Prozess:Tatort Stadtweiher

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Eine Mutter muss sich vor Gericht verantworten: Sie soll ihr Kind mit dem Gürtel geschlagen haben. Verfahren wird fortgesetzt

Von Daniela Gorgs, Dachau

Der Vorfall klingt wie aus der Zeit der Schwarzen Pädagogik. Ungehorsame Kinder wurden damals mit körperlicher Gewalt gezüchtigt. Das nannte man dann Erziehung. Nun, die Zeiten haben sich zum Wohle des Kindes geändert, hin zu einem respektvollen Umgang miteinander. Umso mehr erschreckt es, wenn eine Mutter heutzutage zum Gürtel greift, um ihr Kind zu bestrafen.

Es sind schwere Vorwürfe, die der Staatsanwalt am Montagnachmittag gegen eine 42-jährige Mutter erhebt. Laut Anklageschrift soll sie ihre neunjährige Tochter im vergangenen Sommer kraftvoll mit dem Gürtel auf den Oberschenkel geschlagen haben. Tatort: der Stadtweiher. Angeblich, so liest der Staatsanwalt zur Erklärung vor, hatte sich die Tochter zuvor widerspenstig verhalten.

Die Mutter sitzt wegen gefährlicher Körperverletzung auf der Anklagebank - und behält die Ruhe. Sie erklärt dem Jugendgericht, wie es zu dem Vorfall an dem Sommerabend gekommen war. Danach hatte sich die Familie mit Bekannten und Nachbarn am Stadtweiher zum Picknick getroffen. Während sie die Decke und das Essen herrichtete, spielten die Kinder mit den anderen Erwachsenen. Ihre neunjährige Tochter wollte plötzlich die Mannschaft wechseln, was aber an der Zustimmung der Mitspielenden scheiterte. Darüber empörte sich die Tochter, sie diskutierte laut, meckerte. Die Erwachsenen versuchten einzulenken und ein anderes Spiel zu finden. Doch die Neunjährige bockte, rupfte Gras und beschmiss die anderen damit. Nach dem Essen rumorte es in der Mutter. Sie erklärt vor Gericht, sie sei nicht wütend auf die Tochter gewesen, doch ihr Verhalten empfand sie als sehr peinlich. Die Mutter wollte sich die Hose ausziehen, um ins Wasser zu gehen. Da schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf, wie sie berichtet. Sie zog ihren Gürtel aus den Laschen und schnalzte ihn einmal Richtung Tochter. Damit wollte sie ihr zeigen, wie sie damals behandelt worden wäre, wenn sie sich so daneben benommen hätte. Die Mutter beteuert: "Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich meine Tochter überhaupt mit dem Gürtel berührt habe." Die 42-Jährige führt weiter aus, dass die Tochter dann laut geweint und sich später für das schlechte Benehmen entschuldigt habe. Der Abend ging gemütlich am Lagerfeuer weiter - und wurde abrupt durch zwei Polizisten gestört.

Eine Frau, die ebenfalls mit einer Gruppe von Bekannten am Stadtweiher grillte, hatte die Streife gerufen. Sie hatte den Vorfall gesehen und ganz anders erlebt: Die Zeugin sagt vor Gericht, dass die Mutter mit dem Gürtel zwei, drei Mal zuschlug. "Sie hat gepeitscht." Daraufhin habe das Kind heftig und laut geschrien und sei weggerannt. Die Zeugin sei schockiert gewesen, dass die Gruppe so getan habe, als sei nichts passiert. Ein weiterer Zeuge sah das Kind wegrennen, Schläge oder Verletzungen sah der Mann aber nicht. Eine Polizistin untersuchte das Mädchen eine halbe Stunde nach dem Vorfall. Das Kind war unversehrt, es war laut Polizei keine Verletzung, nicht mal eine Rötung auf der Haut zu sehen. Das Kind habe einen ganz normalen, nicht verweinten Eindruck gemacht und mit anderen gespielt, als die Polizei eintraf. Man habe versucht, mit der Mutter zu sprechen, was an den mangelnden Deutschkenntnissen scheiterte. Die Familie kommt aus Osteuropa. Laut Polizei sagte der Deutsch sprechende Ehemann, dass die Tochter nicht geschlagen worden sei. Der Vater erklärte den Vorfall mit "Erziehungsmaßnahmen".

Ein Rechtsgespräch im Hinblick auf eine Einstellung des Verfahrens bleibt erfolglos. Jetzt möchte Vorsitzender Richter Daniel Dorner die Tochter hören, bevor er weitere Zeugen lädt.

© SZ vom 21.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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