Dachau:Musikalische Begegnung

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Shekib aus Afghanistan singt auf der Bühne. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Toleranzkonzert in der Schranne begeistert mit Improvisation

Von Veronika Königer, Dachau

"Wir sind alle für Frieden hier. Für das Zusammenleben", ruft der Syrer Osama strahlend ins Publikum. Jubelnder Applaus, Pfiffe, zustimmende Rufe schallen ihm entgegen. Kein Wunder, genau dafür sind die Leute in der Kulturschranne am Freitagabend zusammengekommen, zum "Toleranzkonzert" im Rahmen der Interkulturellen Wochen in Dachau. Obwohl das Wort Toleranz nicht passt: "Toleranz heißt irgendwo, etwas ertragen zu müssen, und das stimmt nicht. Wir sind zusammen eine Welt", sagt Robert Freudenberg, einer der mitwirkenden Musiker des Konzertes.

Als im vergangenen Jahr in Jetzendorf Asylbewerber ankamen, entschied er, etwas für sie zu tun. "Musik war dabei meine einzige Kommunikationsmöglichkeit", erklärt der 43-Jährige. Eine schwierige Kommunikation anfangs, bei den großen Unterschieden zwischen orientalischer und europäischer Musik, aber dennoch eine mögliche. Dabei ist er nicht der einzige: auch Daniel Kovac, der eigentliche Organisator des Konzerts, arbeitet mit Flüchtlingen und macht mit ihnen Musik. Am Freitag erkrankte er kurzfristig, weshalb auch das Programm etwas durcheinander geriet.

"Wir machen heute eher einen Jam", sagt Freudenberg und ergreift nach einigen begrüßenden Worten des Kulturamtsleiters Tobias Schneider und der Verantwortlichen für die Interkulturellen Wochen, Verena Milasta, selbst die Initiative. Zusammen mit der Daniel Kovacs Band, in der unter anderen auch der niederländische Schlagzeuger Evert van der Wal spielt, singt er eines von Daniels Liedern - ohne es je gehört zu haben. Und es funktioniert erstaunlich gut: Spätestens beim Refrain von "Singen und Tanzen", wie der Titel heißt, klatschen alle mit, es herrscht fünf Minuten nach Beginn des Konzerts eine Superstimmung in der vollen Kulturschranne. Die meisten Leute haben keinen Platz mehr gefunden, sitzen auf den Fensterbrettern, stehen an der Wand und zwischen den Tischen, aber es stört niemanden. Nur lachende Gesichter, Klatschen, Pfiffe begleiten die Töne von Klavier, Gitarre, Bass, Saxofon, Trommeln, Cajon und Barbala, einer Art bauchigen syrischen Gitarre. Deutsche und Asylbewerber feiern gemeinsam - Integration, die gelungen ist.

Auch die Menschen auf der Bühne erinnern immer wieder daran: Shekib aus Afghanistan, der in seiner Heimat ein Übersetzer war und perfektes Englisch spricht, singt gemeinsam mit Freudenberg im Duett, auf Englisch, baut afghanische Passagen in die Lieder ein, dankt nach seinem Auftritt immer wieder dem strahlenden Robert, dass er ihm die Musik möglich gemacht hat. Osama tritt ebenfalls auf, singt arabische Lieder über den Frieden. Als seine Freunde, Ibo und Ahmad, am Mikrofon sind, spielt der Syrer Bass - hat er zwar erst vor drei Wochen gelernt, aber es funktioniert und klingt gut. Der Asylchor Bergkirchen, ein Projekt der VHS Bergkirchen und des Helferkreises Asyl, darf bei einem solchen Konzert auch nicht fehlen: Unter der Leitung von Carolin Roth, die Ukulele spielt, singen Flüchtlinge und Einheimische gemeinsam auf Deutsch und Englisch und reißen das Publikum mit sich.

Doch auch der schönste Abend muss zu Ende gehen: Carolin Roth stimmt an zum letzten Lied des Abends: "Imagine" von John Lennon. Syrische, afghanische, senegalesische, deutsche Stimmen vermischen sich zu einem gemeinsamen Chor: "Imagine all the people, living in peace. . ." Einen Eindruck jenes Traums von einer Welt, in der Menschen aller Völker friedlich zusammenleben, hat man an diesem Abend in der Kulturschranne bekommen. Tobias Schneider trifft es auf den Punkt: "Das war ein richtiger Begegnungsabend, an dem sich alle wirklich nähergekommen sind. Genau so soll Integration sein."

© SZ vom 17.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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