Dachau:Polizist und Rentner streiten vor Gericht

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Gegenseitige Anzeigen wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung münden in einen zivilrechtlichen Vergleich

Von Daniela Gorgs, Dachau

Ein Nachbarschaftsstreit vor dem Strafgericht ist immer eine heikle Angelegenheit. Selten sind die Fälle, in denen das Urteil Frieden zwischen den Streitenden stiftet. Umso mehr überraschte der Vorstoß einer Staatsanwältin, die am Amtsgericht Dachau nach eineinhalbstündiger Verhandlung um ein Rechtsgespräch bat und auf diese Weise tatsächlich den Streit aus der Welt schaffte.

Ein 78-jähriger Rentner klebte kleine Zettel an Autos, die nicht berechtigt auf dem Anwohnerparkplatz einer Hausgemeinschaft parkten. Den Hinweis "Parken nur für Anwohner" klemmte er zunächst unter Scheibenwischer. Als er merkte, dass die jeweiligen Autofahrer diese Zettel unbeachtet auf den Boden warfen, griff er zum Klebeband und befestigte die Hinweise auf den Frontscheiben. Darüber ärgerte sich ein Autofahrer sehr. Wie der 24-jährige Mann dem Gericht schilderte, musste er eines Morgens zunächst alle in der Wohnung verfügbaren Reinigungsmittel ausprobieren, bis er einigermaßen freie Sicht hatte. Und das vor dem Weg zur Arbeit. Ein paar Tage später traf er auf den Rentner. Der 24-Jährige hatte gerade seinen Wagen abgestellt, schon kam der 78-Jährige und stellte ihn zur Rede. Es stellte sich heraus, dass der 24-Jährige Anwohner der Wohnanlage ist und damit trotz seines Münchner Kennzeichens berechtigt ist, sein Auto auf dem hauseigenen Parkplatz abzustellen.

Anwohner zückt seinen Dienstausweis und stellt sich als Polizist vor

Weit gefehlt, wer denkt, die Sache habe sich nun geklärt. Der 24-Jährige war noch dermaßen erbost über die morgendliche Putzaktion, dass er den Rentner beschimpfte und eine Anzeige wegen Sachbeschädigung androhte. Weil der 78-Jährige ihm nicht seinen Namen verraten wollte, holte er kurzerhand seinen Dienstausweis aus der Tasche und stellte sich als Polizist vor. Das wiederum erzürnte den Rentner, der kopfschüttelnd über die Reaktion des jungen Mannes gehen wollte. Doch der 24-Jährige packte ihn am Arm, rief die Kollegen zu Hilfe und stellte Strafantrag wegen Sachbeschädigung.

Der junge Mann habe ihn angebrüllt, sich mit Worten überschlagen, beschwerte sich der Rentner, der mit einem Verteidiger auf der Anklagebank saß. Es sei ihm schleierhaft, dass sich ein Polizist so "daneben benehmen" könne. Der 78-Jährige erläuterte, dass er in seiner Funktion als Verwaltungsbeirat von der Hausverwaltung beauftragt worden sei, Fremdparker auf das Parkverbot hinzuweisen. Darüber regte sich der Polizist nicht auf, nur über den Kleber, mit dem der Rentner die Zettel auf der Autoscheibe befestigte. Das sei Harz gewesen, flüssiger Kleber. Der 78-Jährige habe selbst gesagt, dass er flüssigen Kleber verwenden müsse. Im Regen halte das Klebeband nicht. Dies aber bestritt der Rentner vor Gericht.

Jeder nimmt seinen Strafantrag zurück

Nach eineinhalb Stunden fasste Richterin Cornelia Handl zusammen: Es gebe einen Strafantrag wegen Sachbeschädigung gegen den Rentner, ein Ermittlungsverfahren gegen den jungen Polizisten wegen Körperverletzung. Laut einem ärztlichen Attest hatte der Rentner drei Hämatome am Arm, dort, wo ihn der 24-Jährige festgehalten hatte. Auf beiden Seiten, fuhr die Richterin fort, gebe es keine Einträge im Bundeszentralregister. Geradezu dankbar nahm die Vorsitzende Richterin das Angebot für ein Rechtsgespräch mit Verteidiger und Staatsanwaltschaft an und unterbreitete den Verfahrensbeteiligten danach ein Angebot. "Sie sind Nachbarn und müssen auch weiter unter einem Dach leben", wandte sie sich an den Rentner und den Polizisten und schlug einen zivilrechtlichen Vergleich vor, an Ort und Stelle. Einen Täter-Opfer-Ausgleich sozusagen. Angeklagter und Zeuge verzichten wechselseitig auf sämtliche Ansprüche. Jeder nimmt seinen Strafantrag zurück. Die Kosten des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben. Rentner und Polizist stimmten zu. Die Frau des 78-Jährigen auf der Zuschauerbank atmete auf. Das Verfahren gegen ihren Mann wurde eingestellt.

© SZ vom 05.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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