Dachau:Stolz und Wehmut

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Marianne Witzgall schenkt der Stadt Dachau ihre 40 Jahre alte serbische Fichte für den Christkindlmarkt am Rathaus.

Annika Mayer

Dachau Christkindlmarkt Mutter und Sohn Witzgall vor dem Baum aus ihrem Garten npj / Foto Jørgensen (Foto: © joergensen.com)

- Marianne Witzgall klingt wehmütig, wenn sie von ihrer Fichte erzählt, die noch bis vor kurzem in ihrem Garten stand. Vor 40 Jahren hatte die ganze Familie diesen Baum gepflanzt. Ihr Mann Konrad war dabei und auch ihr Sohn Peter. Jetzt erinnert ein Stumpf im Garten an den Nadelbaum, der vor kurzem noch tief im Erdreich wurzelte. Denn Marianne Witzgall entschied sich, ihre serbische Fichte der Stadt Dachau für den Christkindlmarkt am Rathaus zu stiften.

"Um acht Uhr morgens waren die da", erzählt die Dachauerin. "Das war der Wahnsinn. Das war einfach der Wahnsinn." Tags zuvor hatte sie sich noch mit ihrem Sohn besprochen. Beide fragten sich, wie der städtische Bauhof einen Baum in einem Stück aus dem Garten holen will, der von einer Hecke eingefasst ist. Und um eben jenen Grünzug sorgte sich Sohn Peter. "Er dachte, die Stadt wird die Hecke stutzen, damit man die Fichte verladen kann", erzählt Marianne Witzgall. Doch es kam alles ganz anders. "Draußen stand ein Kran, und das war ein Bild", berichtet sie. Ein etwa 35 Meter langes Rohr ragte in den Himmel. "Das war so hoch wie der Kirchturm der Friedenskirche." Am Ende dieser Stahlröhre verzurrte ein Mitarbeiter des städtischen Bauhofs die Spitze des Baums mit dem Lenkarm. "In der Luft schwebend sah es aus, als ob der Baum den Himmel berührt."

Witzgalls Geschenk an die Stadt berührt die Herzen der Gäste, die den Christkindlmarkt am Rathaus besuchen. So einen schönen Baum habe man lange nicht mehr gehabt, hörte die Dachauerin von Besuchern des Markts. Am vergangenen Montag, 3. Dezember, stand sie mit ihrem Sohn vor dem Lichterbaum in der Dachauer Altstadt und war stolz. Ihr Sohn war von seiner Wahlheimat Schweden über Jena extra zur Baumvisite nach Dachau angereist. Zum Jahresanfang hat sich die Enkelin angekündigt. Auch sie will den Baum gerne nochmal sehen.

Jahrzehntelang hatten sich Marianne Witzgall und ihr Mann um den Baum gekümmert: "Während der eine die Äste hielt, konnte der andere unter dem Geäst das Gras wegmähen. Nach und nach musste die 86-Jährige das alleine schaffen. Jetzt will sie nicht mehr. "Irgendwann steht das Gras einfach höher. Da muss der Rasen irgendwie gestutzt werden." Marianne Witzgall fühlte sich überfordert. Deshalb entschloss sie sich zu der Christbaumspende an die Stadt Dachau. Sie ist froh, sich so entschieden zu haben, damit alle sich an ihrem Baum erfreuen können.

Doch ein bisschen trauert ihm Marianne Witzgall noch nach. Denn sie mag solche Nadelgehölze, wie diese serbische Fichte mit ihrer enormen Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche klimatische Bedingungen. Im Vergleich zu anderen Sorten zeichnet sich die serbische Fichte durch ihren schlanken Wuchs aus. Eigentlich wäre der Dachauerin auch wieder eine Nadelart als Ersatz genehm gewesen. Aber sie scheut den damit verbundenen Pflegeaufwand, der im Garten wieder nötig würde. Und so wird Marianne Witzgalls Blick auch künftig jeden Morgen über den Garten schweifen. Sie wird schauen, ob dort alles so wächst, wie es soll, inklusive der Hecke. Und im Frühjahr wird sie einen Walnussbaum pflanzen. Weil er immer seltener anzutreffen ist, ist er 2008 zum Baum des Jahres ernannt worden.

© SZ vom 07.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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