Dachau:So verrückt wie du und ich

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Martina Schwarzmann aus Altomünster erzählt im feudalen Ambiente des Dachauer Schlossparks skurrile Geschichten aus dem Alltag. Und sie hat auch noch Verstärkung dabei.

Anna Schultes

Manchmal inseriert Martina Schwarzmann gerne im Anzeigenblatt. Was sie verkauft? Gebrauchte Balkonkästen zum Beispiel. Denn: "Wer dafür losfährt, hat Zeit zum Ratschen." Und das ist immer gut, wenn die Oma daheim beschäftigt werden soll. Alternativ hängt Schwarzmann auch Blüten von den vielen Blumensträußen, die sie geschenkt bekommt, in die Hecke. Da staunt die Großmutter über den gesamten Vormittag hinweg. "Jetzt blüht der Buchs."

Kühl war es beim Auftritt der Musikkabarettistin Martina Schwarzmann auf dem Dachauer Schlossplatz. Doch die 1100>Besucher hielten sich mit Lachen, Klatschen und Decken warm. (Foto: Niels P. Joergensen)

Verblüffte und neugeborene Familienmitglieder, anstrengende Radler, die in der Viererkette die Straße besetzen, oder der Laubbläser-Besitzer von nebenan: Die Musikkabarettistin Martina Schwarzmann hat sich in ihrem aktuellen Programm "Wer Glück hat, kommt" wieder einmal den ganz normalen Menschen verschrieben. Die 33-Jährige ist eine aufmerksame Beobachterin, die bis ins Detail analysiert und die Inspiration zu ihren Texten und Liedern aus Begegnungen im alltäglichen Leben zieht. Bei ihr spielt sich das rund um einen Bauernhof in Altomünster ab, auf dem sie seit 2007 gemeinsam mit ihrem Mann und den beiden Kindern wohnt. Gut möglich also, dass ihr einer der 1100 Zuschauer beim Open-Air-Kabarettabend am Sonntag auf dem Dachauer Schlossplatz bereits als Vorlage diente. Zumindest erkennt der eine oder andere Besucher ihre Beobachtungen wieder und kommentiert mit einem zustimmenden Wort oder Nicken.

Seit Monaten war die Kabarettveranstaltung, mit der sich die Münchner Agentur Kulturgipfel am Dachauer Musiksommer beteiligte, auf der Wiese vor dem Schloss ausverkauft. Das Publikum schätzt die Art, wie Schwarzmann im oberbayerischen Dialekt ihre Geschichten erzählt. Manchmal präsentiert sie sich ein wenig naiv, im nächsten Moment derb und frech. Dabei treibt sie die Darstellungen gerne ins Absurde. Obwohl die Kabarettistin seit Jahren überregional erfolgreich ist, hat sie den Charme der bodenständigen Erzählerin vom Land nicht verloren. Sie hebt sich nicht von ihren Zuschauern ab, sondern vermittelt das Gefühl, eine von ihnen zu sein. Schlicht gekleidet in Jeans und schwarzer Bluse sitzt Schwarzmann auf der Bühne vor dem prächtigen Schlossbau. Sie legt keinen Wert auf die große Selbstinszenierung. Sie braucht kein schräges Outfit, keine schillernde Show. Ihr reichen ein Stuhl, eine Gitarre und ihre Erzählungen.

Die Besucher sind begeistert, wenn sie ein paar schräge Anekdoten aus ihrer Kindheit auf einem Bauernhof in Überacker im Landkreis Fürstenfeldbruck schildert. Damals fuhr die Familie in den Ferien nie weg. Das Mädchen amüsierte sich ersatzweise über die verkehrte Welt in einer Pfütze. Wo die Füße oben sind und der Himmel unten, da ist eben alles möglich. Darum geht es im Lied "Urlaub In Da Wasserlacha", wo Hansi Hinterseer in einer Heavy-Metal-Band spielt oder Lothar Matthäus Trainer des FC Bayern München ist.

Kurz vor der Pause holt sich Schwarzmann Unterstützung auf die Bühne. Nachdem sie über die Bedeutung der richtigen Berufswahl philosophiert hat, bittet sie einen Gast nach vorne. Sie stellt ihn als einen ihrer Praktikanten vor, denen sie das Erfolgsgefühl beim Auftritt vor so vielen Menschen zeigen möchte. Stephan Zinner nimmt es gelassen. Der Kabarettist ist froh, in Dachau zu sein, denn anders hätte er einer Yogastunde mit seiner Frau nicht entfliehen können. Die Lehre aus seinen ersten Erfahrungen auf der Matte: "Je harmloser das Tier, desto schlimmer die Übung." Tote Ente gebe es von nun an nur noch beim Chinesen. Zinner war im Kino schon in Filmen wie "Räuber Kneißl" und "Die Perlmuttfarbe" des Regisseurs Marcus H. Rosenmüller zu sehen. Am Sonntagabend überlässt er nach einem Lied über die Schicki-Micki-Münchner mit Jesus-Tattoo auf dem Bauch und die wahren Einwohner aus Minga schnell wieder "der Chefin" die Bühne. Im Dezember kommt er aber mit seinem Kabarettprogramm in die Dachauer Kultur-Schranne.

Vor der Zugabe bekommt Martina Schwarzmann einen Blumenstrauß. Einige Zuschauer grinsen. Die Kabarettistin schmunzelt. "Der ist hübsch, den friere ich mir bis Allerheiligen ein." Eine kurze Pause, dann sagt sie es doch noch: "Jetzt kann ich in der Buchshecke wieder für die Oma zaubern."

© SZ vom 24.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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