Dachau:Verblasste Schönheit

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Nach 14 Jahren Leerstand planen die neuen Besitzer des denkmalgeschützten Hörhammerbräus Wohnungen und freuen sich über das alte Gebälk und die Altstadtlage. Der Glanz des Gebäudes von 1740 ist nur noch zu erahnen

Von Viktoria Großmann, Dachau

Im Dachauer Rathaus ist man begeistert: Die neuen Besitzer des Hörhammerbräu akzeptieren den Denkmalschutz des Gebäudes nicht zähneknirschend, sondern sie haben sich detailliert damit auseinander gesetzt. Nicht nur die sensationelle Lage im begehrten Münchner Umland macht in den Augen der neuen Besitzer also das Haus wertvoll, sondern auch sein Gebälk, seine Mauern, seine Keller. Seine Jahrhunderte lange Nutzung soll der Hörhammerbräu allerdings verlieren. Wohnungen sollen am Altstadthang entstehen. Bevor jedoch nur eine Spachtel irgendwo angesetzt wird, will das Familienunternehmen aus Grünwald, zu dem zwei Architekten und ein Betriebswirt gehören, den Hörhammerbräu in seinem Bestand vollständig vermessen und dokumentieren.

Der Name Hörhammer begleitet das Gebäude erst eine vergleichsweise kurze Zeit.

Im Jahr 1839 kauft Anton Hörhammer von Abensberg die Brauerei. So geht es aus den Quellen hervor und ist nachzulesen auch in dem Buch "Bier, Brauereien und Volksfest in Dachau", herausgegeben vom Museumsverein. Anton Hörhammer modernisiert den Betrieb und stellt vom handwerklichen Brauen auf die fabrikmäßige Lagerbierbrauerei um. Dafür erweiterte er die Keller und lässt vermutlich auch die unterirdische Verbindung zum gegenüberliegenden Stadl schaffen - dem heutigen Lebensmittelladen. Der Kellergang besteht noch heute. Bis weit in die Fünfzigerjahre blieb der Bräu im Besitz der Familie Hörhammer. In ihre Zeit fällt die Gründung der Malzfabrik am heutigen Standort der Koschade-Ruine im Jahr 1869 und die Fusion mit dem Nachbarn Zieglerbräu zur Brauerei Schlossberg 50 Jahre später, 1919.

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(Foto: Niels P. Jørgensen)

Von außen nicht sichtbar besteht der Hörhammerbräu aus Vorder- und Rückgebäude, zwischen denen zwei Höfe liegen. Der Turm wurde etwa um 1747 errichtet.

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(Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Hörhammerbräu war Versammlungsort für die verschiedensten Gruppen.

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(Foto: Toni Heigl)

Die Substanz verändernde Anbauten aus dem letzten Jahrhundert sollen entfernt werden.

Doch neben einer wirtschaftlich erfolgreichen Brauerei war der Hörhammer immer auch Schankwirtschaft, Gasthaus, zeitweise Poststation und damit Ort von Festen, Versammlungen, Handel und unterschiedlichsten Begegnungen. Stammtisch der Freiluftmaler um die vorletzte Jahrhundertwende, in den Zwanzigern Schauplatz rauschender Künstlerfeste - von allen Seiten wurden die Wirtsstuben des Hörhammer vereinnahmt. 1919 wird hier im Zuge der Räterevolution die privatkapitalistische Wirtschaftsordnung abgeschafft, drei Jahre später gründet sich die Ortsgruppe des Bundes Oberland, aus der die örtliche NSDAP hervorgeht, die sich hier bald regelmäßig versammelt. Nach dem Krieg besinnt man sich im Hörhammer auf Brauchtumspflege und belebt etwa das Hutsingen. In den Siebziger- und Achtzigerjahren wird der Hörhammer zwischenzeitlich zum SPD-Lokal und zur Veranstaltungsbühne für Musik und Kabarett.

