicht sich aus Sorge um ihren längst erwachsenen Sprössling sogar in eine sehr alternative Wohngemeinschaft ein - und entdeckt völlig neue Dimensionen des Lebens: "Liebe aus Liebe zu machen, ist wunderschön, versuchen Sie's mal Hochwürden", erzählt sie dem Pfarrer im Beichtstuhl.

Aufreizende Gesten, hautenges dunkelgrünes Samtkleid: Verena Konietschke ist die Verkörperung der allzeit bereiten Geliebten. Der Lover erscheint - und will das übliche Spielchen spielen. Aber daraus wird nichts. Denn weil die Eltern im Zimmer nebenan schlafen, ist er zum Schweigen verurteilt, muss vor Manneskraft strotzend (eine Paraderolle für Ansgar Wilk) ungeduldig die eigentlich ihm vorbehaltenen Verführungs- und Verzögerungstricks seiner Freundin ertragen. Wie das ausgeht? Unbedingt ansehen.

Am Donnerstag, 21. Mai, 20 Uhr, folgt die nächste Premiere mit Suppés "Die schöne Galathee".

© SZ vom 15.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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