Zwei höchst prominente Gäste vermerken die Quellen jedoch lange vor Hörhammers Zeiten: So übernachtet am 4. Mai 1782 Papst Pius VI in Dachau, der sich später höchst befremdet über die Ziele von Freiheit und Gleichheit der Französischen Revolution zeigte. Ein im weiteren Sinne Profiteur der Revolution feierte 1806 sein erstes Silvester als König in dem Gasthaus: Der von Napoleons Gnaden eingesetzte erste bayerische König Maximilian I. Damals gehörte das Haus Franz Xaver Wieninger, auch Bürgermeister Dachaus. Er ließ zum Andenken eine Steintafel rechts vom Eingang anbringen, die in Goldschrift das denkwürdige Ereignis beschreibt.

In 14 Jahren Leerstand ist vieles herunter gekommen. (Foto: Christian Uez)

An ihr werden auch zukünftige Bewohner des Hauses noch vorbeigehen. Doch nicht wegen seiner bewegten Geschichte steht das Haus unter gleich dreifachem Denkmalschutz. Zum einen vermerken die Historiker die "lange Front mit Risaliten und Putzrustika", also die Fassadengestaltung als schutzwürdig. Zum anderen gehört der Hörhammer zum schützenswerten Altstadt-Ensemble, der die Dachauer Stadtansicht seit Jahrhunderten prägt. Nicht zuletzt wird auf ein Bodendenkmal hingewiesen. Es werden "untertägige mittelalterliche und frühneuzeitliche Siedlungsteile der historischen Marktsiedlung Dachau" vermutet.

Ganz so weit geht die Geschichte der Brauerei wohl nicht zurück, doch den Dreißigjährigen Krieg hat sie erlebt und nur schlecht überstanden. In den Quellen heißt es jedenfalls der damalige Besitzer Paullus Purckhmair sei um alles gebracht worden, sein Haus ruiniert. 1633 war Dachau von den Schweden belagert worden und stand unter heftigem Beschuss. Doch die Nachfolger berappeln sich schnell. Bereits 1650 ist wieder von einer florierenden Herberg und Preustatt die Rede. Ende des 17. Jahrhunderts wird vermutlich der Stadl auf der gegenüberliegenden Straßenseite erbaut.

Prominenter Gast: Papst Pius VI. (Foto: Guenter R.Mueller)

Sein heutiges Aussehen bekommt der Hörhammerbräu im Besitz der Familie Schmetterer von etwa 1740 an. Aus dieser Zeit stammt die charakteristische Fassade und die Aufteilung in Vorder- und Rückgebäude, verbunden über Höfe und durch Zwischenbauten. Vorher bestand das Anwesen Zeichnungen zufolge aus höherem Vorder- und niedrigem Rückgebäude. Die heutigen, neuen Besitzer können sich für das Dachgebälk aus dieser Zeit begeistern. Das sogenannte Kehlbalkendach erstreckt sich über drei Geschosse. Die neuen Besitzer hegen Ideen, die historische Konstruktion auch nach außen sichtbar zu machen, das Dach also mit einer Glashaut zu überziehen. So entstünde lichter Wohnraum und der Dachboden, auf dem noch ein alter Gerstetrockenofen steht, würde wieder nutzbar.

Die Geschichte des Bierbrauens im Hörhammer endet schon nach dem ersten Weltkrieg, 1919, als an der Schlossgasse die neue Braustätte für die Fusionierung von Ziegler- und Hörhammerbräu eingerichtet wird. 2002 geht auch die Wirtshausgeschichte zu Ende. Die 14 Jahre Leerstand seither sind einmalig in der Geschichte des Hörhammerbräu. Kein Krieg und kein Bankrott hat dem Ort so zugesetzt, wie die Konkurrenz für die Riesen-Schankflächen - es gibt einen Saal, den Wirtsraum und mehrere Nebenzimmer - durch unzählige andere, neuere, kleinere, modernere Lokale und Ausgehmöglichkeiten. Es ist daher wohl konsequent, eine radikal andere Nutzung zu suchen und gleichzeitig ebenso radikal den historischen Bestand zu erhalten. Für die nächsten paar Jahrhunderte voller prominenter Bewohner und Begebenheiten.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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